Gestützt auf Artikel 82 der Landratsverordnung unterbreiten wir Ihnen hiermit zur Beantwortung durch den Regierungsrat folgende Interpellation:
Ausgangslage
Alle Menschen, die in Not geraten sind, haben Anspruch auf existenzsichernde Hilfe und zwar unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Dazu gehören auch Geflüchtete, deren Asylgesuch abgelehnt worden ist. Bis zur Ausreise leben sie dann allerdings in «regulärer Illegalität» – ein paradoxer Zustand. Viele Geflüchtete können mangels Ausweisdokumenten nicht ausreisen und werden, wie i.d.R. bei Menschen tibetischer Herkunft, nicht ausgeschafft. Insbesondere bei letzterer Gruppe stellt sich die Situation stellenweise wie ein Stück des absurden Theaters dar. Tibeter/-innen, denen das SEM glaubt nachweisen zu können, dass sie in Nepal oder Indien länger gelebt haben oder dort sozialisiert sind, wird kein Flüchtlingsstatus gewährt. So wäre die Ausreise oder Ausschaffung fällig – nur wohin? Indien und Nepal anerkennen diese Geflüchteten i.d.R nicht als ihre Staatsbürger, nach Jahren der Flucht hätten sie zudem einen möglichen Aufenthaltstitel bereits wieder verloren. In die Volksrepublik China, das Tibet annektiert hat, wird aus politischen Gründen nicht ausgeschafft, nach Tibet sowieso nicht.
So gelangen diese Geflüchteten in die Nothilfe und dies oft jahrelang. Nothilfe bedeutet:
· Fast täglich bei einer Behörde vorzusprechen, um sich den Tagessatz für Einkäufe aushändigen zu lassen.
· Eine einfache Kollektivunterkunft an der Peripherie von Siedlungsgebieten.
· Keine Integrationsmassnahmen
· Keine Arbeitsbewilligung
· Im schlimmsten Fall bei einer Personenkontrolle eine Busse wg. illegalen Aufenthaltes
Es bedarf keiner grossen Vorstellungsgabe, sich vorzustellen, was dieser Zustand mit Menschen macht.
Einige Geflüchtete versuchen nach einigen Jahren über ein Härtefallgesuch einen besseren Status zu erlangen. Doch die Anforderungen sind hoch und paradoxerweise wird der Beleg eben jener Integration gefordert, der in der Nothilfe diverse Steine in den Weg gelegt worden sind.
Für viele stellt sich hier auch erneut die Frage des Identitätsnachweises. Geflüchtete Tibeter/-innen fürchten sich, mit ihren Familien in der Heimat Kontakt aufzunehmen, weil sie Repressionen durch die chinesischen Autoritäten befürchten, in vielen Fällen existieren keine Dokumente wie Geburtsurkunden o.Ä.. Tibeter/-innen haben Angst, die chinesische Botschaft in Bern aufzusuchen, denn nach offizieller Schweizer Lesart sind sie Chinesen. Ein Ausweg wäre eine Identitätsbescheinigung der tibetischen Exilregierung.
Der Kanton Glarus hat in den letzten Jahren vielbeachtete und erfolgreiche Bemühungen in der Integration von Geflüchteten unternommen. Doch die Gruppe der Nothilfeempfangenden wird dabei nach wie vor ausgeklammert und gelangt auch nicht in das kollektive Bewusstsein der Bevölkerung.
Fragen:
1. Wie viele Nothilfeempfänger/-innen gibt es im Kanton Glarus?
2. Aus welchen Herkunftsländern stammen sie, wie ist die Alters- und Geschlechterverteilung?
3. Wie lange befinden sich diese Menschen durchschnittlich in der Nothilfe?
4. Wie viele Härtefallgesuche wurden in den letzten 5 Jahren gestellt?
5. Wie viele Härtefallgesuche wurden bislang weitergeleitet und angenommen oder bereits auf kantonaler Ebene abgelehnt?
6. Wie wurden Ablehnungen begründet?
7. Wer/ welche Instanz trifft die erste Entscheidung der Weiterleitung eines Härtefallgesuchs?
8. Falls Ablehnungen aufgrund eines fehlenden Identitätsnachweises erfolgten: Wie viel Prozent erleben eine Ablehnung aufgrund dieses fehlenden Identitätsnachweises?
9. Könnte sich die Regierung eine Kommission für die Behandlung von Härtefallgesuchen vorstellen?
10. Sieht die Regierung die Härtefallregelung als Mittel der Integration?
11. Hat der Kanton die Absicht, Menschen gegebenenfalls ein Leben lang in der Nothilfe zu belassen?
Besten Dank im Voraus für die Beantwortung unserer Interpellation.
Christian Büttiker
Fraktionspräsident