Interview mit Martin Zimmermann


gl24: Womit bist du momentan beschäftigt?M.Z.: Neben dem diesjährigen Regierungskonzert, das ich als Vorstand der Glarner Konzert- und Theatergesellschaft betreue, beschäftigen mich gerade die Prüfungen vieler Studierenden der Musikhochschule Winterthur Zürich, welche ich als Korrepetitor am Cembalo begleite. Daneben unterrichte ich da auch ein kleines Pensum Kammermusik. In zwei Wochen reise ich schliesslich nach Wien und Tschechien weiter, wo ich für meine Dissertation in archivalische Dokumente über einige Komponisten aus dem 17. Jahrhundert suchen werde.gl24: Wie bist du zur Musik gekommen?M.Z.: Durch einen lustigen Zufall: Meine Eltern haben von der Verwandtschaft ein Klavier geerbt, und ich habe es als Sechsjähriger sofort in Beschlag genommen. Über viele Jahre besuchte ich dann an der Glarner Musikschule bei Fredi Grossmann Klavierunterricht, der mich hervorragend gefördert und gefordert hat. Mein Entschluss, an die Musikhochschule zu gehen, fasste ich erst etwa ein Jahr vor der Matura. Lange Jahre hatte ich einen Bubentraum und wollte Lokomotivführer werden. Letztlich habe ich mich dann aber klar für die Musik entschieden.gl24: Wie sah deine Ausbildung aus?M.Z.: Zu gewissen Zeiten ziemlich hektisch! Mich interessierten Musik und Musikgeschichte schon immer sehr, weshalb ich mich dazu entschied, gleichzeitig Klavier (Orgel im Nebenfach) an der Musikhochschule Winterthur und Musikwissenschaft an der Universität Zürich zu studieren. Während einigen Semestern war es schon hart, alles unter einen Hut zu bringen. Ich lernte aber dabei, effizient zu arbeiten, worüber ich heute sehr froh bin.Später studierte ich Klavier bei Gérard Wyss in Basel weiter. In dieser Zeit wurde mein Interesse für Alte Musik und für das Cembalo immer stärker. Spontan meldete ich mich zu einem Meisterkurs beim holländischen Cembalisten Bob van Asperen an, ohne je Unterricht auf dem Instrument gehabt zu haben. Ich war furchtbar nervös vor dem Kurs, merkte aber schliesslich, dass mir dieses Instrument fast noch besser liegt als das Klavier. Darauf wechselte ich ans Mozarteum in Salzburg und später nach Köln, um mich ausführlich dem wunderbaren Instrument zu widmen. Seit dieser Zeit bin ich mit einem Bein bereits im Berufsleben: in der Musikhochschule, als Gast bei verschiedenen Orchestern und Kammermusikformationen, als Musikwissenschafter und als Organist in Mitlödi.gl24: Was ist Dein eigentliches Berufsziel?M.Z.: Ich setze mir absichtlich kein konkretes Berufsziel. Für einen Musiker kann es heikel sein, sich zu konkrete Ziele zu setzen. Deshalb achte ich vor allem darauf, dass ich mir viele Türen in allerlei Richtungen offen halte. Ich denke, dass ich mittelfristig keine 100%-Anstellung anstreben möchte. Ich möchte in meinen Engagements und Plänen vielseitig und flexibel sein, sehe mich aber neben der musikwissenschaftlichen Forschung vor allen Dingen als ausübender Musiker. Es macht mir grosse Freude, mit anderen Leuten zusammen zu musizieren! Diese Abwechslung gefällt mir ausserordentlich. Freilich habe ich auch andere Ziele als nur Berufsziele. Es ist mir sehr wichtig, dass man bei allem Streben den Bezug zu grundlegenden Werten es Lebens nicht verliert.gl24: Wieso hast du dich für klassische Musik entschieden?M.Z.: Andere Musikrichtungen hatten und haben zwar immer einen gewissen Stellenwert. Während meiner Kanti-Zeit spielte ich mit Begeisterung in Rock/Pop-Bands mit. Aber irgendwie hat mich die klassische Musik mehr interessiert. Aber auch der historische Aspekt fasziniert mich besonders: Bezüge und Entwicklungen in der Musikgeschichte zu beobachten, die oft nicht so direkt sichtbar sind.gl24: Was hältst du von modernen „klassischen“ Komponisten?M.Z.: Diese bilden nicht unbedingt einen Schwerpunkt in meinem Leben. Vielleicht liegen sie mir einfach nicht so: Ich brauche immer furchtbar viel Zeit, um Neue Musik einzustudieren! Oft finde auch ich die Ideen hinter den Werken nicht umwerfend. Aber gibt mitunter auch fantastische moderne Werke, die ganz sicher unsere Zeit überdauern und sich zu Meilensteinen entwickeln werden. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Was die ungarischen Komponisten György Ligeti (*1923) oder György Kurtàg (*1926) geschaffen haben, ist wirklich ganz toll!gl24: Du organisierst viele Konzerte im Glarnerland. Worauf achtest du dabei?M.Z.: Mir ist es in erster Linie wichtig, dass das Publikum möglichst nach jedem Konzert mit dem Gefühl eines einmaligen Konzerterlebnisses nach Hause gehen kann! Dabei achte ich ganz sorgfältig auf die Programmgestaltung, und die Auswahl der Künstler richte ich nie primär nach meinem Freundschaftskreis, sondern passe ihn am jeweiligen Programm an.Mir ist es auch wichtig, dass keine festgefahrenen «Traditionen» entstehen, sondern dass man bei der Gestaltung frei bleibt und dem Publikum immer wieder etwas anderes, neues bieten kann. Und ich glaube, meine Bemühen tragen langsam Früchte; der Anklang in der Region und über die Region hinaus ist schon beachtlich. Immer wieder freudig überrascht bin ich aber auch, wenn jemand von weit her anreist, oft auch aus dem Ausland, um ein Konzert im Glarnerland zu hören! Das Glarnerland ist sowieso ein guter Nährboden für klassische Musik, es hat ein grosses Angebot und ein fantastisches Publikum!gl24: Was bedeutet für dich das Glarnerland?M.Z.: Es ist meine Heimat. Ich bin zwar oft unterwegs, fühle mich fast überall wohl und könnte auch an ganz anderen Orten leben, sei es etwa in Wien, wo ich ganz oft bin, im Ruhrgebiet oder sonst wo. Aber im Glarnerland bin ich aufgewachsen. Hier liegen meine Wurzeln.gl24: Vielen Dank für das interessante Gespräch und viel Erfolg und einen schönen Aufenthalt in Tschechien.