Wenn zweite Lesungen dauern

07.55 Uhr, Landratssaal: Man erinnert sich noch an den «Handstreich» vor zwei Wochen zu Steuergesetz und darf gespannt sein, was die vier zweiten Lesungen bringen.



Landratssitzung vom 01. März 2023 (Bilder: e.huber)
Landratssitzung vom 01. März 2023 (Bilder: e.huber)

Entschuldigt sind diesmal die Bundespolitiker Mathias Zopfi, Martin Landolt sowie Hans Jenny, Yvonne Carrara, Urs Sigrist, Regula Keller, Hans Schubiger und Rahel Nassim Isenegger. Als Amuse-Bouche wird das öffentliche Beschaffungswesen diskutiert, wo es in 1. Lesung eine Teilrückweisung gab. Christian Marti schlägt namens der Kommission einen neuen Artikel betreffend die Zuschlagkritierien vor. Die Kriterien sollen unterschiedliche Preisniveaus und die Verlässlichkeit der Preise sein – sie sollen als Kann-Formulierungen ins Gesetz eingehen und sind neue Kriterien, mit denen Bund und Kantone noch keine Erfahrungen haben. Glarner Unternehmen sollen, so Marti, vom neuen Qualitätsparadigma profitieren. Es gebe noch keine Anwendungspraxis und Rechtsprechung, die Anwendung der Kriterien werde durch die internationalen Vereinbarungen und die bilateralen Verträge wohl eingeschränkt. Man könne nach der Ratifizierung aber wohl bald von anderen Kantonen lernen. Es bestehe die Chance, damit zwei weitere griffige Instrumente zur Vergabe zu bekommen.

Die Preisniveauklausel – Seilziehen

Bei Artikel 5 beantragt Hans-Rudolf Forrer die ursprüngliche Formulierung zu belassen. Er spreche als Gemeindepräsident und befürchte, dass hier die Bürokratie aufgebläht werde. Speziell bei der Aussonderung ausländischer Bauteile sei wohl für die Offerten weiter «Man- oder Woman-Power» gefordert. Martin Baumgartner unterstützt namens der SVP die Zusatzformulierung der Kommission. Dem Beitritt stehe damit nichts im Weg, da es eine Kann-Formulierung sei. Ein Muss lehne man aber ab. Kaj Weibel unterstützt dies namens der Grünen/Junggrünen auch, denn es stütze die Nachhaltigkeit. Da die Löhne und damit das Preisniveau in der Schweiz höher liege, sei eine Preisniveauklausel sinnvoll. Lokal könne ökologischer produziert werden. Der Paradigmenwechsel zur Qualität brauche dieses Instrument, um Dumpingangebote zu bekämpfen. Andrea Bernhard spricht sich namens der Grünliberalen aber gegen die Zusätze aus. Die «Gewerblerfreunde» müssten sich dann an der eigenen Nase nehmen, wenn das lokale Gewerbe an den neuen Kriterien auflaufe. Hans-Jörg Marti beantragt namens der FDP, dem neuen Artikel 5 mit Niveauklausel zuzustimmen. Die Kommission habe damit für Gewerbe und Wirtschaft ein positives Zeichen gesetzt. Es gehe um Gerechtigkeit und gleich lange Spiesse – denn auch die Schweizer Unternehmen würden von der Niveauklausel betroffen. Der Unternehmer müsse auch ausweisen, woher seine Produkte stammen. Wer die Wertschöpfung in der Schweiz schaffe, solle hier berücksichtigt werden. Zudem bestehe die Deklarationspflicht ja schon. Franz Freuler unterstützt das. Landesstatthalter Kaspar Becker hält namens des Regierungsrates an der ursprünglichen Fassung fest. Der Regierungsrat sei erleichtert, dass das kein Mehraufwand in Gewerbe und Industrie sei. Der Paradigmenwechsel zur Qualität und der Zutritt zum Konkordat sei gewollt und es gebe da ja offenbar keine Opposition. Die Zusatzkritierien würden diesen Effekt akzentuieren, aber auch zu Mehrkosten führen. Gespannt sei er – aus Sicht der Verwaltung – auf den Einblick in die Margenpolitik der Unternehmen. Mit 36:11 Stimmen werden die Zusatzkriterien aufgenommen.

