gl24: Nach fünf Jahren im Landratsbüro ist nun der Zeitpunkt gekommen, dass Sie die Leitung des Gremiums übernehmen können. Mit welchen Gefühlen und Erwartungen gehen Sie in Ihr Jahr als Landratspräsidentin?
Daniela Bösch-Widmer: Ich freue mich ausserordentlich, dass ich zur 139. Präsidentin des Landrates des Kantons Glarus gewählt worden bin. Es ehrt mich und meine Familie sehr und erfüllt mich mit Stolz, dass ich für ein Jahr dem Landrat vorstehen und diesen nach innen und aussen vertreten darf. Eine neue Funktion, eine neue Aufgabe – ja, es schwingt auch etwas Respekt mit. Ich möchte die Sache gut machen. Sie dürfen darauf vertrauen, dass ich mich leidenschaftlich engagiere und mein Amt nach bestem Wissen und Gewissen ausüben werde. Ja, ich bin gespannt und blicke voller Vorfreude auf das Amtsjahr 2024/2025, in welchem ich hoffentlich ganz viel Neues kennenlernen darf.
gl24: Worauf freuen Sie sich besonders? Wovor haben Sie am meisten Respekt?
Daniela Bösch-Widmer: Ich freue mich auf viele spannende Begegnungen, Neues kennenzulernen sowie nach so vielen Jahren im Landrat eine neue Rolle zu übernehmen und dabei als Mittepolitikerin, in der Mitte zuoberst sitzend, die Leitungsfunktion innezuhaben. Dass zudem der Landammann und ich derselben Partei angehören, freut mich speziell.
Respekt habe ich vor meinem persönlichen Hang zum Perfektionismus.
gl24: Worauf wollen Sie sich in Ihrer Amtszeit konzentrieren?
Daniela Bösch-Widmer: Natürlich werde ich mich auf die Ratssitzungen konzentrieren. Hierbei wird es mir wichtig sein, diese neutral, weitsichtig, speditiv und dennoch herzlich zu leiten und dabei die Geschäftsplanung im Griff zu haben.
gl24: Sie folgen auf Regula Keller; wissen Sie, ob es im Glarner Landrat schon mal vorgekommen ist, dass zwei Frauen nacheinander dieses hohe Amt innehatten?
Daniela Bösch-Widmer: Soviel ich weiss, ist dies eine Premiere. Dieses Novum lässt sich u.a. damit erklären, dass es seit der Einführung des Frauenstimmrechts in fünf Jahrzehnten gerade einmal fünf Landratspräsidentinnen gegeben hat. Statistisch gesehen bin ich die Nummer Sechs.
gl24: Wie sehen Sie hier allgemein die Situation der Frauen in der Politik? Vielleicht auch im Vergleich zu Ihren Anfängen?
Daniela Bösch-Widmer: In der Glarner Politik kommt die Gleichberechtigung der Frauen nach wie vor nicht voran. Im Landrat sind wir mit einem Frauenanteil von einem Viertel noch nicht dort, wo es einem Abbild der Bevölkerung entsprechen würde. Doch das Landratsbüro macht es mit einer 50-50-Verteilung vor. So hoffe ich sehr, dass diesbezüglich auch in der Glarner Politik Veränderung stattfinden wird und wir Schritt für Schritt weiterkommen.
gl24: Als Lehrerin und Heilpädagogin haben Sie ja bereits Erfahrung mit der Leitung von heterogenen Gruppen. Sehen Sie hier gewisse Parallelen?
