Kolumne: Das Beste zum Schluss?

Wenn es draussen dunkel und kalt ist, geniesst man umso mehr gesellige Abendessen im Familien- oder Freundeskreis. Dabei kann eine simple Frage grosse Diskussionen auslösen.



Isst man das, was man nicht mag, zuerst oder doch lieber zum Schluss? (Bild: mb)
Isst man das, was man nicht mag, zuerst oder doch lieber zum Schluss? (Bild: mb)

Wir sitzen in geselliger Runde beisammen und geniessen ein leckeres Essen. Eine Freundin erzählt, dass sie kürzlich auf einem Ausflug beobachtet habe, wie eine Frau die Tomaten auf dem Teller erst am Schluss gegessen habe. Auf ihre Frage hin, ob sie Tomaten am liebsten oder am wenigsten gern esse, habe die Frau gesagt, am wenigsten gern. Die Freundin habe ihr dann von ihrer Mutter erzählt, die als Kind jeweils das, was sie nicht gerne ass, sofort aufgegessen hatte – um dann prompt nachgeschöpft zu bekommen. Da sie sehr scheu war, habe sie sich nicht getraut, etwas zu sagen.
Eine andere Frau handhabte es beim Ausflug gleich mit den Tomaten, die sie weniger gern ass. Die Freundin hingegen sparte ein Stück Fleisch bis zum Schluss auf – weil sie es am liebsten mochte.
Diese Schilderung führt natürlich zur Frage, wie es denn die Runde handhabe. Isst man das, was man nicht mag, zuerst oder doch lieber zum Schluss? Die Diskussion ist lanciert und nimmt breiten Raum ein.
Die meisten sagen, es sei psychologisch sinnvoller, das, was man am wenigsten gern habe, zuerst zu essen. So könne man den Rest der Mahlzeit ohne Überlagerung des ungeliebten Gerichts geniessen. Quasi wie bei einer To-Do-Liste: Man erledigt zuerst die unangenehmen Aufgaben, damit man danach entspannen kann. Spare man sich das Beste bis zum Schluss auf, sei dies wie eine Belohnung als krönender Abschluss. Das Essen bleibe einem so auch eher als positives Erlebnis in Erinnerung.
Eine Frau argumentiert, Essen sei für sie eine Kulturtechnik. Und kulturell gesehen spare man sich das Beste ja auch oft bis zum Schluss auf: Bei Festivals träten die grossen Bands am letzten Tag auf. In Filmen kämen die grossen, teuersten Actionszenen am Schluss. Und das Ende des Jahres werde mit Feuerwerk gefeiert.
Wie halten Sie es denn mit ungeliebten Gerichten? Zuerst oder zum Schluss? Ich muss gestehen, dass ich mir das vor der besagten Diskussion nie überlegt habe. Nun habe ich vermehrt darauf geachtet und tendiere zur Mehrheit in unserer Runde, die das Unangenehme zuerst erledigt. Letztlich aber gibt es kein allgemeingültiges Rezept.
Im Internet findet man übrigens diverse Ernährungsexpertinnen und -experten, die sich zur richtigen Reihenfolge der Nahrungsaufnahme äussern. Sie empfehlen zuerst Gemüse, danach Proteine und Fette und zuletzt Stärke und Zucker. Da geht es aber nicht um Genuss, sondern darum, den Blutzuckerspiegel positiv zu beeinflussen.
Die Meinung dieser Fachleute wird aber viele Eltern bestärken: Kinder mögen Gemüse meist nicht so sehr. Daher empfehlen ihnen die Eltern, zuerst das Gemüse zu essen und sich dann den Kartoffeln oder dem Fleisch zu widmen. So wird das Gemüse als «Pflicht» und das andere als «Kür» wahrgenommen. Oder eben mit anderen Worten: Das Beste kommt zum Schluss.