Interview mit Kurt Müller



Interview mit Kurt Müller

glarus24: Die Glarner Kantonalbank hat die Initiative für ein neues Entwicklungskonzept für Braunwald ergriffen. Was sind die Beweggründe für diesen eher überraschenden Schritt einer Bank?

Kurt Müller: Braunwald hat zweifellos viel Potential. Davon sind viele Gäste und Einheimische überzeugt. Viele verpassen keine Gelegenheit, auf dieses Potential aufmerksam zu machen. Aber die Erkenntnis nützt leider nicht viel, wenn man nicht bereit ist, dieses Potential auch mit vereinten Kräften zu aktivieren und zu nutzen. Wer unternehmerisch denkt und handelt, sieht in Braunwald ein grosses Betätigungsfeld mit zahlreichen Chancen. Wir haben somit zuerst versucht das Terrain zu ebnen, damit gute Ideen eine Chance haben und positive Veränderungen stattfinden können. Als Bank denken und handeln wir wie jedes andere Unternehmen.

Konzeptlosigkeit, mangelnde personelle Ressourcen, finanzielle Probleme des Gemeindehaushaltes, eine ungünstige Aktionariatsstruktur bei den Sportbahnen und so weiter hatten eine Blockadesituation geschaffen. Dazu kommt eine schwierige geologische Situation. In Braunwald herrschte über viele Jahre ein ungünstiges Investitionsklima. Das bessert sich nun zusehends. Die Bank hat Interesse an einem stabilen System Braunwald, an werthaltigen Liegenschaften und an erfolgreichen Unternehmen. Also haben wir gesagt, wir engagieren uns für eine gewisse Zeit und leisten Unterstützung, damit Braunwald wieder auf einen positiven Entwicklungspfad zurückfindet.

glarus24: Wie muss man sich diese Arbeit vorstellen? Haben sich schon Erfolge eingestellt?

Kurt Müller: Strategie- und Projektarbeit beginnt mit viel Überzeugungsarbeit. Es kann nicht funktionieren, wenn alle etwas machen wollen, aber alle etwas anderes. Also muss man sich auf eine Linie festlegen, die von der Mehrheit der Beteiligten als gut befunden wird, der Situation angemessen ist und aufgrund der vorhandenen Ressourcen eine reelle Erfolgschance hat. Wir haben eine Orientierungshilfe geschaffen für Einheimische und Investoren, welche sich in Braunwald engagieren wollen.

Der Erfolg beginnt bekanntlich im Kopf. Mit der Wellbeing-Philosophie haben wir ein allseits anerkanntes und gutes Konzept. Erfolg 2: Die Hauptakteure sind willens, das Konzept auch umzusetzen und sind schon an der Arbeit. Erfolg 3: Man spricht wieder miteinander und arbeitet zusammen. Erfolg 4: Mit einer geschickten Kommunikation haben wir bei Investoren Interesse für ein neues Braunwald wecken können.

glarus24: Interesse ist gut, aber damit ist noch nicht viel erreicht. Welche Massnahmen werden konkret ins Auge gefasst?

Kurt Müller: Die Projektgruppe hat eine überschaubare Zahl von Massnahmen vorgeschlagen, welche nun sukzessive umgesetzt werden. Verschiedene Arbeitsgruppen sind an der Arbeit. Zum Teil sind es ganz kleine Verbesserungen, die erst im Verbund für den Gast einen Mehrwert erzeugen. Mit einem Newsletter werden Interessierte periodisch über den Stand der Projekte orientiert. Wichtig sind aber die drei grossen Fundamente, auf denen wir bauen wollen. Das sind gewichtige Massnahmenpakete.

glarus24: Können Sie diese Massnahmenpakete näher erläutern?

Kurt Müller: Das erste Massnahmenpaket betrifft die Sportbahnen. Die Aktienmehrheit der öffentlichen Hand besteht bereits nicht mehr. Ein Mehrheitsaktionär kann auf einer vernünftigen finanziellen Basis die zukünftigen Aufgaben angehen. Die neue Gumenbahn ist erstellt und in Betrieb. Für die übrigen Anlagen wird ein Erneuerungsplan erarbeitet.

