Die Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, dass der Kanton Glarus grundsätzlich eine Krise bewältigen kann. Sie hat jedoch verschiedene Anfälligkeiten des politischen Systems bei ausserordentlichen Ereignissen offengelegt. Zum Beispiel sieht die Kantonsverfassung nicht vor, dass eine Landsgemeinde nicht stattfinden kann – was aber 2020 der Fall war. Es fehlen zudem Regelungen, wie bei einem Ausfall mehrerer Amtspersonen vorzugehen ist, wenn keine ordentlichen Ersatzwahlen möglich sind. Die vorliegende Landsgemeindevorlage schafft den Behörden ein klares und flexibles Instrumentarium. Damit können sie den krisenbedingten Ungewissheiten unter Zeitdruck besser begegnen. Das Ziel ist es, in Krisen flexibel zu bleiben sowie Blockaden zu verhindern und Rechtssicherheit wahren zu können.
In der Krise noch besser bestehen
Die Vorlage entflechtet die bislang in der Kantonsverfassung vermischten Dringlichkeits- und Notrechtsklauseln. Das bereinigte Dringlichkeitsrecht sieht vor, dass der Landrat anstelle der Landsgemeinde Beschlüsse dringlich in Kraft setzen kann. Der Regierungsrat kann umgekehrt anstelle des Landrates sowie auch anstelle der Landsgemeinde Beschlüsse dringlich in Kraft setzen. Damit können in dringlichen Fällen Blockaden in der Zeit zwischen zwei Landsgemeinden oder zwischen zwei Landratssitzungen verhindert werden. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass am Schluss trotzdem die zuständigen Organe entscheiden.
Neue Option: Notstand ausrufen
Die Vorlage erlaubt es dem Regierungsrat neu, in Krisensituationen wie Katastrophen und Notlagen den Notstand auszurufen. Dadurch erhält er ausserordentliche Befugnisse und kann Notrecht erlassen, das unter Umständen von der Verfassung abweicht. Das Verfahren ist so ausgestaltet, dass der Notstand zeitlich möglichst eingeschränkt wird, wobei der Landrat und die Landsgemeinde den Regierungsrat nötigenfalls übersteuern können. Um eine politische Verantwortlichkeit sicherzustellen, kommt dem Landrat eine besondere Rolle in der Nachbearbeitung eines Notstands zu.
Urnenabstimmungen: Keine wirksame Alternative für den Kanton Glarus
Bei der Herleitung der Lösung wurde u. a. auch die Option von Urnenabstimmungen auf kantonaler Ebene geprüft. Der Vorteil ist, dass das Stimmvolk auch dann eine Meinung äussern kann, wenn aufgrund einer Krisensituation keine Landsgemeinde stattfinden kann. Im Landsgemeindekanton Glarus beeinträchtigen Urnenabstimmungen für Sachvorlagen die politischen Rechte der Stimmberechtigten. Jede stimmberechtigte Person hat auf kantonaler Ebene das Recht, an der Landsgemeinde den Sachvorlagen nicht nur zuzustimmen oder sie abzulehnen, sondern auch Anträge auf Abänderung oder Verschiebung zu stellen. Hinzu kommt, dass ein einjähriger Ausfall der Landsgemeinde per Dringlichkeitsrecht überbrückt werden kann, wobei die Rechte der Stimmberechtigten an der nächsten Landsgemeinde gewahrt bleiben. Mehrjährige Unterbrüche würden einen Erlass von Notrecht nahelegen. Darauf gestützt könnte in unausweichlichen Fällen auch eine Urnenabstimmung durchgeführt werden. Urnenabstimmungen werden deshalb in der Vorlage nicht gesetzlich auf Vorrat geregelt. Sie sollen – wenn wirklich nötig – situationsbezogen angeordnet werden können.
Kernelemente der Vorlage
- Das bereinigte Dringlichkeitsrecht sieht vor, dass der Landrat anstelle der Landsgemeinde und der Regierungsrat sowohl anstelle des Landrats als auch anstelle der Landsgemeinde Beschlüsse dringlich in Kraft setzen kann. Somit sollen in dringlichen Fällen Blockaden in der Zeit zwischen zwei Landsgemeinden oder zwischen zwei Landratssitzungen verhindert werden. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass am Schluss trotzdem immer die zuständigen Organe entscheiden.
- Der Regierungsrat soll neu in Krisen, Katastrophen und Notlagen den Notstand ausrufen können. Dadurch kann er Notrecht erlassen, welches unter Umständen von der Verfassung abweicht. Der Notstand soll zeitlich begrenzt sein, wobei der Landrat und die Landsgemeinde den Regierungsrat nötigenfalls übersteuern oder den Notstand verlängern können.
- Der Landrat erhält eine zentrale Rolle bei der Nachbearbeitung eines Notstands.
- Das Bevölkerungsschutzgesetz regelt neu die Wiederherstellung der Beschlussfähigkeit, wenn Behörden wie der Regierungsrat, der Landrat oder die Gemeinderäte nicht mehr handlungsfähig sind.
Positive Rückmeldungen
Die Vorlage wurde von allen Vernehmlassungsteilnehmenden im Grundsatz begrüsst und positiv beurteilt. Die drei Gemeinden sowie alle Parteien begrüssen das Anliegen, Lehren aus der Coronavirus-Pandemie zu ziehen und damit die Krisensicherheit des politischen Systems zu stärken. Die Vorlage wird als nachvollziehbar und sinnvoll erachtet. Einige Anliegen aus der Vernehmlassung wurden für die Vorlage berücksichtigt. Unter anderem wird der Landrat den Bericht des Regierungsrates nach Ende des Notstands genehmigen und nicht bloss zur Kenntnis nehmen.
Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, die Vorlage mit den Verfassungs- und Gesetzesänderungen der Landsgemeinde zur Zustimmung zu unterbreiten und eine Verordnungsänderung zu genehmigen. Die Unterlagen dazu sind unter in der Geschäftsdatenbank des Landrates publiziert.
Wer hat die Vorlage erarbeitet?
Die mit der Umsetzung des Legislaturzieles betraute Staatskanzlei zog eine Expertengruppe des Instituts für Föderalismus der Universität Freiburg bei. Die Vorlage passte in das von diesen Experten betreute und vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderte Projekt «Schweizerische Pandemiegouvernanz». Eine verwaltungsinterne Projektgruppe mit Vertretungen der Staatskanzlei, der Departemente Volkswirtschaft und Inneres (DVI) und Sicherheit und Justiz (DSJ) sowie der drei Gemeinden erarbeitete in der Folge die Vorlage.




