Volksrechte wahrnehmen

Vor seinem Jahresend-Apéro mit musikalischem Zwischenspiel diskutierte der Landrat intensiv, wie man die politische Partizipation fördern solle. Ein Teil des Volks stand vor der Sitzung vor dem Rathaus und verlangte mit dem Megafon «Umverkehr jetzt!» Ein bisschen paradox war das schon, aber nicht ungeheuer.



Am Schluss folgte die musikalische Überraschung unter der Leitung von Landrat Andreas Luchsinger – ein Klarinettenseptett aus Andreas Luchsinger, Albert Heer, Barbara ­Rhyner, Marianne Lienhard, Markus Grossenbacher, Yvonne Carrara und Hans-Ruedi Forrer (Bilder: e.huber)
Am Schluss folgte die musikalische Überraschung unter der Leitung von Landrat Andreas Luchsinger – ein Klarinettenseptett aus Andreas Luchsinger, Albert Heer, Barbara ­Rhyner, Marianne Lienhard, Markus Grossenbacher, Yvonne Carrara und Hans-Ruedi Forrer (Bilder: e.huber)

Hans Schubiger, Urs Sigrist, Heinrich Schmid und Rolf Blumer sind an dieser Sitzung entschuldigt. Danach geht es sogleich zum Memorialsantrag über den Grundsatzentscheid, wie man die Gemeindeautonomie stärken solle. Dazu gehen die Ansichten auseinander – denn es wurden dazu zwei abweichende Memorialsanträge eingereicht. Der Regierungsrat nahm – so Kommissionspräsident Roger Schneider – die Anliegen beider Anträge in seine Vorlage auf. «Die Kommission begrüsste», so Schneider, «dass der Regierungsrat damit Flagge zeigt.» Das Modell «Gemeindeparlament» wurde so angepasst, dass ein Parlament und eine Gemeindeversammlung möglich sind. Urnenabstimmungen dagegen lehnt der Vorschlag ab. In einer allgemeinen Anregung brauche es zudem – im Gegensatz zum SP-Antrag – nicht zwingend vorgeschrieben ein Parlament. Dem Vorschlag Ruedi Schwitter folge der Regierungsrat weitgehend, er wolle aber engere Leitplanken für die Gemeinden. Die Ablehnung beider Memorialsanträge mache den Weg frei für eine Lösung, welche der Landsgemeinde 2024 vorgelegt werden könne. Fritz Waldvogel empfiehlt namens der Mitte/glp-Fraktion, dem Antrag von Kommission und Regierungsrat zu folgen. «Wir müssen es schaffen, dass die Stimmbürger/-innen wieder mitmachen.» Dazu brauche es ein neues Gemeindegesetz, welche sie dazu motiviere. Dasselbe beantragt Yvonne Carrara namens der SVP. Das Thema Partizipation sei ja Teil der Legislaturplanung. Die Urnenabstimmung schwäche die Partizipation, deshalb sei die vorgeschlagene Regierungsratsvariante die richtige Lösung.

