Stilübungen grüner Opposition

Der Landrat verabschiedete an seiner Sitzung vom Mittwoch, 4. November, die zurückgewiesenen Kapitel des Richtplans und trat der Interkantonalen Vereinbarung über die Beiträge an die Ausbildungskosten von universitären Hochschulen bei. Trotzdem dauerte die Debatte dazu fast drei Stunden und das ging so.



LR-Präsident Hansruedi Forrer
LR-Präsident Hansruedi Forrer

Wer kennt sie nicht, die Ermahnung von Bligg: «Mach’s mit Style oder las es si». Sie führt auf Zürichdeutsch weiter, was der Franzose mit C’est le ton qui fait la musique meint. Die eineinhalb Stunden vor der Pause dieses Landrats waren gefüllt mit dem, was die einen fürs Protokoll zuhanden des Bundes aufgenommen haben wollten, was andere aber als Filibusterei – also in die Länge ziehen der Debatte – bezeichnen würden. Und das am Election Day, könnte man sagen. Dieser fand auf den Bildschirmen statt, während gleichzeitig Fundamentalopposition gemacht wurde. Verständlich, ob der grossen Spannung der Wahlergebnisse in den USA, und doch auch ein bisschen bedenklich.

Laut und leise

Die Opposition zum Richtplan war – wenigstens, wenn es um die Anzahl der Voten geht – klar grün orchestriert. Doch spielten die Instrumente eine ganz verschiedene Rolle, sie tuteten in verschiedenen Tonlagen und Tonarten. Da gab es die sehr effiziente von Regula Keller, welche ja auch zum Landratsbüro gehört. Sie stellte gleich drei Rückweisungsanträge in einem Votum, da gab es die hartnäckige von Priska Müller Wahl. Sie kam immer wieder wie eine Steh-auf-Frau und pochte auf Rückweisung und da gab es die halbblinde von Andreas Schlittler. Wegen der erschreckend hohen Coronafallzahlen herrschte Maskenpflicht, nur wer sprach, durfte die Maske abziehen. Doch schön der Reihe nach.

Der Beitritt zur lnterkantonalen Vereinbarung über die Beiträge an die Ausbildungskosten von universitären Hochschulen war unbestritten. Fraktionspräsidentin Priska Müller Wahl und Landesstatthalter Benjamin Mühlemann beantragten Eintreten und Zustimmung. Es gab dazu keine weiteren Wortmeldungen, bevor die Vorlage in die zweite Lesung ging. Für einen Kanton ohne Hochschule ist diese Vereinbarung, die nach 20 Jahren von der Konferenz der Schweizer Erziehungsdirektoren revidiert wurde, sehr wichtig. Neu werden die Tarife auf der Basis der effektiven Kosten berechnet, Rabatte für Wanderungsverluste wurden abgeschafft. Für den Kanton Glarus – so der Landesstatthalter – finanziell ein Nullsummenspiel. Wichtig sei, dass die Wahlfreiheit beibehalten werde: «Freizügigkeit ist die Grundidee des heutigen Systems – der Herkunftskanton finanziert.»

«Hüt mösstemer Iitritt heusche»

Dann ging es in die ausufernde Debatte über den Richtplan 2018, den der Landrat bereits am 24. April 2019 in einer ganztägigen Sitzung behandelt hatte. Zu Verkehr und Tourismus waren einzelne Abschnitte zurückgewiesen worden, was der Regierung – so Kaspar Becker – die Möglichkeit gab, hier den Plan noch genauer auszuarbeiten. Allerdings waren einige aus der grünen Fraktion auf Krawall gebürstet, was Kommissionspräsident Fridolin Staub und Regierungsrat Kaspar Becker die Möglichkeit zu schönen Repliken wie jener im Titel dieses Abschnitts gab. Zum Schluss zeigte sich allerdings, dass die Beratungen der Kommission eine feste Basis hatten. Die drei Opponent/-innen standen fast allein da. Hätten sie sich doch an das gehalten, was Andrea Bernhard namens der GLP/BDP-Fraktion sagte: «Der Richtplan ist ein Planungsinstrument, es ist an der Zeit, dieses an den Bund zur Genehmigung zu überweisen. Das gibt uns Planungssicherheit. Die Regierung hat dort, wo Änderungen gewünscht waren, angepasst.» Dann mahnte Priska Müller Wahl an: «Es geht nicht um Ideologie – ich war die erste, die hier Tempo machte. Doch wir wollen einen guten Richtplan.» Im Richtplan gehe es um die Abstimmung der Nutzungen – also um den Verkehr und darum, ob Tourismus einfach ein Wunschkonzert werde oder ein Konzept habe. Der Landrat habe nicht nur eine Durchwinkerolle. Die Grünen, so Müller Wahl, seien mit den meisten ausgearbeiteten Änderungen des Regierungsrates nicht einverstanden, denn nach der Überarbeitung sei er «inhaltlich viel schlechter als das Bisherige». Und da es keine Eintretensdebatte mehr gab, meldeten sich Müller Wahl, Schlittler und Keller bei allen Teilpunkten zu Wort.

