Jane Mumford und ihr Reptil Nicole im Kunsthauskeller

Der Keller des Kunsthauses war übervoll mit Erwartungen aller Art, Kulturfreunden in grosser Zahl, Genussbereiten, später applausfreudigen, humorvoll, leidenschaftlich, Mitvollziehenden. Jane Mumford, gestenreich, witzig, frech, sich zuweilen überdeutlich positionierend, alles erwähnend und beurteilend, was zur jeweiligen kurzen Szenerie gehört. Mit «Reptil» – ihrem enorm farbenreichen Soloprogramm – bewegt sie sich geistreich, akzentuierend, bei keinem der vielen Momente innehaltend, durch eine Fülle an Ereignissen, die sie exzellent zu kombinieren weiss.



Jane Mumford, gestenreich, witzig, frech (Bilder: peter meier)
Jane Mumford, gestenreich, witzig, frech (Bilder: peter meier)

Sie fordert ihr Publikum. Sie hat Lacher und Geniesser blitzschnell auf ihrer Seite, sie wirbelt rum, fragt an, reisst mit, überfordert zuweilen mit ihrem riesigen Geschick, ihrer Sturm und Drang-Haltung. Sie ist keck, frech, positioniert sich riesig engagiert, reisst mit, fordert blitzschnelles Mitdenken heraus. Sie überfährt einen zuweilen mit ihren wirbligen Sturzbächen an Erfahrungen, Erwartungen, Erkenntnissen, Vermutungen, Anfragen. In begeisternder Art baut sie einen Kreis von Mitwissern, Erwartungsfreudigen auf. Sie switcht in Windeseile rum. Roter Faden in diesem gedanklichen Reichtum, in dieser weit gespannten Welt ist die Hektik, das blitzschnelle, intelligente Rumkombinieren.

Mit Nicole, der an den Aufführungsort mitgereisten, aber immer unsichtbar bleibenden Schlange, ist eine erste, kurze Überschaubarkeit gewährleistet. Irgendwo scheint sie sich aufzuhalten – zeigt sich aber nicht, auch wenn das gutgelaunte Publikum die Beine hochhebt, der quirligen Akteurin eine bessere Suche erlaubt. Jane Mumford mahnt zur Vorsicht, schliesslich könnte das Reptil zubeissen. In diesem Falle solle man diskret, in Würde sterben. Rumreisen mit einer Schlange sei bürokratisch aufwendig, man soll die Begleiterin als Therapeutin deklarieren, dies Mumfords Ratschlag.

Aber die Schlange bleibt wo sie. Mumford führt, entführt in andere Sphären, neigt sich Himmlischem, göttlichen Botschaften zu, betet an, verkündet empfangene Weisheiten, vermutet innig weiter. Irgendwann steht sie an einer Bar, sinniert über Verschwörungstheoretiker und deren Credos, keck, zutreffend, wertend. Sie zieht – unerwartete – Parallelen zu Startups, zu Hedgefonds, wirbelt in beinahe atemberaubendem Tempo rum.
Irgendwann kommt sie auf die so ordnungsliebenden Schweizer, auf Berge und Natur, Landwirtschaftliches, rumreisende englische Söhne um 1820, um schmachtende, dann auch stürmisches Lieben, Wohlstand, hektisch anmutendes Geflatter der Schweizerfahne, Asylsuchende, Bleiberecht, Gefahr des Zubetonierens, auf eine erste Unterhaltung anlässlich eines Dates, gefiederte Dinosaurier, eierlegendes in einem Grossraumbüro arbeitendes Dinosaurierweibchen zu reden. Sie stellt lustvoll, hoch engagiert, gestenreich, in aktionsreichem Höchsttempo fest. Sie eilt von Geschehnis zu Geschehnis, kombiniert Unerwartetes unglaublich kreativ zusammen, legt einen aktionsstarken, riesig bunten Teppich, ist in jedem der vielen Momente hoch präsent. Es donnert eine riesig breite Gefühlslawine ab Bühne ins Publikum, das geniesst, riesig applaudiert, sich in dem ausgespielten Gemisch an Erkenntnissen, Vermutungen, Fragen, Leben, Geschichtlichem, Überirdischem, Zwischenmenschlichem, Liebe, Geschlechtlichem bereitwillig, erwartungsfreudig, mittragen lässt.

Es ist ein Publikum, das sich zuweilen fragt, wie Mumford ein Ende aller Geschehnisse finden könne. Dies geschieht durch die Ewigkeit, durch kleinste, sich im All befindliche Partikel, die sich aber wieder zu weiten, zu vereinigen mögen – ein Weiterführen logischerweise gestatten.

Die Kulturgesellschaft Glarus ist mit diesem Begegnen in attraktiver, spannender Art in ihre neue Saison gestartet.