Im Handstreich

Mathias Vögeli und Mathias Zopfi hatten in die Kommission Finanzen und Steuern einen Kompromiss gefunden, mit dem sie die Finanzausgleichkommission und auch den Regierungsrat im Handstreich einnahmen – ein Kampf, der gut dreieinhalb Stunden dauerte und wo der Landammann mit dem Florett zuweilen gegen mehrere Zweihänder gleichzeitig zu fechten hatte.



Landrat Roger Schneider
Landrat Roger Schneider

Zum Aufwärmen berät der Landrat den Memorialsantrag der Runsenkorporation Rüti zur Veranlagung von Korporationsmitgliedern und zur diesbezüglichen Änderung des Einführungsgesetzes zum ZGB, wo es einzig darum ging, die Begriffe wie «Tagwen» anzupassen. Die Idee des Memorialsantrags, so Kommissionspräsident Roger Schneider, Korporationen sollen einheitliche Perimeterbeiträge erheben können. Heute werde aber verlangt, dass für alle Liegenschaften nach Gefahrenpotenzial differenziert veranlagt werde, brauche es dafür eine Gefahrenkarte vor allen Massnahmen, die allerdings erst erstellt werden müsste, was schwierig sei, da in Rüti die ersten Massnahmen bereits 1875 ergriffen wurden. Da das übergeordnete Recht also eine einheitliche Taxierung nicht vorsieht, soll der Landrat den Antrag zur Ablehnung empfehlen. Ruedi Schwitter unterstützt dies, er kritisiert aber den fehlenden Zusammenhang zwischen Antrag A (Memorial) und Antrag B (Gesetzesanpassung) zu den Korporationen. Man habe zudem Antrag A als rechtlich zulässig erklärt und dann eineinhalb Jahre gebraucht, um herauszufinden, dass er übergeordnetem Recht widerspricht. Er empfehle deshalb dem Regierungsrat, die Anträge im Memorial klar zu trennen. Mathias Vögeli kündigt an, er werde beantragen, Artikel 191 zur Wuhrpflicht zu streichen. Reto Glarner unterstützt die Ablehnung von Antrag A, verweist aber namens der SVP darauf, dass das Problem nicht gelöst werde. Den Übergang zum solidarischen Einzug über die Gemeinde jetzt nach 20 Jahren zu ändern, könne zu Ungerechtigkeiten führen. Regierungsrätin Marianne Lienhard würdigt die wertvolle Arbeit der Runsenkorporationen für Bauten und Landwirtschaftsland. Ihr Wissen müsse auch ins Wassergesetz einfliessen. Tatsächlich habe sich erst beim näheren Hinschauen gesehen, dass das, worum es den Antragstellern gehe, so nicht gelöst werden könne. Man habe die Chance genutzt, bei der Behandlung des Antrags andere Gesetzesartikel nachzuführen – allerdings ohne materielle Änderung.

Die 191 – kein Strich!

In der Detailberatung Antrag A wird das Wort nicht gewünscht. Mathias Vögeli begründet seinen Streichungsantrag für Artikel 191. Dies sei jetzt einer der «heisseren Härdöpfel». Bund und Kanton seien auch veranlagt, aber der Kanton «schleife» wegen dieses uralten Gesetzesartikels beim Unterhalt. Die Streichung sei ein, wenn auch kleiner Fortschritt. Reto Glarner unterstützt das. Die Auswirkungen der Änderung seien nicht besonders gross. Die Aufhebung bringe etwas mehr Klarheit. Fridolin Staub beantragt dagegen, keine materiellen Anträge anzunehmen. Es gehe hier nur um die Restfinanzierung (30 Prozent bezahlt der Bund, 35 der Kanton – aus Steuergeldern). Er schlage vor, in Zukunft von Nutzenklassen zu sprechen. Denn die Gefahrenkarte der bestehenden Gefährdungen sei nicht Gefahrenkarte vor allen Massnahmen. Auch Roger Schneider ist gegen den Antrag Vögeli. Es sei besser, sich mit neuen Ideen ins Wassergesetz einzubringen und nicht jetzt aus der Hüfte zu schiessen. Fritz Waldvogel schlägt den Kompromiss vor, den Artikel nochmals in die Kommission zu nehmen, um Fragen zu klären. Toni Gisler unterstützt Vögeli und Glarner. Der Artikel mache heute keinen Sinn mehr, da einzig die Landstrassen (heute Kantonsstrassen) nicht veranlagt würden. Thomas Kistler bittet – als Gemeindepräsident – um Unterstützung von Vögeli. Der Artikel sei schon lange ein Diskussionsthema. Da ja Bund und Gemeinden mitzahlten, einzig der Kanton zahle nicht. Fridolin Staub will – bei Rückweisung – auch die Details rund um diese Frage anzuschauen. Es würde aber eher helfen, die Korporationen über die Bank mit Krediten zu unterstützen. Hans-Jörg Marti verweist auf das Gebot der Rechtsgleichheit, gegen das der Artikel verstosse, und unterstützt Vögeli. Der Kanton dürfe bei der Prävention durchaus etwas mithelfen. Daniela Bösch bezweifelt, ob die Auswirkungen dieser Streichung allen klar sind und ist für Rückweisung des Artikels. Regierungsrat Marianne Lienhard findet – wie von Ruedi Schwitter angemahnt – es sei gefährlich, am Gesetz materiell etwas zu ändern im Zusammenhang mit dem abzulehnenden Memorialsantrag. Sie verweist auf verschiedene Ereignisse, wo der Strassenunterhalt des Kantons sofort die Schäden behoben habe. Wenn dagegen die ganze «Maschinerie» aus Eigentümern, Korporation und Gemeinde in Gang gesetzt werden müsse, dauere es viel zu lang, bis ein Weg oder eine Strasse wieder befahr- oder begehbar sei. «Sparen wir uns die Energie zur Gesetzesarbeit fürs Wassergesetz auf.» Der Antrag auf Rückweisung setzt sich mit 29:21 Stimmen durch.