Daniela Bösch-Widmer: Ja, der Beruf der Lehrerin und Heilpädagogin kommt mir hier sicher sehr entgegen. Ich bin es mir gewohnt zu führen, zielorientiert zu arbeiten, den Überblick zu behalten, auch in herausfordernden Situationen Ruhe zu bewahren, Entscheide zu fällen, auch einmal zu improvisieren, gut zuzuhören und zu beobachten sowie mich dabei immer auf meine Menschenkenntnis verlassen zu können.
gl24: Die Landsgemeinde hat in diesem Mai der Erweiterung der Berufsschule Ziegelbrücke zugestimmt. Daneben ist nicht nur im Glarnerland der Ruf nach Fachkräften und Nachwuchs sehr gross. Wie sehen Sie den Kanton als (Aus)Bildungskanton? Wo und wie besteht Handlungsbedarf?
Daniela Bösch-Widmer: Mit der Erweiterung Berufsschule Ziegelbrücke und damit der Zusammenführung des Bildungszentrums Gesundheit und Soziales und der Gewerblich-Industrielle Berufsfachschule in Ziegelbrücke wird die Berufsbildung im Kanton Glarus nachhaltig gestärkt. Die Qualität wird gesteigert; zudem wird Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gewährleistet auf die sich stetig wandelnden Anforderungen im Bereich der Berufsbildung.
Der Fachkräftemangel ist omnipräsent. Die Herausforderungen in diesem Bereich betreffen nicht nur das Glarnerland. Sie sind allgegenwärtig. Bildung ist eine unserer Ressourcen. Dieser müssen wir Sorge tragen. So wird es auch zukünftig weitere Investitionen im Bereich der Bildung brauchen.
gl24: Konflikte in der Ukraine und dem Nahen Osten, Teuerung, Klimawandel. Grosse globale Themen, die auch das kleine Glarnerland beeinflussen. Wie kann ein kleiner Kanton und auch die kantonale Politik darauf reagieren oder entgegenhalten?
Daniela Bösch-Widmer: Die Weltlage zeigt sich an verschiedensten Orten und in verschiedensten Aspekten als unsicher. Das macht nachdenklich. Ängste können entstehen. Dabei weisen für mich die Werte der Freiheit, Solidarität und Verantwortung den Weg, welche für mich tragend und zielführend sind. So sollen sich die Menschen frei entfalten können, dies jedoch in der Verantwortung und Solidarität gegenüber den Mitmenschen, der Umwelt und dem immerwährenden Blick für die zukünftigen Generationen. Diese Werte in die Glarner Politik einfliessen zu lassen, erscheint mir zentral, um damit entgegenhalten zu können.
gl24: Welche Themen sehen Sie sonst noch zentral für den Kanton Glarus in der kurz- und mittelfristigen Zukunft?
Daniela Bösch-Widmer: Die finanzielle Lage des Kantons zeigt sich als herausfordernd. Es wird eine rasche, aber sorgfältige Aufgabenüberprüfung, welche entwicklungspolitische Prioritäten aufzeigt, brauchen. Dabei wird es wichtig sein, die Auf-/Ausgaben intensiv zu diskutieren und dabei Wünschbares von Notwendigem zu unterscheiden.
Weiter zeigen die verschiedenen Verkehrsprobleme auf, dass kleinräumige Lösungen nicht genügen. Einerseits müssen Verbesserung den ÖV betreffend erfolgen und andererseits wird es einen zielstrebigen Dialog mit dem Bund über eine grossräumig konzipierte Umfahrungslösung brauchen, die auch den Hauptort Glarus umfasst.
gl24: Wie sind Sie zur Politik und speziell zur Mitte beziehungsweise CVP gekommen?
Daniela Bösch-Widmer: Mir war es schon immer wichtig, mich für eine Sache einzusetzen, sich einzubringen, mitzugestalten und etwas bewirken zu können. Ich stamme aus einer CVP-Familie. Bei uns zu Hause wurde schon immer politisiert, vielleicht habe ich respektive meine Familie die Politik sogar im Blut.
gl24: Was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern gerne noch von sich mitteilen?
Daniela Bösch-Widmer: Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, freue mich auf viele schöne und interessante Begegnungen mit Ihnen und wünsche Ihnen nun eine wundervolle Sommerzeit.