5 Jahre Anna-Göldi-Museum – 15 Jahre Anna-Göldi-Stiftung

Rückblick des Stiftungsratspräsidenten Dr. Walter Hauser.



5 Jahre Anna Göldi Museum - 15 Jahre Anna Göldi Stiftung (zvg)
5 Jahre Anna Göldi Museum - 15 Jahre Anna Göldi Stiftung (zvg)

Als wir Anna Göldi Stiftung 2007 zum 225-Jahrgedenken gründeten, gab es nicht wenige, die das für einen Gag hielten und der Stiftung ein kurzes Dasein voraussagten. Es kam anderes. Die ohne behördliche und kirchliche Mitwirkung abgehaltene Gedenkfeier vom 13. Juni 2007 wurde zu einem denkwürdigen Grossereignis, zum dem sich in Mollis unweit des Zwickyhauses 300 Personen versammelten. Das Andenken an die 1782 nach einem Hexenprozess hingerichteten Sennwalder Magd wurde unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung gefeiert.

Natürlich gab es in der Geschichte der Anna-Göldi-Stiftung nicht nur Erfolge, Tiefs und Hochs lösten sich ab, aber heute ist sie weitherum geschätzt und anerkannt - vor allem als stolze Betreiberin des neuen Anna Göldi Museums im ehrwürdigen Hänggiturm in Glarus, das genau vor fünf Jahren eingeweiht wurde. Wir feiern 2022 also ein Doppeljubiläum – am 13. Juni 15 Jahre Stiftung, im September 5 Jahre Göldi-Museum im Hänggiturm.

Das Museum ist heute das Aushängeschild der Stiftung: Kaum ein anderes Museum ist in so kurzer Zeit so bekannt geworden und zieht jährlich unzählige Menschen aus der ganzen Schweiz und dem Ausland an. Dabei ist die Botschaft sowohl der Stiftung wie auch des Museums stets die gleiche geblieben. Hochgehalten wir nicht nur das Andenken an die hingerichtete Magd, seit Anfang setzt sich das Museum mit seinen vielfältigen Aktivitäten, Ausstellungen usw. mit aktuellen Menschenrechtsfragen auseinander. Staatliche Willkür, Machtmissbrauch, Diskriminierungen gehören noch heute zum Alltag, und wir werden heute selbst von kriegerischen Ereignissen und krassesten Menschenrechtsverletzungen nicht verschont. Darum ist die Botschaft von Anna Göldi auch heute wieder brandaktuell.

Das ist die eine Seite der Bedeutung des Museums, die andere liegt wohl an der einzigartigen Atmosphäre, welche der Hänggiturm ausstrahlt und zum kulturellen Erlebnis macht. Zwei markante Kapitel der glarnerischen Geschichte sind miteinander eng verbunden, bilden eine
Symbiose. Erinnert wird an die Hochblüte der einheimischen Textilindustrie des 19. Jahrhunderts, zugleich widmet sich das Museum dem letzten Hexenprozess im christlichen Europa, dem berührenden Schicksal von Anna Göldi, das bis heute erfreulicherweise auch Jugendliche und Schulen in ihren Bann zieht.

Der Erfolg wurde der Stiftung nie leicht gemacht, sie musste darum kämpfen. Erstmals machte sie Erfahrung damit durch die von ihr initiierte Rehabilitierung von Anna Göldi, zugleich ein Meilenstein in der Geschichte der Stiftung. Nach monatelangen heftigen Auseinandersetzungen wurde Anna Göldi 2008 durch das Kantonsparlament rehabilitiert, für unschuldig erklärt. Bis heute ist das Thema umstritten und sorgt für Emotionen. Heute jedoch können wir stolz sagen, es sei die erste sog. Hexenrehabilitierung auf demokratischer Grundlage gewesen. Und sie erntete in den nationalen und internationalen Medien fast nur Lob: Die Rehabilitierung – so betont die Stiftung heute - ist auch ein Zeichen für zehntausende andere Menschen, welche dem Hexen- und Teufelswahn geopfert wurden. Zudem steht sie symbolhaft für das Ringen um Recht und Gerechtigkeit in heutiger Zeit.

