Kolumne: Gezügeltes Temperament?

In den Sommermonaten wären eigentlich Entschleunigung und Entspannung angesagt. Nicht einfach, wenn die Schweizer Nati an der WM in Russland spielt.



Die alles entscheidende Szene – bei «Blick online» immer noch nachzuschauen. (Bild: mb)
Die alles entscheidende Szene – bei «Blick online» immer noch nachzuschauen. (Bild: mb)

«Sie erleben eine positive Woche, solange Sie Ihr Temperament unter Kontrolle halten. Stress sollten Sie abschütteln, dafür viel Sport treiben.» Das Horoskop für Widder ist ja gut gemeint – passt aber überhaupt nicht zu dieser Woche. Wie bitte soll ich mein Temperament unter Kontrolle halten, wenn der entscheidende Fussballmatch ansteht? Und den Stress abschütteln, wenn der ja gerade durch dieses WM-Spiel entsteht?

Leicht gestresst bin ich schon vorher, habe ich doch vor längerer Zeit einen Besuch auswärts abgemacht. Damals wusste ich noch nicht, dass die Schweiz am Dienstag spielt – und vor allem nicht, dass der Match am Nachmittag stattfinden wird. So verfolge ich die erste Halbzeit bei der Rückfahrt im Auto – Radio DRS 3 sei Dank! Ich bin noch guten Mutes, tönt es doch nicht allzu schlecht von unserer Elf. 0:0 als Pausenstand – da kann sich die Schweiz durchaus noch steigern. Zumal sie das Potenzial hat, Schweden zu schlagen.

Aber ohalätz. Zu Hause setze ich mich natürlich vor den Fernseher und verfolge die Partie mit ständig schwindender Zuversicht. Das gibt’s doch nicht! Wo sind die Qualitäten der Schweizer geblieben? Sie bringen viel zu wenig Leistung auf den Rasen. Das kann nicht gut gehen, zumal die Schweden mit viel Herzblut kämpfen. Was man leider von der Schweizer Elf nicht sagen kann.

Nun, es geht auch nicht gut, wie wir wissen. Das war’s, die Schweiz ist draussen, schafft einmal mehr den Einzug in den Viertelfinal nicht – der diesmal absolut drin gelegen wäre. Entsprechend hoch waren die Erwartungen im Vorfeld.

«Schwach, ideenlos, ohne Feuer» hätten die Schweizer gespielt, urteilen Ex-Nati-Stars nach dem Ausscheiden. Und sie haben Recht. Einfach nur schade, dass sie im entscheidenden Moment versagt haben!

Nach dem Match bin ich enttäuscht, wütend, fühle mich leer. Wie soll ich mein Temperament da unter Kontrolle halten? Mein Stresspegel sinkt nur langsam, so sehr rege ich mich über die ungenügende Leistung unserer Fussballer auf.

Es gibt nur einen positiven Aspekt im Ganzen: Wir können die restlichen WM-Spiele nun gelassen mitverfolgen, ohne uns aufzuregen. Ohne Stress also, mit gezügeltem Temperament. Wie es das Horoskop empfiehlt. Aber das ist ein schwacher Trost, nicht wahr?