Das zweite Massnahmenpaket betrifft die Hotellerie, ein für Braunwald besonders wichtiges Gewerbe. Das Angebot entspricht oft nicht den Bedürfnissen einer anspruchsvoller gewordenen Kundschaft. Die Investitionsbereitschaft der meisten Unternehmen ist aus unterschiedlichen Gründen gehemmt. Die Lösung wird auf zwei Wegen gesucht. Erstens soll in Braunwald eine neue moderne Beherbergungsstruktur in einem gehobeneren Segment realisiert werden, die genau die Bedürfnisse gemäss Vision abdeckt - das heisst ein Wellbeing-Hotel an bester Lage. Die Voraussetzungen für ein solches Hotel sind heute noch nicht vorhanden, konnten aber bereits stark verbessert werden. Das neue Hotel konkurrenziert die bestehenden Häuser nicht, weil es ein anderes Segment anspricht. Die übrigen bestehenden Hotels suchen sich eine adäquate Nische im Bereich Wellbeing, sofern sie das wünschen und die Bereitschaft haben ihre Zukunft im Rahmen eines gesamten Konzepts zu gestalten. Das Angebot wird bereits in verschiedenen Häusern laufend auf Wellbeing ausgerichtet.

Mit dem dritten Massnahmenpaket werden die planerischen Voraussetzungen geschaffen, damit eine positive Entwicklung eingeleitet werden kann. Dazu ist ein erster grosser Schritt notwendig. Die Bergstation der Standseilbahn muss auf die Höhe 1'300 Meter über Meer höher verlegt werden, in ein Gebiet, das geologisch weniger problematisch ist. Dazu muss die Standseilbahn umgebaut oder eine Luftseilbahn neu gebaut werden. Das Dorf würde sich langsam erneuern und neue Aktivitäten würden sich schwergewichtig im Gebiet Hüttenberg konzentrieren, ebenfalls das geplante neue Hotel.

glarus24: Da müsste der Kanton als Eigentümer der Standseilbahn aber tief in die Tasche greifen.

Kurt Müller: Wir reden von einer Investition von circa 30 Mio. CHF, die ein Mehrfaches an privaten Investitionen auslösen könnte.

glarus24: Rechtfertigt sich eine so grosse Investition?

Kurt Müller: Auf jeden Fall. Man darf das Problem nicht auf die Sicherheitsaspekte beschränken. Die Argumentation, es sei ja noch niemand zu Schaden gekommen und somit bestehe kein Handlungsbedarf, greift entschieden zu kurz. Tatsache ist doch: rund um die Bergstation darf man aus geologischen Gründen gemäss Nutzungsplanung nicht mehr bauen. Wer kommt denn so noch auf die Idee, hier zu investieren? Wir brauchen aber Investoren und die sind interessiert, sobald sich Perspektiven eröffnen. Ich denke längerfristig lohnt sich eine etwas grössere Anfangsinvestition. Wenn die öffentliche Hand die Voraussetzungen schafft, dass Investitionen wieder interessant werden, können wir davon ausgehen, dass Braunwald auf einen positiven Entwicklungspfad einschwenkt. Die Bergstation muss auch nicht im nächsten Jahr gebaut werden, aber für Investoren sollte bald erkennbar sein, dass diese Massnahme in einem absehbaren Zeitraum von vielleicht 5 Jahren sicher realisiert wird. Eine Strasse nach Braunwald ist kein Thema. Sie würde ein Mehrfaches einer neuen Standseil- oder Luftseilbahn kosten. Zudem würde sich die Identität des Ortes total verändern. Braunwald wäre ein Ort wie jeder andere und könnte sich nicht mehr abgrenzen.

glarus24: Wie geht es weiter in Sachen Verlegung der Bergstationsverlegung der Braunwaldbahn?

Kurt Müller: Gemeinderat und Kernteam erwarten seit längerer Zeit eine Antwort auf die im Juli 2007 eingereichte Botschaft. An der Strategie des Kantons muss nichts verändert werden. Sie ist gut. Unsere Ideen für Braunwald sind damit vollständig kompatibel. Jetzt müssen wir aber vom Reden zum Handeln kommen. Die Strategie des Kantons setzt sich nicht von selbst um. Mit einer positiven Grundeinstellung zum Vorhaben zukunftssichernde Erschliessung von Braunwald ist schon viel erreicht. Dann kommt auch ein politischer Prozess in Gange. Mürren im Berner Oberland hat es gezeigt. Offenbar ist es möglich, innert 12 Monaten eine Bahnerneuerung zu planen und zu realisieren. Diese Investition hat einen regelrechten Boom im Dorf ausgelöst. Packen wir doch die Chancen in Braunwald! Das Terrain ist gut vorbereitet.