Kann die Schweizer Armee die Bevölkerung im Kriegsfall schützen?

Kein Geringerer als Brigadier Benedikt Roos, Chef Armeeplanung der Schweizer Armee, hielt kürzlich im Konferenzsaal der Hotel Glarnerhof einen Vortrag mit dem Thema «Planungsprozesse und Beschaffungswesen im VBS». Der von der Glarner Offiziersgesellschaft organisierte Informationsanlass stiess schon aufgrund der aktuellen Kriegsereignisse in der Ukraine und dem momentanen politischen Hickhack im Zusammenhang mit Waffenlieferungen an Drittstaaten auf grosses Interesse.



Anlass der Glarner Offiziers Gesellschaft mit Brigadier Benedikt Ross (Bilder: hasp)
Anlass der Glarner Offiziers Gesellschaft mit Brigadier Benedikt Ross (Bilder: hasp)

Im Zentrum des hochinteressanten Referats von Brigadier Benedikt Roos standen Themen wie die Lang- und mittelfristige Streitkräfteplanung, die Rüstungsplanung sowie die Koordination und Sicherstellung bei der Beschaffung von Waffen und Munition.

Brigadier Roos führt den Bereich Armeeplanung im Armeestab. Er ist direkt dem Chef Armeestab unterstellt und amtet ebenfalls als dessen Stellvertreter. Der Chef Armeeplanung ist verantwortlich für die lang- und mittelfristige Streitkräfteplanung, die Koordination der materiellen Sicherstellung der Armee, die Rüstungsplanung sowie für die Zentralstelle des historischen Armeematerials. Nach einer rege genutzten Diskussion und Fragestellung der Teilnehmer konnte ich Brigadier Roos einige Fragen zu aktuellen Situation stellen.

Herr Brigadier Roos: Sie sind als Chef Armeeplanung verantwortlich für die lang- und mittelfristige Streitkräfteplanung, die Rüstungsplanung und die Koordination der materiellen Sicherstellung der Armee. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen zu einem Zeitpunkt, wo auf europäischem Boden in der Ukraine ein brutaler Krieg stattfindet, und hoffentlich nicht zu einem Flächenbrand ausweitet, ein paar Fragen zur Sicherheit und den Schutz der Schweizer Bevölkerung stellen. Themen, welche die Schweizer Bevölkerung sicher brennend interessieren. Meine erste Frage: Ist der Schutz der Schweizer Bevölkerung durch die Armee bei einem Angriff fremder Mächte zum heutigen Zeitpunkt gesichert?

Hier müssen wir ehrlich sein: Wenn das ein Krieg ist, so wie wir ihn jetzt in der Ukraine erleben, sind wir noch nicht so weit. Wir starten jetzt mit Massnahmen, dass wir wieder die notwendige Verteidigungsfähigkeit erreichen. Das wird sich über die nächsten Jahre entwickeln. Wenn wir mehr Geld erhalten, können wir dies logischerweise schneller realisieren. Unser ganz klares Ziel ist, dass Ende der 30er-Jahre die notwendige Verteidigungsfähigkeit wieder erlangt haben.

Wo sehen Sie allenfalls einen Nachholbedarf?

Kurzfristig sehen wir jetzt, dass wir in der 3. Dimension relativ gut aufgestellt sind. Wir erkennen, dass wir am «Boden» etwas machen müssen. Wir haben immer noch Verbände, die noch zu wenig im System integriert sind. Diese Lücken müssen wir schliessen. Aber hier stellt sich gleichzeitig die Frage, was die Industrie kurzfristig überhaupt liefern kann.

Wie stark ist die Schweizer Armee?

Aktuell haben wir einen aktuellen Soll-Bestand von 100 000 Armeeangehörigen – das ist eine grosse Armee. Wir haben noch nicht alle Ausrüstungsgegenstände. Als Milizarmee profitieren wir, dass wir gut geschulte Leute in unseren Reihen haben. Wir haben eine gute Armee. Das zeigt sich in der Tatsache, dass sich andere Armeen für unser System interessieren. Ich möchte aber nicht wie alt Bundesrat Ueli Maurer sagen, wir hätten die beste Armee, aber wir haben wirklich eine sehr gute Armee!

Ist die Schweizer Armee mit Stand von heute genügend ausgerüstet oder sollte dringend nachgerüstet werden?

Wenn wir von der Verteidigungsfähigkeit reden, haben wir definitiv zu wenig Waffen und Munition. Da müssen wir in verschiedenen Bereichen unbedingt noch nachrüsten. Aber auch bei der Durchhaltefähigkeit müssen wir die Bestände unserer Lager und Munition erhöhen. Hier besteht Nachholbedarf, beispielsweise Bereich Logistik.

Welche Waffen würden Sie sich nach den Erkenntnissen des Ukraine-Kriegs wünschen?

Wir brauchen Indirektes Feuer auf grössere Distanzen, Panzerabwehr-Lenkwaffen, und ganz wichtig ist, dass wir schnell sind beim Erkennen von einer Situation bis hin zur Wirkung. Dazu brauchen wir Instrumente, bei welchen wir die Wirksysteme, die ich auch beim Referat erwähnt habe, vernetzen können mit anderen Beobachtungs- und Lageverfolgungssystemen.

Wir danken dem Chef der Armeeplanung, Brigadier Benedikt Roos, ganz herzlich für das gewährte Interview und für die transparente und offene Beantwortung aller Fragen.