Jürg Kienberger und Huldrych Zwingli – Eingerockt und ausgesungen

Mit Anspruchsvollem wurde die Saison der Kulturgesellschaft Glarus in der Aula unserer Kantonsschule eröffnet. Mit einem stillen, meisterlichen und ungemein klugen Spiel drückte Jürg Kienberger so vieles aus, was nicht bloss Zwinglis Zeit betraf, sondern auch ins Heute hinüberreicht. Im Rahmen des Jubiläums «Fünfhundert Jahre Reformation in der Schweiz» hatte sich Jürg Kienberger, Schauspieler, Musiker und Kabarettist, in diesem, seinem Auftragswerk auseinandergesetzt. Er zeichnete Stationen von Zwinglis Leben nach, zog verbindende Linien zur Neuzeit. Es entstand eine Biografie, deren Inhalte das Publikum still werden liess, Betroffenheit durchaus zu wecken vermochte.



Jürg Kienberger und Huldrych Zwingli – Eingerockt und ausgesungen

Zwingli wuchs mit sieben Geschwistern in Wildhaus auf, verbrachte aber seine Jugendzeit beim Götti in Weesen, fiel in der Schule durch zahlreiche, kritisch – kluge Fragen auf, war seinem Alter irgendwie weit voraus. Kienberger führte in die damalige Vielfalt ein. Mit Briefinhalten wurde Notwendiges verdeutlicht. Kienberger stellte die Frage, was denn die Reformation überhaupt möglich gemacht habe. Anno 1491 hatte die Katholische Kirche das Sagen. Hexenverbrennungen, Ablasshandel und anderes dominierten das Weltbild der allmächtigen Kirche. Kolumbus umsegelte die Welt, Ärzte warnten vor grossem Unbekanntem, der Buchdruck wurde erfunden. Überbordend Vieles ereignete sich.

Und inmitten von Weltbewegendem kam es zum Verfassen und Verlesen der Briefe von und nach Weesen. Es waren rührende Inhalte aus einem Alltag, wie er sich mancherorts abspielte. Zwingli als Ministrant, als gewiss auffälliges Kind in der Dorfschule. Ein wissbegieriger Vielfrager sei er gewesen.

Kienberger agierte in wechselnden Rollen, sang, begleitete sich auf dem Hackbrett, feilte an Texten, unterhielt sich mit der Marionette, die so offen, unbequem fragte. Er agierte als Schattenspieler, zeigte auf, was Kinder damals und heute erwarten; nämlich, dass sie wie Fackeln entzündet werden, dass sie nicht fassweise mit Stoff gefüllt sein wollen. Jugendliche sollen begreifen, erfassen. Aus anderen Briefen erfuhr man vom Tod des jüngsten Bruders in Wildhaus, vollzog mit, wie hart und entbehrungsreich die Arbeit der Bauern war.  

Man wurde ins Vorbereiten einer Predigt einbezogen, hörte hin, als über das Äufnen von Schätzen, die Annahme von Geschenken, das Schweinefleisch auf dem Mittagstisch, die Gnade des Schenkens sinniert wurde. Man wohnte dem Singen des Kirchenliedes bei, versank kurz in weinseligen Momenten, erfuhr einiges übers Sammeln kirchlicher Gelder, die Reise von Ministranten mit ihrem autobegeisterten Pfarrer, der auch aus Unfällen heil rauskam.

Zuweilen haderte Zwingli mit Gott. Dem seit 1131 gültigen Zölibat widersetzte er sich, er forderte die priesterliche Ehe und eckte gewaltig an. Kienberger durchforstete Damaliges, bezog Bob Dylans Kompositionen mit ein, musikalisch meisterlich ausgestaltend. Er bewegte sich klug und kenntnisreich zwischen Damaligem und Heutigem, tat das mit sympathischer Ruhe und einem leisen Charme. Und mit dem Schluss wurde aufgezeigt, dass Zwinglis Wirken und Fordern einer Saat gleichkommt, die noch ganz viel Zeit benötigt, bis sie zu spriessen beginnt.