Die Kriterien legt der Landrat fest

Kommissionspräsident Roger Schneider erwischt den Zettel zum Gewässerschutzgesetz und wechselt – unter Gelächter – in seiner Ansprache zur Standortförderung. Das Flächenmanagement sei ja unbestritten, das Massnahmenblatt – wie von Christian Büttiker vorgeschlagen – im Richtplan so nicht vorgesehen. Es erscheine der Kommission unrealistisch, dass der Regierungsrat hier zuständig sein könnte, da sei das ARE sehr restriktiv. Die Verankerung im Richtplan würde Jahre dauern. Da der Landrat aber Kriterien wünsche und man das Flächenmanagement nicht blockieren wolle, biete sich die Festlegung durch den Landrat über eine Verordnung an. Was schneller und ohne Bundesstellen gehe. Entsprechend wird der Artikel 15 neu formuliert. Bei Artikel 8 meldet sich Büttiker zu Wort, das sei ein SP-Antrag. Sie halte an der Festschreibung im Richtplan mit Massnahmenblatt fest und wolle die Richtplanung mit vier Kriterien ergänzen. Wer das so nicht verstehe, verstehe Richtplanung nicht. «Die Leute müssen wissen, dass Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung angesiedelt werden.» Dieser und die anderen Werte würden Klarheit schaffen anstatt neuer Luftschlösser. Der Richtplan könne jeweils nach fünf Jahren angepasst werden, sei also nicht – wie behauptet – starr. «Lest wieder mal die kantonalen Richtpläne und die Nutzungsplanungen.» Er verweist auf die fehlende Strasse, um den Grosszaun Netstal zu erschliessen und fragt, wer hier die Verantwortung trage. Roger Schneider verweist auf den Instanzenweg beim Richtplan, was dauern könne. Thomas Tschudi unterstützt die Kommission und möchte die Vorbehalte gegen das Flächenmanagement beseitigen. Mit dieser Massnahme lasse sich der «Blankoscheck» an die Verwaltung vermeiden. Auch er verweist darauf, dass Richtplanänderungen allenfalls dauern. Regierungsrätin Marianne Lienhard verweist auf die Bedeutung von Arbeitszonenmanagement und Flächenmanagement zur Entwicklung der Wirtschaft. Dazu solle sich der Kanton Flächen sichern können – «das ist der Kern dieser Vorlage». Es werde sich aber wohl nur um Einzelfälle handeln, da der Standort Glarus beschränkt sei. Die von Büttiker geforderten Kriterien hätten mit der Wirtschaftspolitik zu tun, der Richtplan solle sich aber auf die raumrelevanten Kriterien beschränken. «Was wir mit dem Boden machen, soll im Richtplan stehen, was wir den Investoren anbieten, dagegen nicht.» Die gesetzlichen Grundlagen würden genügend Leitplanken geben. Man könne sich dem Antrag der Kommission aber aus politischer Überzeugung anschliessen. Der Landrat beschliesst mit 41:6 Stimmen, dass er die Kriterien festlegen kann. Mit 49:0 Stimmen wird der neue Artikel 15 aufgenommen.

Zurück an die Regierung

Namens der Kommission verlangt Roger Schneider die Rückweisung des zu streichenden Artikels 191 an die Regierung und die Ablehnung des Streichungsantrags Vögeli. Es brauchte dazu die Gefahrenkarte vor allen Massnahmen, die vielerorts nicht bestehe. Deshalb seien auch die finanziellen Folgen schwer absehbar. Zudem könnte es sein, dass die Nachveranlagung entlang der Kantonsstrassen vom Wassergesetz «überholt» werde. Zudem drohten die bestehenden Veranlagungen rechtswidrig zu werden, was den betroffenen Korporationen nicht mehr Geld, wohl aber mehr Aufwände bringe. Mathias Vögeli hält am Streichungsantrag nicht fest, bringt aber zusätzlich ein, es brauche einen Auftrag an die Regierung, das EG ZGB – falls das Wassergesetz bis 2025 nicht komme – zu überarbeiten. Er glaube nämlich nicht daran, dass das Wassergesetz schon 2024 an die Landsgemeinde komme. Matthias Schnyder stellt namens der SVP Ablehnungsantrag und Rückweisung von Teil B an die Regierung. Denn: «Die Unbekannte ist grösser als die Bekannte.» Priska Müller Wahl beantragt namens der GLP ebenfalls Ablehnung und Rückweisung. Man habe schon in 1. Lesung auf den fehlenden Zusammenhang zu Teil A hingewiesen und prompt seien vonseiten Landrat materielle Änderungen vorgeschlagen worden. Die Folgen seien noch nicht absehbar und deshalb sei es nicht verantwortungsvoll, dies an die Landsgemeinde zu bringen. Heinrich Schmid fragt wegen der Rückweisung, ob das Wassergesetz dabei mitgemeint sei. Deshalb unterstütze er den Antrag Vögeli. Roger Schneider verweist darauf, die Rückweisung sei mit Blick auf das Wassergesetz gedacht, wo dies integrierender Bestandteil sein könnte. Regierungsrätin Marianne Lienhard verweist auf die intensive Diskussion in der Kommission, die Regierung könne sich der Rückweisung anschliessen – da materielle Änderungen nicht zu diesem Geschäft passten. Sie könne Vögelis Unmut verstehen, sei aber froh, dass er am Antrag nicht festhalte. Beim Wassergesetz gehe es – so verstehe sie die Resultate der Umfrage –, um die Verteilung von Rechten und Pflichten, besonders bei der Wuhrpflicht. Vögelis Ergänzungsantrag dagegen würde Mehraufwand bringen, deshalb: «Gehen Sie mit dem Regierungsrat auf den Weg.» Eventual setzt sich die Kommission mit 31:20 Stimmen gegen den Antrag Vögeli durch und der Landrat weist mit 45:5 Stimmen den Teil B an die Regierung zurück und unterbreitet den Memorialsantrag der Runsenkorporation Rüti der Landsgemeinde zur Ablehnung.

