Kurz und intensiv

Knapp zweieinhalb Stunden Verhandlung, drei zweite Lesungen und ein saftiger, aber fairer Schlagabtausch beim Tätigkeitsbericht – das ist das Fazit dieser Landratssitzung, die weitgehend mit Rededisziplin punktete und auch mit Hinweisen ans Publikum vor den Fernsehempfänger/-innen.



Landratssitzung von Mittwoch, 23. November 2022 Im Bild ein eindeutliches Abstimmungsergebnis (Bilder: e.huber)
Landratssitzung von Mittwoch, 23. November 2022 Im Bild ein eindeutliches Abstimmungsergebnis (Bilder: e.huber)

Bei einer zweiten Autorenlesung wird der Autor versuchen, noch einen draufzulegen, um sein Publikum zu unterhalten. Im Gegensatz zu einer zweiten Lesung im Landrat – da ist es meist töricht, noch irgendwelche Überraschungen zu erwarten. Diesmal ging es im Landrat um drei mehr oder weniger heisse Eisen. Den Plakatewildwuchs am Strassenrand – respektive um die angepasste Verordnung dazu. Die Löhne von Behörden und des Staats- und Lehrpersonals – für die einen zu hoch, für die anderen grade genug und es ging um die Verordnung, die regelt, wer bei der Energiewende im Heizbereich wie viel Unterstützung bekommen soll und was in Härtefällen geschieht. Etwas Pfeffer durfte man erst beim Tätigkeitsbericht erwarten. Dort hatten die zuständigen Landräte der GPK ihren Sprengstoff zwischen die Zeilen gepackt – aber würde jemand auch die Lunte zünden?

Zünglein FDP

Fast unüblich intensiv geht es dann aber doch zu bei den zweiten Lesungen. Zuerst soll eine Streichung aus der ersten Lesung bei der Plakatwerbung auf die Kommissionsfassung rückgeführt werden. Im Artikel 4, Abschnitt 2a verlangt Kommissionspräsident Samuel Zingg, innerorts und ausserorts sollten von der Kantonspolizei bezeichnet werden. Regierungsrat Andrea Bettina sekundiert ihm und liest dazu die Absätze aus dem Bundesrecht über die Bewilligungspflicht vor. Dagegen würde der neue Absatz verstossen. Thomas Tschudi entgegnet namens der Antragsteller, er sehe nicht ein, weshalb nicht die Politik das festlegen solle und man der Polizei da eine weitere Aufgabe übertrage. Zudem sei es ein «bürokratischer Tiger» und Fribourg und Nidwalden würden ebenfalls bereits gegen dieses Bundesgesetz verstossen. Andrea Bettiga erklärt das Nidwaldner Recht. Thomas Tschudi hofft, dass man in Bern jetzt gerade die Debatte im Glarner Landrat nicht verfolge. Mit 29:23 Stimmen setzt sich dann aber in zweiter Lesung der Antrag der Kommission durch. Dabei ist die FDP das «Zünglein» an der Waage.

Sotto voce

Bei der Lohnverhandlung wird dann die Regierung in den Ausstand geschickt. Die Landräte sprechen trotzdem alle «Sotto voce», also mit gesenkter Stimme dazu – ein bisschen, als hätten sie Bedenken, ihre Stimmen würden durch die geschlossenen Türen dringen. Fridolin Staub als Kommissionspräsident hatte von niemandem das Signal für einen Antrag bekommen. Mit Bezug auf die Unmutsbezeugung in der ersten Lesung stellt er aber fest: «Es steht uns als Landrat nicht an, hier die Lohnverhandlung zu führen.» Christian Marti beantragt, bei der Fassung der ersten Lesung zu bleiben. In der Wahrnehmung der FDP sei dies aber keine Unmutsbezeugung oder Misstrauen, sondern eine Erhöhung sei derzeit noch nicht angezeigt. Mathias Zopfi plädiert dafür, (auch er sotto voce), dass die Regierungsratslöhne ins Paket der Sitzungsgelder des Landrates gehörten, nicht in die Diskussion um die Löhne von Verwaltungsangestellten. Die Verordnung wird mit 52:1 Stimme angepasst.