Die Armeen ziehen auf

Dann beginnt die Schlacht um den Steuertopf. Fridolin Staub als Kommissionspräsident referiert den Weg dieses Antrags zur Steuerstrategie und zum Ausgleich der kalten Progression. Dann zeigt sich, dass Vögeli und Zopfi einen stabilen Bund gegen die Regierungsvorlage und für ihren Kompromiss geknüpft haben – bis auf den Regierungsrat und wenige Landräte sind alle Fraktionen im Boot. Beat Noser beantragt namens der Mitte Eintreten und Annahme der Anträge. Das vorliegende Resultat sei anders, als in der Vernehmlassung verlangt. Der Finanzausgleich zugunsten von Glarus Süd erfolge jetzt aber bereits früher. Roger Schneider möchte namens der FDP mit dem Kommissionsantrag eine «Message» an die Landsgemeinde senden. Thomas Kistler beantragt namens der SP-Fraktion dasselbe. Er hätte sich, so Kistler, eine genauere Diskussion über den Finanzausgleich gewünscht, jetzt habe man aber zwei Pakete, jenes der Regierung, jenes der Kommission. Man wolle den Lastenausgleich für Glarus Süd erhöhen, aber keine Steuerreduktion – speziell nicht bei den Vermögenssteuern. Kistler begründet auch, ein so grosses Geschäft sei von Januar bis Landsgemeinde kaum à fonds zu beraten. Sein Rat an die Regierung: «Probiert doch, für solche Geschäfte mehr Zeit einzuberechnen.» Adrian Hager beantragt namens der SVP ebenfalls Eintreten. Eine knappe Mehrheit der SVP unterstütze den Antrag der Kommission. Besonders bei den Verheirateten bestehe Handlungsbedarf. Der Antrag der Regierung entlaste aber auch die Firmen. Man sei auch für die Anpassung des Lastenausgleichs zugunsten des Südens, auch wenn das dort nicht alle Probleme löse. Mathias Zopfi beantragt namens der Grünen Eintreten. Die Ausgangslage sei eigentlich eindeutig: Der Kanton verfüge über eine schrumpfende Berggemeinde, eine starke Zentrumsgemeinde und eine expandierende Agglomerationsgemeinde. Die Bevölkerung aber wünsche sich ein Gleichgewicht. Die Lösung der Kommission sei – mit 7:0 Stimmen – eine politisch ausgewogene. Der Gemeinplatz der Hausaufgaben, die Glarus Süd zu machen habe, greife hier nicht. Der steigende Lastenausgleich sei ein notwendiges Zeichen der Solidarität. Das hier sei eine einigermassen nachhaltige Vorlage – wohl zum ersten Mal. «Schrauben Sie nicht an der ausgewogenen Gesamtvorlage, wir Grünen werden überall für die Kommissionsfassung stimmen.»