Der Steuerkompromiss bleibt

Bei Artikel 3, Absatz 2 präsentiert Landammann Benjamin Mühlemann die Entwicklung im Ressourcenausgleich. 2020 und 2021 flossen fast 90 Prozent in den Norden, danach in den Süden. Jetzt würden 100 000 in den Norden gehen, 900 000 in den Süden. Bei der Erhöhung des Lastenausgleichs stellt Nadine Landolt Rüegg den Antrag, diesen zu befristen bis 2026. Das ist der Anfang vom Ausbruch aus dem Kompromiss von Lesung 1. Ihr stellen sich Fragen, die Vorlage seit mit 2 Millionen Franken jährlich der Bevölkerung schwer erklärbar. Sie bezieht sich auf die widersprüchlichen Voten in der 1. Lesung. Mit der Befristung dagegen werde das wohl vom Volk eher akzeptiert. Andreas Luchsinger setzt sich für Ablehnung der Befristung ein – der Antrag Landolt Rüegg sei nicht auf den Rest abgestimmt. Albert Heer beantragt ebenfalls die befristete Erhöhung des Lastenausgleichs. Man kenne die mittelfristige Auswirkung des Disparitätenausgleichs nicht und könne das dann zeitnah diskutieren. Mathias Vögeli beantragt Ablehnung der Befristung: «Lasten bleiben Lasten!» Es gelte, sich jetzt zu entscheiden und die Gemeinde Glarus Süd damit an ihre Aufgaben zu erinnern. Sonst beginne man 2027 wieder bei null. Thomas Tschudi verweist auf die verschiedenen «Lager» der SVP und die positive Rechnung des Kantons. Mit den zusätzlichen zwei Millionen komme der Süden auf vier Millionen Ausgleichszahlungen, später auf 5,8 Millionen Franken. Das gelte es zu überprüfen, deshalb sei das auch mal wieder zu überprüfen. Als Kompromiss schlage er aber 2027 für die Befristung vor, damit da die Zahlung noch erfolgen könne. Priska Müller Wahl folgt diesem Votum, ihr sei eine seriöse Beratung hier drin wichtig. Sie verweist auf die Entwicklung der Sonderlasten, sie wolle über einen Lastenausgleich diskutieren, nicht über eine Sanierung der Gemeinde Glarus Süd. Markus Schnyder informiert noch über die Mehrheitsmeinung der SVP, welche die Befristung ablehnt. Die Befristung eines Lastenausgleichs wäre etwa, so Schnyder, wie eine Befristung der IPV. Denn die Lasten bleiben, schlauer wäre es, den Ressourcenausgleich zu befristen. Der Hebel gehörte wenn schon zur Beitragshöhe, nicht zur Zeit. Mathias Vögeli widerspricht Müller Wahl und verweist auf die Entwicklung der letzten drei Jahre. Während «Linthal 2025» habe die AXPO die Gemeinde teilweise unterstützt – etwa bei Holzschlägen oder Waldstrassen. Das sei jetzt nicht mehr der Fall, deshalb seien die Zahlen der letzten drei Jahre relevant. Samuel Zingg verweist auf den Wirksamkeitsbericht, es mache keinen Sinn zu befristen und damit dann wieder vor die Landsgemeinde zu gehen. Fridolin Staub verweist als Kommissionspräsident Finanzen und Steuern darauf, dass die Kommissionsfassung völlig anders sei. Es sei ehrlicher, mit der Kommissionsfassung an die Landsgemeinde zu gehen. Landammann Benjamin Mühlemann beantragt namens der Regierung, den GLP-Antrag zu unterstützen und den Lastenausgleich zu befristen. Grundsätzlich wollte der Regierungsrat den Ausgleich auf belastbaren Daten aufbauen. Schliesslich müsse der Landrat dann auch im Ring für den «schnellen» Kompromiss der Kommission einstehen. Mühlemann zählt in fünf Punkten auf, was ihm unlogisch erscheint. So etwa die statische Verteilung des STAF-Ausgleichstopfs. Die Befristung führe zur vertieften Diskussion der kritischen Fragen zum Lastenausgleich – dieses wichtige Thema müsse auf der Agenda bleiben. Beat Noser fragt nach dem Nationalen Finanzausgleich, ob der auch befristet sei. Mühlemann verneint – dieser werde auf den Lasten auch von Glarus Süd berechnet, es sei sogar interessant, dies zu fragen und dann zu diskutieren. Deshalb sei er weiter für die Befristung. Diese Befristung wird mit 27:22 Stimmen abgelehnt. Alle weiteren Anträge werden im Sinne der Kommission verabschiedet. Peter Rothlin bitte darum, das Postulat nicht abzuschreiben, da seine Forderungen nicht erfüllt würden. Insbesondere habe sich die Situation der Selbstständigerwerbenden wegen der gestiegenen Energiekosten noch verschlechtert. Rothlin spricht von Kostensteigerungen von 40 bis 70 Prozent. Es gehe auch um die Fixkosten, was – wegen der Indexierung – alles in Bewegung bringe. Landammann Benjamin Mühlemann dagegen beantragt Abschreibung. Es wird mit 27:21 Stimmen abgeschrieben. In der Schlussabstimmung wird das Gesetz mit 38:4 Stimmen – bei 9 Enthaltungen – zuhanden der Landsgemeinde verabschiedet, die darüber nun trefflich streiten kann.