Ein unmöglicher Härtefall

Um 08.20 Uhr kommt «Strom» in die Verhandlung. Sabine Steinmann ergreift das Wort bei Artikel 9e und stellt den Antrag, die Förderbeiträge bei selbstgenutztem Eigentum in Härtefällen zu erhöhen. Ein Anliegen, das Privaten, aber nicht professionellen Immobilienbesitzern unter die Arme greift. Der Regierungsrat solle dafür einen – begrenzten – Beitrag ausscheiden. Da niemand etwas dafür könne, wenn ein Heizungsersatz technisch nicht realisierbar sei – brauche es eine Härtefallregelung. Zudem brauche es dieses Signal des Landrates an die Bevölkerung. Peter Rothlin setzt sich für die Streichung aus der ersten Lesung ein. Es ergebe keinen Sinn, vom Staat aus Geld zu verschenken, wo doch die Wertsteigerung durch den Heizungsersatz von den Banken finanziert werde. Regula Keller unterstützt namens der Grünen den Antrag Steinmann. Es gehe darum, den Ängsten zu begegnen und eine Härtefallregelung zu schaffen. Fritz Waldvogel setzt sich namens GLP/Mitte für die Fassung der ersten Lesung ein. Man mache mit dieser Härtefallregelung ein «riesiges Fass Arbeit» auf. Christian Büttiker appelliert an die Solidarität der anderen Parteien. Es gehe darum, eher zu unterstützen. Er fragt die Regierung, wie sie damit umgehe, wenn jemand den Heizungsersatz nicht machen könne und woher dort dann die Gelder fliessen. Martin Zopfi setzt sich für die Ablehnung des SP-Antrags ein. Die Härtefälle seien in der Vollzugsverordnung zu regeln. Fridolin Staub gibt zu bedenken, das Problem liege beim relativ alten Glarner Gebäudebestand. Doch werde niemand in diesem Kanton «erfrieren». Landesstatthalter Kaspar Becker sieht im Heizungsersatz ebenfalls eine Wertsteigerung. Der Energiefonds stelle grundsätzlich Geld zur Verfügung für bestimmte Investitionen – nicht nur für Heizungsersatz. Der Landrat bleibt mit 38:18 Stimmen bei der Streichung von Absatz 6. In der Schlussabstimmung setzt sich die Änderung des Energiegesetzes mit 57 Stimmen (einstimmig!) durch.

Pauschal für die Kinder

Kommissionspräsident Roger Schneider bezieht sich in seinem Eintretensvotum auf die wenigen Artikel zur Kinderbetreuung. Der Landrat könne für die Pauschalen Maximalbeiträge festlegen – je höher das Maximum, desto stärker die Entlastung von weniger bemittelten Eltern. Er erklärt das «Normkostenmodell» mit 100 Franken. Bei 110 Franken Gesamtkosten einer Krippe würden die Eltern minimal 30 Franken (20 aus Normkosten, 10 aus Mehrkosten) bezahlen, die Gemeinde und der Kanton je 40 Franken. Priska Müller Wahl unterstützt namens der Grünen die vorgelegte Fassung von Regierung und Kommission. Sarah Küng namens der SP ebenfalls. Ruedi Schwitter tut dies ebenfalls – namens GLP/Mitte. Regierungsrat Markus Heer bedankt sich bei der engagierten Kommission und sieht in der Festsetzung des Landrates die Umsetzung des Kinderbetreuungsgesetzes, wie von der Landsgemeinde erlassen. Er wolle, dass das Gesetz per 1. Januar 2023 in Kraft treten könne. Denn die betroffenen Familien bräuchten die Beiträge schon jetzt und er wolle die Bundesbeiträge dazu nicht verlieren. Den Tagesstrukturen wolle man aber Zeit bis zum neuen Schuljahr geben. Die Normkosten dienten aber nur zur Herleitung und seien keine Vorschrift für die Kinderkrippen. Ohne Wortmeldung geht das Geschäft in die zweite Lesung und die Landräte gehen in die Pause. 