Parlament ist nötig

Christian Büttiker zeigt sich namens der SP vom Vorgehen des Regierungsrates überrascht. Insbesondere seien die Anträge – als allgemeine Anregungen – nicht verzögernd gewesen für die Überarbeitung der Gemeindegesetze. Büttiker unterstreicht die Bedeutung von Gemeindeparlamenten. Es brauche auf der kantonalen Ebene eine ausgewogene Lösung, das zeigten die Erfahrungen mit dem Gemeindeparlament Nord. Die SP werde für ihren Antrag kämpfen, da die Parlamente in der regierungsrätlichen Vorlage nicht vorgeschrieben werden sollen. Denn nur mit einem Parlament könne die Verantwortung nicht mehr zwischen Verwaltung und Gemeinderat hin und her geschoben werden. Ruedi Schwitter beantragt, an seinem Antrag festzuhalten und ihn an die Landsgemeinde 2023 zu überweisen. Es gebe gute Gründe dafür: Er sei offen formuliert, sodass er als allgemeine Anregung durchgehe, gebe aber die Stossrichtung vor. Verwaltung und Regierungsrat hätten den Antrag nicht im Sinne der Antragsteller interpretiert – hier brauche es in Zukunft vorher Gespräche mit den Antragstellern. Zudem habe der Regierungsrat bereits eine inhaltliche Diskussion, ohne den Landrat, geführt. Deshalb befürchte er, dass die Erarbeitung nicht mehr ergebnisoffen sei. Zwar sei die Sympathie seitens der Regierung gut, aber es fehle manchmal der Mut, nach zwölf Jahren etwas anzupassen und Gemeindeversammlungen mit zwei bis drei Prozent Beteiligungen zu hinterfragen. Dann legt er die Idee des Antrags noch einmal dar. Es brauche Rahmenbedingungen, die den Gemeinden Varianten ermöglichen. Sei dies mit einer Gemeindeversammlung oder mit Parlament plus Gemeindeversammlung oder Parlament plus Urnenabstimmung. So könne die Gemeinde selbst wählen, welches Modell sie wolle. Christian Marti stellt sich namens der FDP-Fraktion hinter den Weg der Kommission. Das Gemeindegesetz stamme von 1992, sei also vor der Fusion geschrieben worden. Schon bei der Fusion sei eine Überarbeitung des Gesetzes als nötig erkannt worden. Der Weg brauche aber Zeit und sei jetzt in der neuen Legislatur vorgesehen. Da gelte es, am Ball zu bleiben. Priska Müller Wahl ist der Ansicht, es gehe darum, jetzt diese zwei. Anträge zu diskutieren. Die Regierung habe nicht aufgezeigt, was diese Grundsatzentscheide aus kantonaler Sicht bedeuteten. Das Problem sei die Partizipation an der Gemeindeversammlung. Sie erwarte Transparenz bei der vorgeschlagenen Parlamentslösung.

Licht in die Verflechtungen

Nachdem alle Parteien gesprochen haben, beantragt Regierungsrätin Marianne Lienhard die Ablehnung beider Anträge. Man sei diesen Anträgen mit grossem Respekt begegnet und habe in der Stossrichtung, welche der Regierungsrat sehe, Elemente der Anträge übernommen. Die Notwendigkeit des Parlaments (SP-Antrag) sehe man auch, wolle der Gemeinde hier aber Handlungsspielraum geben. Diese Wahlfreiheit habe man dem Antrag Schwitter entnommen, aber im Gegensatz zu diesem wolle man kantonal einen engeren Rahmen setzen. Man müsse diese Anträge dem Volk vorlegen, doch die Verarbeitung durch die Verwaltung brauche Zeit, was nicht verkürzt werden könne. Der Entscheid der Gemeinde Nord, 2016 die Parlamente abzuschaffen, habe vieles infrage gestellt. Jetzt aber könne man dieses Gemeindegesetz in Angriff nehmen. Wegen des Termins sei es ihre Pflicht, darauf hinzuweisen, dass es Zeit brauche – also wohl bis 2025. «Das Gemeindegesetz hat eine umfassende Revision verdient. Der Regierungsrat favorisiert ein Parlament und ist urnenkritisch.» Das Element Urne könne bei der Revision aber hinterfragt werden, ebenso das Element Referendum. Er habe das Gefühl, Lienhard versuche sich aus der Verantwortung zu stehlen, sagt der Kommissionspräsident Roger Schneider. Die Urne sei – in Sachen Partizipation – wichtig. In der Detailberatung regt Priska Müller Wahl an, neben dem Glarner Modell auch die Urne für die Gemeinde zu prüfen. Bei einem Gesetz sei es ein Mehrwert, wenn Bürger Anträge stellen können – aber Ja/Nein-Entscheide, welche in der Gemeinde mehrheitlich anstehen, sei die Urne auch zu prüfen. Laut Thomas Tschudi ist der Hund bei der langen Dauer der Versammlungen begraben. Nur Relevantes und Interessantes gehöre an die Versammlung, der Rest könne vorberaten und einem Referendum unterstellt werden. Er beantrage zudem, den Memorialsantrag Schwitter zu unterstützen. Der Antrag Schwitter wird mit 38:14 Stimmen der Landsgemeinde zur Ablehnung unterbreitet, jener der SP mit 39:15 Stimmen.