Abwassergebühren

Cinia Schreiber beantragt namens der Kommission Eintreten, Zustimmung und Abschreibung der Motion Zingg. Die zonengewichtete Grundgebühr beim Abwasser könne zu Ungleichbehandlung führen, deshalb sollen hier die Gemeinden sich auf ein faireres Gebührenmodell festlegen können, das verursachergerecht ist. Landesstatthalter Kaspar Becker sagt, es sei ein kleiner, aber guter Schritt, die Verordnung so zu ändern. Dem wird zugestimmt, das Geschäft kommt in eine 2. Lesung.

Das Postulat «Wolf» der SVP-Fraktion soll abgeschrieben werden. Sabine Steinmann nimmt für die betroffenen Bauern Stellung, welche durch das Wachstum der Wolfspopulation bedroht seien. Sie mache sich Sorgen, dass der Wolf die Gesellschaft spalten könne. Reto Glarner stellt namens der SVP-Fraktion die Bemühungen der Regierung fest, aber er stört sich daran, dass der Handlungsspielraum ausgeschöpft sei. Die Jagdverwaltung sei hier gefordert. Rund 100 Tiere seien nicht entschädigt worden – das fördere die Wut von Älplern und Bauern. Fritz Waldvogel sieht namens der Mitte-Fraktion das Postulat als erfüllt an. Der Graben werde aber emotional immer grösser. Landesstatthalter Kaspar Becker verweist auf den laufenden politischen Prozess, die Wirkungen der Ablehnung des Jagdgesetzes zu korrigieren. Man habe dem Bundesparlament klar signalisiert, wo es den Hebel ansetzen könne. Die Hürden für ein Abschuss-OK der Bundesverwaltung seien aber viel zu hoch. Er verweist auch auf den runden Tisch dazu. Das Postulat wird stillschweigend als erfüllt abgeschrieben.

Die Antwort auf die Interpellation der SP-Fraktion über finanzielle Engpässe wird von Sabine Steinmann zur Kenntnis genommen. Ende April trifft man sich zum nächsten Mal.