Dies war auch weit mehr als nur ein formeller Beschluss, ein Stück Papier. Der Geist der Rehabilitierung hat eine Erinnerungskultur hervorgebracht, die heute schweizweit als vorbildlich gilt. Denken wir an das Festspiel «Carnifex» in Mollis 2010 , in der Umgebung des Zwickyhauses, wo damals das kleine Orts- und Anna Göldi-Museum beheimatet war und eine wichtige Vorreiterrolle spielte für das später gegründete Museum im Hänggiturm. Zu erinnern ist auch an das Licht-Mahnmal am Gerichtshaus, das 2014 vom Basler Künstlerpaar Hurter und Urech entworfenund vonaltBundesrätinElisabethKoppeingeweihtwordenwar.InbesterErinnerung sind auch die Verleihungen der Anna Göldi Menschenrechtspreise, die stets grosse öffentliche Aufmerksamkeit erfuhren. Zuletzt die Übergabe des Preises an einstige Verdingkinder oder den sich für abgewiesene Flüchtlinge einsetzenden Verein Valzeina.
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Doch es gab auch bange Situationen zu überstehen. Die notwendige Sanierung des Hochkamins hätte für die Stiftung in einem finanziellen Fiasko enden können. Es ging damals um ihre wirtschaftliche Existenz. Doch die Stiftung hat das Ziel mithilfe von Denkmalschutz und verschiedenen Gönnern das Ziel erreicht und das nötige Geld zusammengebracht. Zu betonen ist: Ohne den unentgeltlichen Einsatz hätte das Projektteam unter Leitung von Stiftungsrats- Vizepräsident Peter Bertschinger die Herausforderung der Sanierung des Kamins - heute mit der AufschriftANNAversehen- nichtbewältigenkönnen.Entscheidendwarenletztlich Sonderanstrengungen auf Basis der Ehrenamtlichkeit.

Das gilt nota bene auch für die umfangreiche wissenschaftliche Forschungstätigkeit der Stiftung, die seit bald 20 Jahren geleistet wird, und ebenfalls grosse Erfolge vorweisen kann. Die Krönung dieser Anstrengungen liegt nicht weit zurück: Die Familie Lehmann in Deutschland, die in jahrelanger Arbeit aus dem zerstreuten Nachlass ihres berühmten Vorfahren ein Konvolut an Büchern und Briefen zusammengetragen hat, ehrte 2020 das langjährige wissenschaftliche Engagement der Anna Göldi Stiftung mit der Schenkung des Stammbuchs des Hexenprozess- Enthüllers. Diese für dje Göldi-Forschung bedeutende Originalquelle verleiht dem Museum zusammen mit weiteren Dokumenten aus dem schriftlichen Nachlass Lehmanns, die 2021 in seinen Besitz übergingen, neues Gewicht auch als Forschungsort. Die jahrelange Forschung wurde bisher wohlgemerkt ehrenamtlich getätigt. Die unzähligen Reisen nach Deutschland, die Fachgespräche mit Experten, die Aufwendungen für die bereits vor 20 Jahren erstellten Transkriptionen der Göldi- Akten u.s.w – dies alles wurde von der Göldi-Stiftung privat und ohne jede öffentliche Unterstützung finanziert.

Heute ist das Anna Göldi Museum nicht nur ein kultureller Leuchtturm, sondern auch ein touristisches Magnet, von dem Kanton, Gemeinde und das örtliche Gewerbe erheblich profitieren. Das ist auch das Verdienst anderer Kultureinrichtungen, wie Freulerpalast, Kunsthaus oder Landesplattenberg, mit denen das Anna Göldi Museum noch enger zusammenarbeiten will. Gerade in einem kleinen Kanton gilt es die Kräfte zu bündeln. «Miteinander und nicht gegeneinander» muss die Devise heissen.

Jubiläen sind auch ein Grund zur kritischen Standortbestimmung. Darum gilt nicht nur zu jubeln und zu frohlocken. Wenn das Göldi Museum seinen Anspruch als professionell geleitetes Unternehmen mit nationaler Ausstrahlung auch in Zukunft gerecht werden will, ist das Museum auf Kanton, Gemeinde und private Gönner dringend angewiesen. Im Alleingang kann das eine gemeinnützige Institution niemals schaffen. Die Göldi Stiftung als heute alleinige Trägerin des

Museums braucht starke Partnerschaften, um langfristig bestehen zu können. Wir haben viel Grund zu feiern, aber auf keinen Fall dürfen wir uns auf den Lorbeeren ausruhen. Für eine gute Sache gilt es weiterzukämpfen. Allen, die sich schon in den zurückliegenden Jahren dafür eingesetzt haben, insbesondere auch dem engagierten Museumsteam möchte ich dafür meinen Respekt zollen und ihnen herzlich danken. Danken möchte ich last but not least auch Frau Dr. Ursula Helg, die das Museum seit Anfang dieses Jahres leitet, für ihren grossen Einsatz und für das tolle Programm, das sie für den Jubiläumsanlass zusammengestellt hat.