Tourismusentwicklung sichern

In der zweiten Stunde diskutiert der Landrat in erster Lesung über das Tourismusentwicklungsgesetz. Gemeinde und Kanton leisten 750 000 Franken an die kantonale Vermarktungsorganisation Visit Glarnerland (Visit), da hier 2018 wegen der engen Vorgaben kein Wettbewerb geherrscht habe. Marktbearbeitung sei aber Gemeindeaufgabe, nicht jene des Kantons. Deshalb schlage man nun den Wechsel zum Gesuchsverfahren vor. Das erhöhe die Rechtssicherheit für Visit. Sei der Auftrag erfüllt und die Ziele erreicht, könne sie auch mit der Verlängerung des Auftrags rechnen. Es solle aber keine Monopolstellung für Visit zementiert werden. Das werde durch den Ausschuss von Gemeinden und Kanton erreicht – es gelte aber immer kritisch-konstruktiv zu hinterfragen. Er danke Visit für den bisher guten Job. Marketing allein reiche nicht, es brauche auch engagierte Produktanbieter dazu. Namens der SVP-Fraktion plädiert Matthias Schnyder für Eintreten und die Weiterführung der Vorlage. Er wünsche sich persönlich, dass die Nachhaltigkeit beim Preis nicht aufhöre. Samuel Zingg beantragt namens SP-Fraktion Eintreten und Zustimmung. Wie bei «Täglich grüsst das Murmeltier» erwarte er transparente Zahlen jeweils auf den Entscheid zum Verpflichtungskredit hin.

Auch Regierungsrätin Marianne Lienhard beantragt das. Das vorgeschlagene Gesuchsverfahren für Leistungsvereinbarungen verbessere das Gesetz. Die Tourismuswirtschaft müsste hinter den beantragenden Organisationen stehen, den Vier-Jahres-Rhythmus gelte es beizubehalten – das erlaube das nötige Controlling, auch dem Landrat. Visit habe viel erreicht und mache einen guten Job. Es sei eine gute Dynamik angestossen worden, darauf gelte es aufzubauen. Bereits nach 12 Minuten ist die Detailberatung dazu beendet und bereit für die 2. Lesung.

Mehr Klimaschutz im Strassenverkehr, aber wie?

Kommissionspräsident Fridolin Staub erläutert, weshalb die Kommission beantragt, einzutreten und rückzuweisen. Es fehle in der regierungsrätlichen Vorlage die angemessene Bemessung für sämtliche Antriebe, es fehlten verursachergerechte Steuern und man müsse die Vor- und Nachteile bei der Saldoneutralität aufzeigen – das heisst, es brauche eine ganzheitliche Betrachtung. Adrian Hager beantragt namens der SVP-Fraktion ebenfalls Eintreten und Rückweisung. Ebenso Mathias Vögeli namens der Mitte/glp-Fraktion. E-Fahrzeuge müssten auch Steuern zahlen, da sie die Strassen auch nutzen. Mathias Zopfi unterstützt namens der Grünen/Jungen Grünen Eintreten, Rückweisung und Abschreibung des Postulats der Grünen. Die Mobilität müsse grundlegend verändert werden, die Vorlage sei aus heutiger Sicht veraltet. Da bald 20 Prozent Elektrofahrzeuge eingelöst seien, die keinen Hubraum haben, so brauche es neue Bemessungsgrundlagen. Auch die seien zu besteuern, da sie ja auch Energie verbrauchen – es mache einen Unterschied, ob man mit 80 oder 450 PS fahre und es müsste die Laufzeit eines Fahrzeugs berücksichtigt werden. Der Kanton solle aber – über den Energiefonds – fossilfreie Mobilität unterstützen. Auch Christian Marti beantragt namens der FDP dasselbe. Es gelte, «das Navi upzudaten und dann direkt zum Ziel zu fahren». Regierungsrat Andrea Bettiga dankt Staub und Marti – der Anlass für die Vorlage sei ein Auftrag des Landrats gewesen. Aber er beantrage, der Kommission zu folgen. Und so wird die Vorlage zurückgewiesen.

