Keine «Hypotheken»

Landratspräsident Hans-Jörg Marti aus Nidfurn eröffnete die letzte Landratssitzung der Legislatur 2018–2022 und auch seine letzte als Landratspräsident und höchster Glarner. Er gab sein Wunschziel bekannt, nämlich alle für heute traktandierten Geschäfte zu behandeln: Der neue Landrat, wie er nach den Wahlen Ende Juni zusammentreten wird, soll ohne «Hypotheken» aus der Traktandenliste beginnen können.



Keine «Hypotheken»

Die heute anwesenden 53 Landrätinnen und Landräte (88% Beteiligung) nahmen sich dieses Ziel zu Herzen, wie sich am Ende herausstellen sollte.

Entschädigung für übergrosse Vorbereitungsaufwände

Das erste Geschäft, das zu reden gab, war die Änderung der Verordnung über die Entlöhnung der Behördenmitglieder sowie des Staats- und Lehrpersonals. Die landrätliche Kommission Recht, Sicherheit und Justiz hatte sich eingehend mit der Thematik beschäftigt. Obergerichtspräsidentin Petra Hauser, die heute auch im Saal zu Gast war, hatte der Kommission in der Vorberatung des Geschäftes sehr kompetent zur Seite gestanden und die nötigen Informationen gegeben. Dafür dankte ihr der Kommissionspräsident.
Vor allem im Bereich der Gerichte kommt es zu grossen Aufwänden in der Vorbereitung von Sitzungen und Verhandlungen. Die ausgezahlten Entschädigungen sollen in Zukunft besser dem entsprechen, was tatsächlich geleistet wird.
Peter Rothlin, Oberurnen, gab zu bedenken, dass in der nun vorliegenden Verordnung weder eine Obergrenze der möglichen Entschädigung, noch deren Zweckbindung gegeben sei. Es falle zudem auf, dass diese Entschädigungen meistens bei der Gerichtsarbeit anfielen, jedoch kaum in anderen Bereichen. Es sei also allen- falls eine Ungleichbehandlung vorhanden. Peter Rothlin verlangte, eine obere Grenze von vier zusätzlichen Sitzungsgeldern (à 200 Franken) für grossen Vorbereitungsaufwand festzulegen.
Mathias Zopfi, Engi, Vizepräsident der Kommission, ging auf die Vermutung der Ungleichbehandlung ein: In den Gerichten sei der Anteil des Aktenstudiums sehr viel grösser als in anderen Berufsgattungen. Er verteidigt die neue Regelung. Eine fixe Obergrenze und Zweckbindung würde die Flexibilität der Gerichte einschränken. Es sei eine Sache des Vertrauens in unsere Gerichte, dass sie die Möglichkeit erhalten, in Einzelfällen nötig werdende, sehr hohe Aufwände auch zu entschädigen.
Abstimmung: In der Schlussabstimmung zur Verordnung wurde dem Antrag der Kommission mit 36 Stimmen der Vorzug gegenüber dem Antrag Rothlin (9 Stimmen) gegeben.

Ist alles Gold, was glänzt?