Es sei ein wichtiges Papier, sagte Regierungsrat Becker, «da gehe ich mit Priska Müller einig. Das wars dann aber schon. Dieses Papier habt ihr – der Landrat – uns vorgelegt. Bleiben wir konsequent und machen wir den Deckel zu.» Und Fridolin Staub sagte später anlässlich der noch einmal geforderten Zweckmässigkeitsüberprüfung zur Wirksamkeit der Umfahrung: «Das wurde diskutiert in der Kommission – zum Richtplan soll eine breite Debatte erfolgen, doch es bringt uns nicht weiter, immer dieselben Fragen zu stellen. Mit dem Richtplan legen wir eine Basis, doch so viele Chancen, den Verkehr anders zu lösen, gibt es nicht mehr – hier ist eine Fundamentaldiskussion nicht mehr am Platz. Jeder bekam die Unterlagen – die Informationen sind da.»

Informationsquellen

Obwohl Staub immer wieder klarstellte: «Wir machen hier keine Projekte», begann Andreas Schlittler von der Umfahrung zu erzählen. Vom Burgerlastwagen, der durch die Stadt fahren muss, bis er beim McDonalds ist, von der Anbindung Riedern und Klöntal, von der Abfahrt vor Netstal. Es schien, als wolle er schon bei der Richtplanung über ein fertiges Projekt beraten. Sein nassforsches Votum gipfelte in der Behauptung: «Meine einzige Quelle ist ein Artikel in der Südostschweiz von 2019», und später sprach er dann noch davon, dass dies die einzige Zeitung im Glarnerland sei. Was Wunder, dass er sich mit einer so einäugigen Optik eine blutige Nase holte! Schön brachte es Fridolin Staub auf den Punkt: «Offensichtlich hat Res Schlittler nicht gehört, was Kaspar Becker gesagt hat. Wir müssen heute die Flughöhe behalten und nicht zu konkreten Projekten diskutieren.» Drei weitere Rückweisungen beantragte Schlittler, nachdem er schon die Ausgangslage erfolglos hatte rückweisen wollen. Zur richtungsweisenden Festlegung der Umfahrung Näfels, Netstal und Glarus, zur Handlungsanweisung der Ortsumfahrung Glarus und schliesslich zum Objekt der Umfahrung Glarus selbst. Einmal ganz abgesehen davon, dass ihm der Landratspräsident noch übers Maul fahren musste, hatte er nicht den Hauch einer Chance.

Seilbahn Vorab und Golfplatz Orenplatte

Weitgehend identisch, wenn auch moderater, verliefen die Diskussionen zum Kapitel Tourismus. Müller Wahl bezog sich wieder auf einen Artikel der Südostschweiz, welcher die von Reto Gurtner aus Laax vorgebrachte Idee aufgenommen hatte, und mahnte den Mehrverkehr an, den das bringe. Sie beantrage die Rückweisung der Ausgangslage. Kommissionspräsident Staub mahnte noch einmal: «Beachten Sie die Flughöhe, wir nehmen das auf im Sinne einer Vororientierung. Für mich ist dieser Antrag wie ein Denkverbot – wenn man nicht über sowas diskutieren darf, habe ich Mühe.» Der Rückweisungsantrag Müller Wahl unterlag ebenso wie die drei Anträge von Regula Keller, welche u.a. das Projekt Orenplatte Golf zurückgestuft haben wollte, vom Zwischenergebnis auf Stufe Vororientierung. Hansjörg Marti verlangte Ablehnung des Antrags: «Es stimmt, dass es keine definitiven Pläne gibt, doch es gibt Studien zum Projekt Orenplatte. Es gibt Bahnprojekte und Projekte zur Verbindung zum Dorf Braunwald. Der erste Teil der Hausaufgaben ist also schon gemacht, lassen Sie auch den zweiten Teil machen.» Nachdem alle Anträge unterlegen waren, wurde noch der Begriff «Interessenz» geklärt, von Kaspar Becker persönlich – es sind die Interessenten.

