«Klein-Sein darf keine Ausrede sein»

Heute wurde Regula N. Keller zur neuen Landratspräsidentin gewählt. Worauf sie sich am meisten freut und wie sie überhaupt zur Politik gekommen ist, verrät sie uns in einem Interview.



«Klein-Sein darf keine Ausrede sein»

gl24: Nach fünf Jahren im Landratsbüro ist nun der Zeitpunkt gekommen, dass Sie die Leitung des Gremiums übernehmen können. Mit welchen Gefühlen und Erwartungen gehen Sie in Ihr Jahr als Landratspräsidentin?

Regula N. Keller: Mit Lust, Vorfreude und Respekt. Ich fühle mich gut vorbereitet, habe ich doch eine fünfjährige «Lehre» im Büro absolviert (vier Jahre als Stimmenzählerin, ein Jahr als Vizepräsidentin). Und ich fühle mich auch sehr geehrt, dieses Amt ein Jahr lang ausüben zu dürfen.

gl24: Worauf freuen Sie sich besonders? Wovor haben Sie am meisten Respekt?

Regula N. Keller: Ich freue mich darauf, als Sitzungsleiterin meinen Beitrag zu leisten, dass der Landrat der Glarner Stimmbevölkerung an der Landsgemeinde gut vorbereitete Geschäfte und gut beratene Anträge vorstellen kann. Dabei hoffe ich, dass wir die Geschäfte gut aufs Jahr verteilen können und nicht am Schluss in Zeitnot wichtige Geschäfte durchbesprechen müssen. Und ich freue mich auch darauf, den Landrat bei diversen Anlässen repräsentieren zu dürfen – dabei spannenden Menschen zu begegnen und für mich neue Aspekte des Kantons Glarus kennenzulernen. So steht bspw. eine Muni-Taufe fürs ESAF an!

gl24: Worauf wollen Sie sich in Ihrer Amtszeit konzentrieren?

Regula N. Keller: Meine Aufgaben als Präsidentin sind klar definiert – und ich werde mich bemühen, dieses Amt gemäss diesen Regeln sorgfältig und mit Gelassenheit auszuüben. Eine Sitzungsleitung mit klaren Ansagen, im «richtigen Tempo», mit passender Wortwahl.

gl24: Als Lehrerin haben Sie ja bereits Erfahrung mit der Leitung von heterogenen Gruppen. Sehen Sie hier gewisse Parallelen?

Regula N. Keller: In der Landratsverordnung ist als eine meiner Pflichten aufgeführt: «Handhabung von Disziplin und Ordnung im Ratssaal». Darin habe ich tatsächlich von der Schule her Erfahrung. Allerdings mache ich mir diesbezüglich im Glarner Landrat wenig Sorgen: Ich nahm und nehme den Rat als diszipliniert und respektvoll wahr.

Und ja – wie in der Schule gibt es auch im Landrat die langatmigen Redner/-innen, die kurzangebundenen, die verständlichen, die widersprüchlichen, die emotionalen – und die, die sich fast nie zu Wort melden. Eine spannende Breite.

gl24: Krieg in der Ukraine, Teuerung, Klimawandel. Grosse globale Themen, die auch das kleine Glarnerland beeinflussen. Wie kann ein kleiner Kanton und auch die kantonale Politik darauf reagieren oder entgegenhalten?

Regula N. Keller: Das Klein-Sein darf nie als Ausrede herhalten fürs Nichtstun. Wir sind Teil einer globalen Welt, profitieren und nehmen Schaden durch weltweite Entwicklungen. Unsere Kleinheit, unsere kurzen Wege und unsere direkte Demokratie laden geradezu ein, eine Vorbild-Funktion einzunehmen, bspw. im Klimaschutz.

gl24: Welche Themen sehen Sie sonst noch zentral für den Kanton Glarus in der kurz- und mittelfristigen Zukunft?

Regula N. Keller: Um drei zu nennen: Die Mobilität, auch als Teil der Klimaschutzmassnahmen -, Partizipation und Digitalisierung. Bei der Mobilität sollen nicht mit alten Rezepten (bspw. mehr Strassen für den motorisierten Individualverkehr) die Herausforderung der Zukunft gelöst werden. Dem Langsamverkehr wird meines Erachtens immer noch nicht die notwendige Aufmerksamkeit und «freie sichere Fahrt» geschenkt. Daneben gilt es beim Thema Partizipation die Beteiligung aller Menschen an der politischen Entscheidfindung zu erhöhen. Allenfalls kann hier die Digitalisierung auch helfen. Zentral muss sein, dass die Digitalisierung einen klar erkennbaren Nutzen für die Bürger/-innen und Bewohner/-innen des Glarnerlandes hat und die Leute «mitnimmt».

gl24: Wie sind Sie zur Politik und speziell zu den Grünen gekommen?

Regula N. Keller: Ich bin in einer «politischen» Familie gross geworden: Mein Vater war Gemeindevorstand (Exekutive) in Domat/Ems (GR), ein Amt, das er sehr ernst genommen hat und bei dem er mich oft am Samstag als kleines Mädchen bei seinen «Kontrollgängen» ins Bürgerheim oder ins Feuerwehrlokal mitgenommen hat. Sich einbringen und mitgestalten wurde mir somit vorgelebt. Die Forderung nach Gleichstellung begleitet mich seit meinem Studium – und da waren die Grünen mit ihrer von Beginn an konsequent gelebten parteiinternen Gleichbehandlung der Geschlechter und ihren Zielen in der Sozial- und Gesellschaftspolitik klar die erste Wahl. Dazu sind sie das Original in Fragen Umwelt- und Klimaschutz. 

gl24: Die Landsgemeinde hat vor zwei Jahren eines der strengsten Energiegesetze der Schweiz beschlossen. Haben Bergkantone oder das Glarnerland selbst eine andere Beziehung zur Natur?

Regula N. Keller: Vielleicht muss man anders fragen oder anders ansetzen: Die Gebirgskantone werden besonders stark vom Klimawandel betroffen sein – umso wichtiger, dass wir schnell und konsequent Massnahmen im Klimaschutz ergreifen. Eine Mehrheit der Stimmbürger/-innen an der Landsgemeinde hat das erkannt und gehandelt. 

gl24: Was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern gerne noch von sich mitteilen?

Regula N. Keller: Ich bin eine «Wahlglarnerin» – nicht der «Zufall der Geburt» hat mich in diesen Kanton geführt, sondern ein bewusster Entscheid: Seit 23 Jahren arbeite ich hier, seit 19 Jahren wohne und lebe ich hier. Ein Entscheid, den ich noch nie bereut habe. Glarnerland macht (fast immer) glücklich!