Die FAK wird «ausgeknockt»

Ruedi Schwitter – als Präsident der Finanzaufsichtskommission – beantragt Eintreten und Annahme der regierungsrätlichen Anträge. Die Steuerkommission habe keinen Stein auf dem andern gelassen. All diese Änderungen jetzt in Stein zu meisseln, sei eine Hauruckübung. Ein Prozent weniger Steuern, aber ein höherer Lastenausgleich gehe für die Finanzaufsichtskommission nicht auf. Insbesondere mit Blick auf die tiefroten Budgetzahlen des Kantons. Um an der Landsgemeinde Erfolg zu haben, brauche es mehr Vorbereitung. Schon widerspricht FAK-Mitglied Samuel Zingg: es seien ja keine Mehrausgaben, sondern Ausgaben, die im System bleiben. Man müsse das System Kanton am richtigen Ort stärken, deshalb brauche es den Kompromiss der Kommission Finanzen und Steuern. Auf die schleichende Armut verweist Peter Rothlin, auch wegen der stark steigenden Lebenshaltungskosten. Deshalb müsse auch die kalte Progression ausgeglichen werden, was in der Kommissionsvorlage nicht genügend geschehe. Priska Müller Wahl votiert namens der GLP, es erstaune sie, wie die Kommission das Geschäft angepasst haben. Die Grundlagen, welche zu diesen Entschlüssen führten, fehlten ihr. Da das aber befristet sei, sei die GLP für den Ausgleich der kalten Progression, sei aber nicht für Steuersenkungen für alle zu haben. Zudem dürfe der Ressourcenausgleich keinen Deckel haben. Der Kompromiss der Kommission sei aber keine Lösung.

Um die es geht

Hans-Rudolf Forrer bittet namens der Gemeinde Glarus Süd um die Unterstützung der Kommissionsfassung. Diese habe einen Kompromiss vorgelegt, der einige der Probleme von Glarus Süd löse. «Wir sind klar die Schwächsten der vier Partner. Die Sonderlasten haben sich von 2015 bis 2021 mehr als verdoppelt.» Die Starken müssten hier den Schwachen helfen, der Gemeinderat Süd tue alles, was in seiner Kraft stehe, aber Glarus Süd sei heute auf einen fairen Finanzausgleich angewiesen. Auch Mathias Vögeli setzt sich für den Kommissionskompromiss ein. Das sei keine Hauruckübung, sondern eine weitere Übergangslösung, wovon man jetzt bereits seit 12 Jahren spreche. «Es schleckt keine Geiss weg, dass Glarus Süd diese Lasten tragen muss.» Deshalb brauche es einen interkantonalen Finanzausgleich, der diesen Namen verdiene – keine Pflästerlipolitik, wie das bis jetzt getan werde. Es brauche einen richtigen Verband. Wenn dagegen in Glarus Süd die Steuern stark angehoben werden müssten, so werde das die Abwanderung noch verstärkt. Verteilen solle man deshalb den Ausgleich, den der Kanton vom Bund bekomme, das sei der grösste Brocken, den man verteilen könne.

Das Florett des Landammanns

Landammann Benjamin Mühlemann beantragt namens des Regierungsrates Eintreten und Zustimmung zur regierungsrätlichen Vorlage, die er kurz resümiert, wobei er mit dem Florett den Gegnern feine Treffer zufügen will. Die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung zeigten, dass es mehr Zeit brauche. Der Landrat wolle Einzelfirmen entlasten und den Kanton im interkantonalen Steuerwettbewerb besserstellen und es brauche einen seriösen Finanzausgleich. Die Datenbasis des STAF-Ausgleichtopfs sei noch zu klein, wie das verstetigt werden solle, müsse also später diskutiert werden. Die Kommission habe, so sein Vorwurf, alles über den Haufen geworfen und aus der Hüfte geschossen. Er verstehe nicht, weshalb der Auftrag des Landrats an die Regierung jetzt plötzlich nicht mehr gelte. Die Kommissionsfassung schaffe neue Ausgaben und mehrere Millionen Mehrkosten, sage aber nicht, wie sie diese tragen wolle. Umverteilung führe zu Stagnation, so verliere der Kanton an Wettbewerbsfähigkeit. Dieses handstreichartige Vorgehen der Kommission führe zu einem faulen Kompromiss zulasten der Kantonsfinanzen, weil er auch abstruse, unausgegorene Teile enthalte.

