(K)ein stilles Örtchen

Am Donnerstag referierte der Zürcher Historiker Martin Illi im Museum des Landes Glarus über Geschichte und Geschichten rund um das Thema Hygiene – nicht nur im Freulerpalast.



(Bild: zvg)
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«Machen Sie es sich bequem», forderte Kuratorin Susanne Grieder die Besucherinnen und Besucher des Vortrages im Rittersaal des Freulerpalastes auf. Denn das Thema der Museumsjahrs 2017 laute: «Vom Sitzen – historische Stühle aus der Sammlung des Museums», erklärte sie. Bei ihren Rundgängen im Museum und im Depot sei sie auf spannende Sitzgelegenheiten gestossen, bequeme Sessel, Prunkstühle und ganz ausgefallene Möbel, sogenannte Nacht- oder Leibstühle. Diese dienten im 19. Jahrhundert als Toiletten. Weil sie mehr über hygienische Verhältnisse im Palast erfahren wollte, hat sie Martin Illi nach Näfels eingeladen. Er ist Spezialist für ein Thema, über das viele nur die Nase rümpfen: Sanitäre Anlagen und Hygiene. Der Zürcher Historiker hat die Abwasserbewirtschaftung der Stadt Zürich erforscht und ein Buch darüber geschrieben. In seinem Vortrag nahm er das Publikum auf eine spannende Zeitreise von der Antike bis in die Moderne mit. Der Freulerpalast, so stellte sich heraus, ist hygienetechnisch gesehen sowohl eine Burg als auch ein Schloss. Im Mittelalter, so der Referent, liessen viele Burgherren gleich neben prunkvoll ausgestatteten Festsälen auch einen Abtritt bauen: «Für alle sichtbar», betonte Illi. An vielen Burgen sind diese Abtritt-Erker noch gut zu erkennen. Im Freulerpalast ist der erste Abtritt nicht weit entfernt vom Festsaal eingebaut worden, die Abtritt-Nische ist im Gebäude noch sichtbar. Schon eher französisch inspiriert sind die Nachtstühle im Palast. Solche Stühle sind aus französischen Schlössern bekannt – wo sie allerdings nicht zur Standardeinrichtung gehörten. Illi zitierte aus einem Brief der Liselotte von der Pfalz, Herzogin von Orléans und Schwägerin des Sonnenkönigs Ludwig XIV, in dem sie sich 1694 in höchst unverblümter Sprache über die hygienischen Verhältnisse im Schloss Fontainebleau auslässt. In vielen Schlössern sassen die Bewohner – nicht selten in trauter Runde – auf sgenannten Leibstühlen. Dabei handelt es sich um Möbel, die aussahen wie Nachttische. Sie konnten aufgeklappt und zu Sitz-Klos umfunktioniert werden.

Illi erzählte auch von moderneren Verhältnissen, so zeigte er, wie die Schiefertafelfabrik in Engi in den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts Schiefer als geeignetes Material für Pissoirs vermarktete – und wie die Fabrik von einem gewieften Zürcher Unternehmer aber technisch überrundet wurde. Der Vortrag, gespickt mit witzigen Geschichten und Anekdoten, führte zu einer lebhaften Diskussion. So ergänzte ein Zuhörer, dass im Kanton Glarus viele Leute erst einmal kein Wasserklosett bauten, weil Fäkalien kostbar waren: Sie konnten als Dünger auf die Felder gebracht werden.