Nach der Pause Postulate

Die Motion Pascal Vuichard, Mollis, und Unterzeichnende «Impfen in der Apotheke vereinfachen» wurde vom Rat als Postulat an den Regierungsrat überweisen. Andrea Bernhard nahm namens des inzwischen nicht mehr im Landrat aktiven Motionärs Stellung: «Wir sind gespannt auf die Resultate der 2020 beschlossenen Massnahmen.» Bedeutend grösser war der Widerstand von Postulant Fridolin Luchsinger gegen die Abschreibung seines Postulates «Ergänzung der kantonalen Integrationskommission». Die von ihm geforderte Kommission solle die Zusammenarbeit von Gemeinde, Kanton, Berufsschulen und Arbeitgebern bei der Integration sicherstellen. In den ersten zwei Jahren, nachdem ein Asylbewerber hier sei, geschehe zu wenig, so Luchsinger am Beispiel eines Maurerlehrlings. Dieser müsse dann gleichzeitig in die Lehre und Deutsch lernen. Hans Jenny ersuchte den Rat namens der FDP, die Abschreibung als erledigt zu betrachten. Er habe selber einen Lernenden in einer Integrationsvorlehre in der Backstube. «Die INVOL-Lehre hat schweizweit Vorzeigecharakter. Im Kanton Glarus gibt es die kurzen Wege. Eine aufgeblähte Kommission hat hier keine Wirkung. Es gibt schon breit aufgestellte Kommissionen, die sich dem Thema Integration aufnehmen. Wichtig ist die Kommunikation nach innen und aussen – eine weitere Kommission macht die Wege länger und schafft Doppelspurigkeiten.» Sabine Steinmann unterstützte Fridolin Luchsinger, gab aber zu: «Es sind Vorschläge auf hohem Niveau, die wir dem Regierungsrat mitgeben wollen – denn wir sind schweizweit Vorreiter.»

Chance im Gastland

Landesstatthalter Benjamin Mühlemann beantragte ebenfalls Abschreibung. «Der Auftrag des Postulates ist erfüllt, wir berichten ausführlich. Der Kanton reagierte 2015 schnell auf die Flüchlingswelle mit dem Berufseinführungsprogramm BEP. Das geriet, weil die Verantwortlichen pragmatisch zusammensassen. Die Berufsschule Ziegelbrücke konnte praktisch aus dem Stand ein Integrationsprogramm auf die Beine stellen. Und es gelang dank dem guten Netz mit Arbeitgebern. Die meisten Kantone liegen meilenweit von den Bundeszielen weg, Glarus hat die Nase vorn mit 60% Erwerbsquote. Ja der Bund übernahm die INVOL ein Stück weit vom Kanton Glarus. Jedem und jeder wird damit praktisch ein massgeschneidertes Arbeitsintegrationsprogramm angeboten. Leider gelingt das nicht immer – doch wenn man solche Chancen im Gastland angeboten bekommt, soll man sie auch ergreifen.» Dann wurde das Postulat mit 31:22 Stimmen als erfüllt abgeschrieben.

Dann ging es glatt

Das Postulat Fridolin Staub «Prüfung von im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeiten bei Baugesuchen» wurde darauf überwiesen. Bruno Gallati mahnte an, dass der Regierungsrat auch kommunale Bauämter und Behörden einbeziehen solle. Auch das Postulat BDP/GLP-Fraktion «Mehr Solarstrom im Winter», welches, so Mathias Vögeli, im Rahmen der Energiestrategie 2050 die Produktion von Winterstrom vorantreiben will und zwar im Gebirge dort, wo bereits Infrastrukturen wie etwa Bergbahnen vorhanden sind, wurde überwiesen. Es folgten kurze Erklärungen zu den Interpellationen von Priska Müller Wahl «Welche Massnahmen folgen auf die Frauenstreik-Petition?», zur Interpellation BDP/GLP-Fraktion «Was ist aus dem Energy Valley Glarnerland geworden?» und zur Interpellation Vreni Reithebuch, Linthal «Harmonisierung Steuerfuss Budget / Jahresabschluss». Priska Müller Wahl stellte fest: «Die Petition der 800 Unterzeichnerinnen für mehr Gleichstellung hat etwas bewegt und sie soll etwas bewegen.» Sie habe gehört, dass es in der Gleichstellungskommission jetzt zügig vorangehe. «Wir sind gespannt auf die Resultate.» Kritischer fiel das Votum von Franz Landolt zum Stand des Energy Valley Glarnerland aus, und dies obwohl Regierungsrat Kaspar Becker im Vorfeld hatte ankündigen können, dass die Gemeinde Glarus hier sehr aktiv unterwegs sei und es bereits auf 2020 klappen könnte. Landolt dagegen stellte fest: «Der von der Landsgemeinde geforderte Energierichtplan ist noch von keiner Gemeinde hier. Ja mehr noch: Heute haben wir keine einzige Energiegemeinde mehr – das ist ein Rückschritt.» Vreni Reithebuch machte es noch knapper: «Wir erlauben uns, unser Anliegen zur Harmonisierung als Postulat oder als Motion einzureichen.» Die Sitzung konnte um 10.55 Uhr geschlossen werden.

Die nächste findet am Mittwoch, 18. November, statt.