Klagemauer eines Kitsch-Verachters

Ein Musikjournalist einer Schweizer Wochenzeitung auf Kriegsfuss mit dem Betroffenheitspop, der, seiner Meinung nach, von Britannien aus unser Land überschwemmt - Unsere Gehörgänge mit jammern und wimmern plagen.

Wehleidiger Kitsch, der Profit aus unsicheren Zeiten zieht.


Er ärgert sich über belanglose Texte; kommerzialisierte „Musenalp-Express“-Prosa.
Allen voran ist ihm James Blunt ein Greuel. Schlichtweg zum Heulen sei sein:“ ich sah dein Gesicht in der Menschenmenge und weiss nicht was tun, nie werde ich mit dir zusammensein.“
Chris Martin von Coldplay: der erfolgreichste Trauerkloss unter all den Möchtegern-Tiefschürfern. Er vermutet schwer, dass Herr Martin über ein geniales Computerprogramm verfügt, das seine 300 Lieblingswörter dauernd zu neuen Songtexten mischt.

Ja, mit diesen Songtexten ist das so eine Sache. Wie war das bei den Beatles? Liebe, Liebe, Liebe, Liebe, Liebe ist alles was du brauchst. Sogar Bob Dylan, der berühmt für seine Texte ist, war sich nicht zu schade einfache Lyrics zu verfassen.
Unzählige Beispiele in der Geschichte erfolgreicher Musiker, die ganze Generationen in einen Zustand kollektiver Verzückung versetzen konnten, fallen durch ähnlich belanglose (oder einfache?) Texte auf.
Die schönsten Lovesongs, die uns mitnehmen in die Unendlichkeit des Weltalls, uns träumen lassen, wenn es auch nur für einen Moment ist, sind meist jene, die mit einfachen Worten das ausdrücken, wonach wir alle suchen.
Was ist den so schlimm daran, wenn wir diese Musik lieben? Wenn wir uns mit Hilfe dieser Songs für ein paar Minuten ausklinken, raus aus der Wirklichkeit.
Müssen wir uns jetzt schämen dafür? Sind wir zu wenig anspruchsvoll?
Was macht den einen guten Song aus? Für mich als Laie ist das die Musik, der Text und die Stimme.
Musik höre ich mit all meinen Sinnen. Ich urteile mit meinem Gefühl. Musik ist da, um sie zu lieben und sich gut dabei zu fühlen.
Und manchmal habe ich auch einen Hang zur Melancholie. In diesen Zeiten höre ich traurige Musik, weil sei mir gut tut. Ich kann mich dann richtig hineinfallen lassen, treiben lassen. In gewissen Momenten kann der Text aber auch ziemlich unwichtig sein. Eine aggressive Gitarre ist zwischendurch genau das richtige.
Vielleicht ist das ja auch eine Art von Psycho-Therapie. Zudem eine sehr kostengünstige Variante.
Am nächsten Tag hab ich dann vielleicht wieder Lust auf Lucio Dalla, einer der genialeren Songschreiber unserer Zeit. Ein Geschichtenerzähler, der uns zwingt mitzudenken.
Oder U2, die mit manchen ihrer Texte versuchen Dinge, die in unserer Welt schief laufen, zu einem Besseren zu führen.

Mit der Musik ist es wie mit dem Wein, ob es ein teurer oder ein günstiger ist, ein schwerer oder ein leichter Tropfen, das ist nicht so wichtig. Man muss auch nicht wirklich etwas davon verstehen. Wichtig ist, das wir im richtigen Moment den trinken oder eben das hören, auf den/das wir Lust haben.

Darum lieber Herr Musikjournalist verurteilen sie uns nicht für unseren Geschmack.
Aber so nebenbei: Geschrieben war der Artikel herrlich, ich habe noch lange darüber gelacht. Und das jene Musik, die gerade erfolgreich ist, unsere Gesellschaft widerspiegelt, damit haben Sie voll ins Schwarze getroffen. Was sicher ein Trost für Sie ist, da sich die Welt, und somit auch die Menschheit, ja dauernd verändert. Auch für Sie werden, musikalisch gesehen, wieder besser Zeiten kommen.