Grabenkampf

In der Detailberatung setzt sich Peter Rothlin gegen das Vollsplitting bei den Ehepartnern in Artikel 34 ein, da damit die höchsten Einkommensgruppen bevorteilt würden. Insbesondere sei er dagegen, weil der Steuertarif von der Kommission ausgeblendet werde. Es gelte, diese Tarife anzupassen, um die kalte Progression auszutrocknen. Fridolin Staub hält dagegen, dass das im Teil B behandelt werde. Mathias Zopfi schlägt vor, dies später – über das Postulat – zu lösen. Diese Senkung sei sinnvoll. Rothlin wehrt sich, der Auftrag sei es, den gesamten Tarif anzupassen, nicht nur die Verheirateten. Er beantrage eventual die Rückweisung des Artikels. Laut Adrian Hager gleicht die Regierung die kalte Progression nicht aus, sondern sie senkt die Steuern. Die Progression sei schon ausgeglichen worden. Der automatisierte Ausgleich werde aber durch die jetzt vorliegende Variante gesichert. Rothlin stellt darauf den Rückweisungsantrag für diesen Artikel. Landammann Benjamin Mühlemann beantragt, diesen Antrag der Kommission abzulehnen – er führe zu Steuerausfällen und belaste die Gemeinden – und dafür einen höheren Abzug der Vermögenssteuern zu gewähren und die Kantonssteuern um ein Prozent zu senken. Die Steuersätze seien in den letzten 15 Jahren – aus anderen Gründen – gesenkt worden, was die Progression faktisch ausgeglichen habe. Der Rückweisungsantrag Rothlin unterliegt. In der Bereinigung setzt sich der Antrag der Kommission mit 35:13 Stimmen gegen die Regierung durch.

Seilziehen

Darauf beantragt Albert Heer namens der FDP, bei den Vermögenssteuern im Artikel 45 Absatz 1 dem Regierungsrat zu folgen. Peter Rothlin beantragt namens der Postulanten dies ebenfalls. Beat Noser beantragt den Verzicht auf die Erhöhung des Freibetrags – es würde 90 Franken bringen, das sei vernachlässigbar. Fridolin Staub beantragt Ablehnung des regierungsrätlichen Antrags. Hier zu schrauben, sei das falsche Signal an die Landsgemeinde. Ruedi Schwitter bittet, das Ganze im Blick zu behalten und bei der regierungsrätlichen Vorlage zu bleiben. Aus wirtschaftspolitischer Sicht gibt Landammann Mühlemann Heer recht, aber beides könne man sich eben nicht leisten. Mit 38:12 Stimmen entscheidet sich der Landrat, den Freibetrag nicht zu erhöhen. Benjamin Mühlemann plädiert dafür, den «Deckel» in Artikel 3 beizubehalten. Das sei und bleibe «Toter Buchstabe» kontert Mathias Zopfi. Thomas Tschudi fragt den «Säckelmeister» nach neuen Zahlen im Finanzausgleich. Es habe rechte Verschiebungen gegeben, antwortet der Landammann, Prognosen habe er aber keine. Markus Schnyder verweist darauf, dass die Gemeinde Glarus 3 Millionen in den Ausgleich zahle, beim Lastenausgleich aber nichts bekomme. Den Deckel im Ressourcenausgleich Finanzausgleich «beerdigt» der Landrat mit 42:10 Stimmen. In Artikel 6 Abs. 1 beantragt Priska Müller Wahl neu einen 40-Prozentanteil der Reduktion, um einen flexiblen Ressourcenausgleich zu bekommen. Markus Schnyder setzt sich aber für die im Kompromiss vorgesehenen 30 Prozent ein. Eventual stimmt der Landrat mit 36:8 Stimmen gegen den Antrag Wahl und entscheidet sich dann mit 41:9 Stimmen für den Antrag der Kommission. Dann liefern sich Peter Rothlin, Thomas Tschudi Adrian Hager sowie aus den anderen Fraktionen Beat Noser und Mathias Zopfi den SVP-Infight zu den 2 Millionen Lastenausgleicherhöhung. Rothlin findet es stossend, die 11 Millionen kalte Progression nicht auszugleichen, dafür zwei weitere Millionen an die Gemeinden zu verteilen. Mit 35:12 Stimmen wird der Lastenausgleich auf 3 Millionen Franken erhöht. Mit 40:9 Stimmen folgt der Landrat beim Wirksamkeitsbericht der Kommission.

Landammann Benjamin Mühlemann verteidigt bei Artikel 13b noch einmal die Regierungsvorlage und den STAF, vergeblich. Peter Rothlin will den Kommissionsantrag ablehnen, das sei ein Antrag auf eine Steuererhöhung von 0,5 Prozent. Fridolin Staub – als Kommissionspräsident – setzt sich für den Kompromiss ein. Der Landammann hält danach nicht an der Steuersenkung fest, wie in Antrag 2 beschrieben. Mit 37:11 Stimmen werden die Steuern nicht gesenkt. Die 2. Lesung folgt bestimmt. Die offenen Geschäfte werden auf die nächste Sitzung vom 22. Februar vertagt. Fazit: Der Handstreich bringt Bewegung in die Sache, auch wenn dabei die bewährten Regeln über Bord geworfen werden. Jetzt braucht es noch die Landsgemeinde, die dem Kompromiss folgt. Das dürften spannende Maikämpfe werden.