Die Zeit der Vorschläge

Eigentlich sagt so ein Tätigkeitsbericht einfach, was die Regierung getan hat. Doch er ist auch eine Vorlage, um zu kommentieren und – «jeden Stein umzudrehen». GPK-Präsident Thomas Tschudi beantragt gleich zu Beginn, den Bericht zu genehmigen. Da man am Beginn einer Legislatur stehe, sei die vertiefte Überprüfung aber sehr ambitioniert gewesen. Man habe das Baugesuch Altherr – und jenes der Fritz Landolt AG (FLN) – geprüft. Grundsätzlich habe man eine Lösung gefunden. Die lange Verfahrensdauer habe aber bei der FLN zum voraussichtlichen Wegzugsentscheid geführt. Es gehe darum, aktiv nach Lösungen zu suchen, die auch gefunden worden seien – dazu brauche es die Dienstleistungsmentalität der zuständigen Stellen. Dann sei die Kleinräumigkeit des Kantons Glarus ein Vorteil. Damit das ESAF in drei Jahren gelinge, brauche es den aktiven Einsatz der Regierung. «Wir sind ein kleiner Kanton, der hier zusammenstehen muss, damit es gelingt.» In Sachen Baugesuche brenne das Haus, da reiche die Löschdecke nicht mehr. Gabriela Meier Jud beantragt namens der FDP-Fraktion Zustimmung zum Bericht. Nach wie vor müsse aber noch mehr über den eigenen «Gartenhag» hinausgeschaut werden, das zeigten etwa die genannten Bauvorhaben. Die Zukunft des kantonalen Gefängnisses sei zwar klarer geworden, die Dauer der Baubewilligungsverfahren sei aber bedenklich. So etwa die Bewilligung für den standardisierten Einbau von Wärmepumpen, was vier bis fünf Monate dauere. Dagegen brauche es auch Sofortmassnahmen. Marius Grossenbacher beantragt namens der Grünen Zustimmung. Er unterstütze die Aufgabenüberprüfung unter den Departementen. Er verlange aber etwa bei der GLKB weiterhin ein gutes Risikomanagement. Grossenbacher bezieht sich auf die Personalsituation in Pflege und Schule und setzt sich für gute Rahmenbedingungen ein. Beim Wassergesetz bitte er um regelmässige Information. Beat Noser schliesst sich namens GLP/Mitte den Kommissionskollegen an. Er freut sich, dass einige der Kritikpunkte bereits in der Klausurtagung aufgenommen wurden. Christian Büttiker schliesst sich namens der SP an. Man werde bei der Kantonalisierung der Sozialdienste genau hinschauen. Er mahnt auch die Selbstkritik der GPK an.

Landammann Benjamin Mühlemann beantragt ebenfalls Genehmigung des Tätigkeitsberichtes. Mit den Anträgen der GPK könne man gut leben – es ergebe Sinn, die Eigentümerstrategie bei der GLKB zu prüfen, und er kündigt den Bericht zu den Baugesuchen an, was aber Ressourcen brauche. Man merke dem Bericht der GPK an, dass sie sich mit der Rolle des Regierungsrates auseinandersetze. Die GPK fordere die Lösungsorientierung – damit sei der Regierungsrat voll einverstanden. Für eine Exekutivbehörde gebe es kaum etwas anderes. Doch wenn man Lösungen erarbeite, müssten sie auch rechtsstaatlich sein. «Zum Schluss ist es dann aber eine Frage des Gewichtens.» Es sei wichtig, die Rollen zu schärfen, aber man dürfe keine «Blankoschecks» ausstellen, das tue auch der zitierte Zuger Regierungsrat nicht. Seien in der Projektorganisation verschiedene Meinungen da, könne der Regierungsrat das beraten. Und der Regierungsrat stelle dem OK des ESAF 2025 Glarnerland+ einen ganzen Katalog von Fragen, man bringe sich da proaktiv ein, ein Austausch sei bereits in zwei Wochen geplant.

Zeit der Fragen und fürs Protokoll

Fridolin Staub bezieht sich auf den Südostschweiz-Bericht und findet es seltsam, dass die Mutmassungen sogar den Weg in den GPK-Bericht fanden. Peter Rothlin verweist auf die klare Empfehlung der GPK. Heinrich Schmid gibt zu Protokoll, die Kommunikation des ALT (Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit) über Pressemitteilungen könnte noch vertiefter auf die Ursachen eingehen und positiver sein. Der integrative Unterricht – so Schmid zur Schule – senke das Niveau und führe mit bis zu drei Pädagogen im Klassenzimmer zum Lehrermangel. Wie von der Geschäftsprüfungskommission beantragt, wird der Regierungsrat beauftragt, die Eigentümerstrategie sowie das Risikomanagement der GLKB zu prüfen und darüber zu berichten. 

AXPO – bitte mehr Aufsicht!

Thomas Kistler bedankt sich dafür, dass man die Interpellation zur politischen Kontrolle über die Axpo als dringlich bearbeitete. Stromversorgung sei wichtig und müsse in der Hand des Volkes sein – man habe von den Kantonen als Eigentümern die Verantwortung den Managern überlassen, welche eher den kurzfristigen Gewinn, als die langfristige Sicherung der Versorgung im Auge hatten. Jetzt – in der Krisenlage – mache die AXPO dem Bund keinen vernünftigen Energieversorgungsvorschlag. Man solle es tun wie Zürich und endlich wieder einen Regierungsrat in den Verwaltungsrat schicken. Danach ruft Landratspräsident Luca Rimini zum Parlamentarierskirennen auf und kündigt die Budgetsitzung vom 7. Dezember an.