Der Vorsitzende der Finanzaufsichtskommission, Samuel Zingg aus Mollis, präsentierte ein sehr gutes Ergebnis der Jahresrechnung 2021. Budgetiert war ein Verlust von 11,2 Mio. Franken worden, am Schluss schaute ein Gewinn von 3,6 Mio. Franken heraus. Anders gesagt, das Budget wurde um 14,8 Mio. Franken übertroffen. Dass hinter dieser Zahl keine bösen Überraschungen lauern, zeige sich darin, dass 11 Mio. Franken an Abschreibungen darin enthalten sind, was eine gute Nachricht für die kommenden Jahresrechnungen ist. Auch seien die hohen Kosten für die Pandemiebewältigung berücksichtigt worden.
Dass man sich von dieser glänzenden Zahl zuunterst auf der Jahresrechnung nicht blenden lassen solle, gab der Kommissionspräsident aber auch zu bedenken. 2021 betrug  die Gewinnausschüttung der Schweizerischen Nationalbank an den Kanton Glarus sagenhafte 18,9 Mio. Franken (im Vergleich zu den durchschnittlich üblichen 6,5 Mio. Franken). Dieses Geld war hochwillkommen, doch könne in den kommenden Jahren nicht erneut mit solchen Beträgen gerechnet werden.
Ebenfalls eine Trübung des Glanzes verortete Markus Schnyder, Netstal, bei der Tatsache, dass der Personalaufwand des Kantons im letzten Jahr um satte 3,3 Mio. Franken gestiegen sei. Für ihn ist diese Zahl als eine Alarmglocke zu sehen.
Ebenfalls vorsichtige Töne schlug Andreas Luchsinger aus Riedern an: zwar sei der Steuerertrag besser ausgefallen, als erwartet. Für 2022 könne dies jedoch nicht erwartet werden.
Karl Stadler, Schwändi, verteidigte die höheren Personalausgaben mit dem Argument, es sei richtig gewesen, die Pandemie mit angemessenen Mitteln zu bekämpfen. Zudem sei der Kanton ein Gemeinwesen, das viele Aufgaben zu erledigen habe und keine Firma, die einzelne Budgetposten viel gezielter optimieren könne.
Die Diskussion wurde von Benjamin Mühlemann, Landesstatthalter und Finanzdirektor, mit einem Ausblick abgeschlossen: Wir haben es gut gemacht und auch etwas «Schwein» gehabt. Wir dürfen uns aber nicht im Glanz des Ergebnisses 2021 sonnen, stattdessen ist Fingerspitzengefühl gefragt bei kommenden Ausgaben.
Die Jahresrechnung 2021 wurde vom Landrat genehmigt, die Kreditüberschreitungen zur Kenntnis genommen und dem Regierungsrat Entlastung erteilt.

Der kürzeste Auftritt des Tages

Für das Traktandum «Geschäfts-bericht 2021 der glarnerSach» wurde der Verwaltungsratspräsident Martin Leutenegger in den Saal gebeten, um bei Fragen aus dem Rat Red und Antwort stehen zu können. Er hatte sich kaum gesetzt, schon war das Traktandum ohne Wortmeldung verabschiedet. Begleitet von freundlichem Lachen verliess Herr Leutenegger den Saal keine Minute nach dessen Betreten wieder.

Sachlichkeit ohne Emotionen – beim Wolf nicht möglich

Am meisten Diskussionsbedarf erzeugte heute der Antrag für den Verpflichtungskredit über 734200 Franken für ein Pilotprojekt zum Schutz von gesömmerten Schafen und Ziegen vor dem Wolf in den Jahren 2022–2025.Priska Müller Wahl aus Niederurnen, Präsidentin der landrätlichen Kommission Bildung/Kultur und Volkswirtschaft/Inneres, legte die Besonderheiten dieses Geschäftes dar. Das Ziel ist, in einem vierjährigen kantonalen Pilotprojekt zu ermitteln: welche Schutzmassnahmen sind durchführ- und zumutbar?  Das Geschäft wurde unter grossem Zeitdruck behandelt.

