Hanspeter Spälti lässt keinen Zweifel zu: «Die neuen Gemeinden werden viel stärker sein als die heutigen. Sie werden gegenüber dem Kanton viel kraftvoller auftreten können.» Spälti muss es wissen: Er hat die kantonale Projektgruppe präsidiert, die sich mit der Entflechtung der Aufgaben von Kanton und neuen Gemeinden wie auch mit der Organisation der Verwaltung befasst hat. Ihr Zwischenbericht ist vom Regierungsrat bereits verabschiedet worden.
Mehr Kompetenzen und Aufgaben
Neu will die Projektgruppe den Gemeinden weitgehend die baupolizeilichen Aufgaben wie die Prüfung und Bewilligung der Baugesuche innerhalb der Bauzonen zuweisen, und ebenso den Steuereinzug und das Arbeitsamt übertragen. Der Regierungsrat geht in seinen Empfehlungen weniger weit. Er möchte sowohl den Steuereinzug als auch das Arbeitsamt beim Kanton belassen, da diese Aufgaben zentral günstiger und effizienter erledigt werden könnten. Bereits veranlasst ist eine Vernehmlassung bei den Gemeinden und bei den kantonalen Departementen. Anschliessend liegt der Ball beim Landrat, der über diese Fragen anhand anstehender Gesetzesänderungen noch intensiv debattieren wird. Den endgültigen Entscheid wird aber die Glarner Bevölkerung in rund einem Jahr an der Landsgemeinde fällen.
Ist Hanspeter Spälti enttäuscht über die abweichende Haltung des Regierungsrates: «Nein, es ist das Recht der Regierung, abweichende Meinungen zu vertreten. Wichtig ist mir, dass unsere Gruppe einheitlich zu den Empfehlungen gelangt ist. Ob der Landrat und die Landsgemeinde im Sinne der Regierung oder der Projektgruppe entscheiden, muss sich noch weisen.» Auf den ersten Blick erscheint der geplante Aufgabentransfer – unabhängig von den Versionen „Projektgruppe“ oder „Regierung“ wenig spektakulär. Findet die Stärkung der Gemeinden trotzdem statt? «Auf jeden Fall», betont Spälti. «Sie liegt aber weniger in neuen Aufgaben begründet als in der puren Grösse der Gemeinden. Wenn die Gemeinden in Zukunft vom Kanton etwas wollen, werden sie rund einen Drittel der Glarner Bevölkerung vertreten. Das verleiht ihnen eine markante Verhandlungsstärke.»
Grosse Gemeindeverwaltungen
Die Dimensionen der künftigen Gemeinden werden auch sichtbar, wenn man einen Blick auf die Verwaltungsorganigramme wirft. Hier wird mit 2310 Stellenprozenten für Glarus Süd, 2390 Stellenprozenten für Glarus Mitte und 3060 Stellenprozenten für Glarus Nord gerechnet. Nicht berücksichtigt sind dabei die Stellen, die in den Bereichen Werke und Sicherheit sowie Forst und Alpen geschaffen werden. Mit diesen Abteilungen befasst sich eine eigene kantonale Projektgruppe unter der Leitung von Thomas Rageth, Mitglied der kantonalen Projektleitung und Gemeinderat von Schwändi. Die 23 bis 30 Vollzeitstellen betreffen also nur die Kernverwaltung – die Büroarbeit, wie es Hanspeter Spälti bildlich definiert. Bereits das werden aber stattliche KMU sein, die mit den heute oft sehr kleinen Glarner Gemeindeverwaltungen nichts mehr gemein haben.
Der objektive Blick als Herausforderung
Was war für die Projektgruppe die grösste Herausforderung bei der Erarbeitung möglicher Organisationsstrukturen? Projektleiter Hanspeter Spälti nennt zwei: «Erstens war es für manche Mitglieder der Gruppe nicht leicht, objektiv und unbefangen an diese Arbeit heranzugehen. Denn sie können ja nicht wissen, ob sie in den neuen Organisationen wieder einen guten Platz finden. Sie mussten also von ihrer persönlichen Situation abstrahieren und einen objektiven, konzeptionellen Blick auf die Sache werfen. Das war sehr anspruchsvoll.» Umso bemerkenswerter findet Spälti das Arbeitsklima in der Gruppe. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, habe man sehr konstruktiv und zielorientiert gearbeitet.
