Kanton übernimmt Verantwortung für Langzeitpflege von den Gemeinden

Die Langzeitpflege wird neu geregelt. Der Regierungsrat verabschiedet das neue Pflege- und Betreuungsgesetz zuhanden des Landrates und der Landsgemeinde.



Medienmitteilung von der Regierungsratssiitzung vom 23. Oktober (Bild: zvg)
Medienmitteilung von der Regierungsratssiitzung vom 23. Oktober (Bild: zvg)

Der Regierungsrat des Kantons Glarus verabschiedet das neue Pflege- und Betreuungsgesetz (PBG) zuhanden von Landrat und Landsgemeinde. Es schafft die Grundlagen für eine bedarfsgerechte, qualitativ gute und wirtschaftliche spitalexterne Pflege und Betreuung. Das Gesetz regelt die Langzeitpflege und die dabei erforderliche Betreuung. Die Zuständigkeit wechselt von den Gemeinden zum Kanton. 

Menschen werden immer älter

Die Sicherstellung der Pflege und Betreuung der stark alternden Bevölkerung stellt den Kanton und die Gemeinden vor grosse Herausforderungen. Bis 2030 wird eine Zunahme der Zahl der pflegebedürftigen Personen um über 50 Prozent erwartet. Schon heute besteht aber ein Mangel an Fachpersonal, der noch massiv zunehmen wird. Die Ausgaben für die Langzeitpflege werden sich gemäss einer Studie der Universität St. Gallen bis 2050 gegenüber 2016 verdoppeln. Der Anteil der öffentlichen Hand daran wird sich laut einer Bestandesaufnahme des Bundes bis 2045 gar verdreifachen. 

Grosser Handlungsbedarf

Trotz steigendem Anteil der älteren und pflegebedürftigen Bevölkerung kämpfen die Alters- und Pflegeheime mit rückläufigen Belegungszahlen. Die älteren Personen wollen solange wie möglich selbstständig bleiben und zu Hause gepflegt und betreut werden. Der zunehmende Leerbettenbestand bringt die Alters- und Pflegeheime in wirtschaftliche und finanzielle Probleme, die Ausgaben der Gemeinden für die Restfinanzierung steigen.

«Ambulant vor stationär» heisst die aktuelle Losung. Der Trend in der Schweiz geht ganz klar in Richtung Stärkung der ambulanten Angebote. Der Kanton Glarus hinkt dieser Entwicklung stark hinterher. Es braucht einen Paradigmenwechsel: Die ambulante Pflege und Betreuung ist massiv zu stärken. Diese ist nicht nur bedürfnisgerechter, sondern bei Personen mit geringem Pflegebedarf auch günstiger als die stationäre Versorgung. Zudem ist es vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der vorhersehbaren Finanzierungslücke zwingend, dass die Bezugspersonen und Freiwilligen als wichtige Bestandteile der Versorgungskette anerkannt und gefördert werden.

Durch die steigende Lebenserwartung und die daraus resultierende veränderte Pflegebedürftigkeit hat die Langzeitpflege eine immer wichtigere Bedeutung.

Weichen gestellt

Bereits 2015 haben Kanton und Gemeinden reagiert und zusammen mit Fachpersonen, Leistungserbringern und Gesundheitsorganisationen das Konzept «Stärkung der Langzeitpflege» erarbeitet. Darin sind neun Massnahmen beschrieben, wie eine integrierte Versorgung, die Förderung der Aus- und Weiterbildung, die Bereinigung der kantonalen Strukturen, oder die Klärung der Rahmenbedingungen in einem kantonalen Pflege- und Betreuungsgesetz. Einzelne Massnahmen, wie die Schaffung einer Koordinationsstelle für das Gesundheitswesen, wurden bereits umgesetzt. 

PBG – ein neues Gesetz

Das nun vorliegende PBG schafft die Grundlage für eine umfassende kantonale Versorgungsplanung und einen einheitlichen Qualitätsstandard im ganzen Kanton. Die Planung soll dabei nicht nur wie bisher die stationäre (Pflegeheimliste), sondern neu auch die ambulante und intermediäre Versorgung und damit die gesamte Versorgungskette umfassen. Zudem soll die Verantwortung für die Sicherstellung und Finanzierung der Pflege und Betreuung von den Gemeinden auf den Kanton übergehen. Die Gemeinden sind sowohl bei der Versorgungsplanung wie auch bei der Definition des Qualitätsstandards zur Mitsprache berechtigt. Sie bleiben zudem Eigentümer der öffentlich-rechtlichen Alters- und Pflegeheime und können beeinflussen, an welchem Standort welche Leistungen angeboten werden.

Das PBG regelt auch das Angebot und die Finanzierung von zunehmend gefragten, neuen Dienstleistungen, wie Tages- und Nachtangebote oder betreutes Wohnen. Diese intermediären Strukturen schaffen eine Grundlage, um die Einrichtungen zur Aus- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen verpflichten zu können. 

Das PBG stiess in der Vernehmlassung auf ein sehr grosses Interesse. Insgesamt 43 Behörden und Organisationen reichten eine Stellungnahme ein. Die Stossrichtung des neuen Gesetzes wurde dabei bis auf wenige Ausnahmen unterstützt.

Auch Finanzierung neu geregelt

Mittels einer Anpassung der Kantons- und Gemeindesteuerfüsse sollen die heute bei den Gemeinden anfallenden Pflegekosten von rund 8 bis 9 Millionen Franken zum Kanton verschoben werden. Um eine Erhöhung der Steuerbelastung für die Bevölkerung aufgrund des Wechsels der Finanzierungszuständigkeiten zu verhindern, werden die Steuerfüsse des Kantons und der politischen Gemeinden für das Jahr 2022 gesamthaft auf dem Niveau des Vorjahres begrenzt. Dieses Vorgehen mit einer Fixierung der Gesamtsteuerbelastung sowie einer Neuverteilung der Steuerprozente unter den beiden Staatswesen Kanton und Gemeinden wurde bereits in der Vergangenheit erfolgreich angewandt. Daneben werden sich Mehrausgaben von rund 1,5 bis 2 Millionen Franken pro Jahr für den Kanton ergeben, mit denen aber letztlich das Ziel ist, die ohnehin erwartete, massive Kostensteigerung zu dämpfen.

Die Kosten der Langzeitpflege im Kanton Glarus belaufen sich heute auf rund 55 Millionen Franken. Der von Fachgremien geschätzte Anstieg auf über 100 Millionen Franken bis ins Jahr 2050 bedingt, dass agiert und nicht reagiert wird. Die Strategie mit einer Stärkung der günstigen und bedarfsgerechten ambulanten Lösungen sowie einer Verzögerung der teuren stationären Lösungen soll jetzt umgesetzt werden. Denn der grosse Teil der Bevölkerung möchte in den eigenen vier Wänden alt werden. Die Versorgungs- und Unterstützungsstrukturen sind darauf auszurichten.