Die Dringlichkeit dieser Vorlage ist hoch und wurde damit erklärt, dass die Alpbewirtschafter schon vor der Alpsaison wissen wollten, ob die zu ergreifenden Herdenschutzmassnahmen durch den Kanton mitfinanziert würden. So weit so sachlich. Kaspar Krieg, Niederurnen, beantragte Annahme des Verpflichtungskredites. Die sachliche Komponente: «Wir brauchen diese Massnahmen, um so rasch als möglich Sicherheit und Schutz zu geben.» Aber er betonte auch die emotionale Seite, die für ihn in dieser Sache wichtiger sei als die sachliche: «Die Wolfsproblematik ist ein gesellschaftliches und ein Luxusproblem, das wir uns leisten. Der Wolf wird irgendwann auch Menschen angreifen, davon bin ich überzeugt.»
Zudem sieht Landrat Krieg den Wolf als ein Bundesproblem, deshalb müssten hier die Bundesparlamentarier und der Regierungsrat in Bern Druck machen zugunsten des Kantons.
Hans Jenny, Ennenda, hält die Vorlage wegen des grossen Zeitdrucks und der zu vielen offenen Fragen für eine Feuerwehrübung, die nicht zum Erfolg führen werde. Er beantragte deshalb, nur die erste Tranche von 148.800 Franken für 2022 zu bewilligen, danach solle der Regierungsrat eine Erfolgsrechnung vorlegen.
Franz Freuler, Glarus, gab auf dieses Votum hin zu, dass er sehr emotionsgeladen sei. Es seien Ängste da und wenn wir die Schafhalter jetzt nicht unterstützen würden, liessen wir sie im Regen stehen.
Christian Büttiker nahm seitens der SP die geäusserten Ängste der Landwirte sehr ernst. Ohne die Massnahmen, die aus der vierjährigen Pilotphase kommen werden, könne in Zukunft auch keine Regulierung des Wolfes vorgenommen werden. Deshalb sei dieses Projekt vorbehaltlos zu unterstützen.
Zum Schluss betonte Frau Landammann Marianne Lienhard, wie wichtig die Schafhaltung für unseren Kanton ist. Ihre Ziele sind, die hohe Auslastung der Schafalpen zu erhalten (95% der zugelassenen Bestossung). Nicht zuletzt würden die Schafe eine wichtige Funktion bei der Pflege der Alpen übernehmen, indem sie die Verbuschung verhindern. Das andere grosse Ziel, das Frau Landammann Marianne Lienhard nannte: die Koexistenz mit dem Wolf: dazu muss der Kanton weiterhin mit dem Bundesamt für Umweltschutz zusammenarbeiten und die Schutzmassnahmen weiterentwickeln. «Wenn wir uns einem guten Herdenschutz verweigern, werden wir auch nicht mit der Unterstützung durch den Bund rechnen können. Senden wir ein klares Zeichen an die Landwirtschaft, dass wir sie vorbehaltlos unterstützen.»
Der Antrag der Kommission wurde schliesslich mit 35 Stimmen zugunsten des vierjährigen Pilotprojektes gegenüber der nur einjährigen Phase (14 Stimmen) gutgeheissen.
Mit 49 zu 0 Stimmen wurde zudem beschlossen: der Regierungsrat muss einen Bericht nach Abschluss der Pilotphase vorlegen.

Schutz vor Klimaschäden – aber wie?

Die Schaffung einer Fachstelle Klimaschutz im Kanton war das Ziel der Motion von Karl Stadler. Es sei im Rat unbestritten, dass Massnahmen gegen die Klimaschädigungen er- griffen werden müssen. Jedoch stünden aktuell nur 10 Stellenprozente für die fachliche Betreuung dieser vielfältigen Aufgaben zur Verfügung.

Sabine Steinmann ist der Meinung, dass eine Koordination der steigenden Arbeitsmenge im Klimaschutz benötigt wird.
Hans-Heinrich Wichser aus Braunwald ist «immer skeptisch bei der Schaffung von neuen Stellen» und ist der Meinung, dass die bisherige Praxis beibehalten werden soll.Dem setzte Franz Landolt gegenüber, dass die Glarner das Klima und vor allem sich selber schützen müssten. «Schützen wir uns nicht nur vor dem Wolf, wie vorhin beschlossen, sondern auch vor den Klimaschäden. Je schneller wir handeln, desto kleiner werden am Ende die Gesamtkosten sein.»
Regierungsrat Kaspar Becker wendet ein, dass es in der Kompetenz des Regierungsrates liege, dies zu tun. Die nötigen Stellenprozente müssten über den Budgetprozess gehen. Dort wird definiert werden, welche Aufgaben der Klimaschutz übernehmen muss. Es ist klar, dass die aktuellen 10 Stellenprozente nicht ausreichen. Die Motion Stadler wurde mit 31 zu 19 Stimmen abgelehnt.