Ohne bewährte Kräfte geht es nicht
Allerdings betont Hanspeter Spälti auch, dass die meisten der heutigen Mitarbeitenden in den neuen Gemeinden hochwillkommen sein werden: «Auf das Wissen bewährter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückgreifen zu können, ist von entscheidender Bedeutung. Ohne das können die neuen Gemeinden nicht funktionieren. Die Mitarbeitenden sind aus meiner Sicht gar noch wichtiger für den reibungslosen Übergang als die neuen Behörden.» Für seine Einschätzung liefert Spälti gleich ein Beispiel: Die Schneeräumung müsse vom ersten Tag an funktionieren, meint er, demgegenüber dürfe sich ein Gemeinderat etwas Zeit nehmen, um sich in seine neue Funktion einzuarbeiten.
Unterschiedliche Vorgehensweisen
Was war die zweite grosse Herausforderung? «Die unterschiedliche Vorgehensweise in den drei künftigen Gemeinden. Während Glarus Süd und Glarus Mitte den kantonalen Zeitplan übernahmen, hat Glarus Nord in verschiedenen Punkten bereits vorgespurt. Das ist zwar völlig in Ordnung. Aber diese Ungleichzeitigkeit machte das Arbeiten komplexer.» Die Empfehlungen für die drei Gemeinden seien deshalb etwas heterogen herausgekommen.
Die Projektgruppe hat sich übrigens voll und ganz auf die Organisationsdebatte konzentriert. «Über Standorte und Ähnliches haben wir nicht gesprochen, das ist Sache der Gemeinden», erklärt Hanspeter Spälti und unterstreicht: «Hätten wir auch dazu Stellung genommen, wären wir wohl sehr schnell nicht mehr arbeitsfähig gewesen.»
Vergleichsgemeinden als Benchmarks
Bei der Erarbeitung der Organigramme, Stellenprozente und Stellenbeschriebe ging es nicht nur darum, qualitativ gute Gemeindeverwaltungen zu sichern, sondern auch das Sparpotenzial zu nutzen. Wie ist die Gruppe dabei vorgegangen? «Wir haben geschaut, wie Gemeinden vergleichbarer Grösse stellenmässig dotiert sind. Diese Zahl haben wir als Benchmark gesetzt. Es war das Ziel, dass unsere neuen Gemeinden nicht mehr Personal beschäftigen als diese Vergleichsgemeinden.»
Das gelang nicht immer: Glarus Süd und Glarus Nord liegen rund 300 Stellenprozente über dieser Marke, Glarus Mitte nur um wenige Prozente. «Das hat teilweise topographische Gründe. Anderseits muss man aber in den Gemeinden wohl nochmals genau prüfen, ob es da und dort nicht mit weniger Personal ginge», kommentiert Hanspeter Spälti. Dieser Meinung ist auch der Regierungsrat, der zwar den Schlussbericht genehmigt hat, jedoch deutlich darauf hinweist, dass das Sparpotenzial auszuschöpfen und die Benchmarks zu beachten seien.
Neue Gemeinden am Ball
Nun geht die Arbeit in den Projektgruppen der künftigen Gemeinden weiter. An einem Workshop vom 5. Mai 2008 wird die kantonale Projektgruppe die Dossiers den kommunalen Gruppen übergeben. Diese werden die Resultate prüfen, hinterfragen und wohl da und dort Korrekturen anbringen. Wie verbindlich sind denn die Empfehlungen der Projektgruppe? Hanspeter Spälti geht davon aus, dass sie wegweisenden Charakter haben: «Die künftigen Gemeinden hatten ihre Fachleute in unsere Projektgruppe delegiert. Ich gehe nicht davon aus, dass deren Arbeit auf den Kopf gestellt wird.» Gleichwohl betont er, dass sowohl die kommunalen Projektgruppen als auch die künftigen Gemeinderäte das Recht und die Möglichkeit haben, andere Organisationsformen zu wählen.
Damit steht fest: Bis die definitiven Verwaltungsorganigramme stehen, wird noch intensiv gearbeitet und heftig debattiert werden. Mit der Arbeit der kantonalen Projektgruppe Verwaltung hat jedoch ein wichtiger Bereich der künftigen Gemeinden bereits ein Gesicht mit klaren Konturen erhalten.
*Der Autor ist Kommunikationsbeauftragter der Projektleitung Kanton „GL2011: drei starke Gemeinden – ein wettbewerbsfähiger Kanton“.