Postulat Die Mitte-/GLP-Fraktion «Tourismusstrategie für den Kanton Glarus»

Martin Landolt, Näfels, erläuterte, dass sich sehr viele sehr kompetente Menschen für den Tourismus in unserem Kanton einsetzen. Diese sollen wir vorbehaltlos unterstützen in Form einer guten Strategie.
Marius Grossenbacher betont, dass die gesamtheitliche Betrachtung des Tourismus sehr wichtig ist. Dazu gehört auch, dass wir uns für einen Tourismus entscheiden, der Glarus als attraktiven Wohnkanton mit guten Naherholungsmöglichkeiten erhält. «Was wir keinesfalls wollen, ist ein Tourismus à la Andermatt oder Zermatt.»

Interpellation Grüne-Fraktion «Besetzung Fachstellenleitung Denkmalpflege und Ortsbildschutz»

Priska Müller Wahl: «Es ging bei der Interpellation um den sorgfältigen Umgang mit unseren Baudenkmälern und unserer Baukultur.» Sie moniert, dass trotz grosser Zunahme der Baugesuche unverändert wenig Stellenprozente zur Verfügung stehen.

Interpellation SVP-Fraktion «Lebensmittelkontrolle»

Mathias Schnyder betont, dass es bei der Vorgehensweise der Lebensmittelkontrolle an der nötigen Sensibilität mangle. Das führe dazu, dass immer wieder engagierte Geschäftsleute frustriert werden.

Interpellation Martin Landolt, Näfels, und Mitunterzeichner «Gewässerräume»

Martin Landolt betont, dass die Handlungsspielräume, die der Regierungsrat hat, wenn möglich zugunsten der betroffenen Landwirte genutzt werden sollen.
Hans-Heinrich Wichser ist nicht damit einverstanden, dass es nur wenige Härtefälle gebe, wie in der Antwort des Regierungsrates angetönt wird.
Die Verluste der Nutzungsfläche durch die geplant Ausscheidung der Gewässerräume entspreche z.B. einer Minderproduktion von 87 Tonnen Käse (so das Rechnungsbeispiel).

Verabschiedungen

Nach Abschluss aller Traktanden verabschiedete der Landratspräsident Landrätin Vreni Reithebuch. Sie sei ihm immer als «stille Schafferin» aufgefallen. Landrat Karl Stadler habe ihm immer durch seine grosse Sachkenntnis beeindruckt. Beide stellen sich nicht mehr zur Wiederwahl. Ein grosser Applaus brachte die Dankbarkeit für die viele geleistete Arbeit zum Ausdruck.

Der Abschied des höchsten Glarners

Bereits um 11.00 Uhr konnte der Landratspräsident zu seiner Abschiedsrede ansetzen. Der Übergang vom alten zum neuen Landratssal war ein Highlight seiner Tätigkeit.
Die neuen elektronischen Mittel und der Livestream aus den Ratsdebatten empfindet Hans-Jörg Marti als positiv, weil so die Öffentlichkeit viel besser und direkter miteinbezogen wird.
Ein Zitat Abraham Lincolns, das bereits seine Antrittsrede begleitet hatte, beschloss nun sein Landratspräsidium: «Man kann den Menschen nicht auf Dauer helfen, wenn man für sie tut, was sie selber tun sollen und müssen.»

Ende ohne «Hypothek»

Zum Abschluss der Sitzung um 11.08 Uhr konnte Herr Landratspräsident Hans-Jörg Marti zufrieden fest- stellen, dass dem nächsten Landrat für die kommende Legislatur keine «Hypotheken» hinterlassen werden mussten.

Die nächste Landratssitzung findet am Mittwoch, 29. Juni, stat