Locker in die zweite Hälfte

Die Pause hatte die Gemüter wohl auch hinsichtlich des bald folgenden Apéros gelockert. Dann bat Kommissionspräsident Samuel Zingg, auf die Änderung zum Gesetz zur Beurkundung und Beglaubigung nicht einzutreten. Der Zwischenschritt, der hier vorgesehen sei, sei zu klein, um es der Landsgemeinde zu unterbreiten, und er sei teuer. Man könne aufs Schweizer Parlament warten, das hier einen substanziellen Schritt plane. Frederick Hefti unterstreicht dies namens der Grünen. Es finde durch die Digitalisierung der Unterschrift kein Primatwechsel von Papier zu digital statt. Toni Gisler dagegen beantragt namens der SVP Eintreten, aber dann der Kommission zu folgen. Man setze sonst die Regierung unter Druck, wolle aber hier nicht eintreten, was wenig verständlich sei. Die Kommunikation mit den Behörden müsse einfacher werden. Es gelte, hier für die Notare etwas zu tun. Hans-Jörg Marti stellt den Antrag auf Nicht-Eintreten. Digitalisierung bedeute Vereinfachung – das hier aber bringe nicht einen Vorteil, also solle man die Landsgemeinde damit nicht bemühen. Mathias Zopfi weist darauf hin, dass der betreffende Artikel 55a sowieso aufgehoben werde. Thomas Tschudi bricht eine Lanze für das, was die Verwaltung hier mache. Regierungsrätin Marianne Lienhard dankt der – da müsse sie nachschauen – der Kommission Recht, Sicherheit und Justiz. «Digitalisierung ist ein Megatrend und auch in der Verwaltung sehr ernst zu nehmen.» Dann zitiert sie Ruedi Schwitters Kolumne zum Thema. Es brauche halt Gesetzesänderungen, um mit der Digitalisierung weiterzumachen. Man sei in Anwaltskreisen sehr offen dafür. «Machen Sie einen kleinen Schritt in die richtige Richtung.» Thomas Tschudi weist auf einen Satz im Bericht hin: «Die Teilnehmenden begrüssen die Einführung der elektronischen Beurkundungsmöglichkeit ausnahmslos.» Trotzdem wird mit 32 gegen 19 Stimmen nicht auf die Vorlage eingetreten.

Und noch die Deponien

Es gehe – so Kommissionspräsidentin Cinia Schriber – um die Nachsorge bei Deponien auf der Grundlage des eidg. Umweltschutzgesetzes. Der Artikel 35a wolle eine Abgabe erheben für diese Nachsorge. Dies sei kontrovers diskutiert worden, die Mehrheit der Kommission sehe darin die Möglichkeit, das Verursacherprinzip umzusetzen. Deshalb beantrage sie Eintreten und Zustimmung, ebenso wie Cyrill Schwitter namens der Mitte/glp-Fraktion. Sonst bestehe die Gefahr, dass am Schluss die Allgemeinheit das bezahlen müsse. Sabine Steinmann verlangt dies namens der SP ebenfalls. Es werde so Geld für die Nachsorge zurückgelegt. Auch Landesstatthalter Kaspar Becker beantragt dies. Die Lösung hier schaffe Einheitlichkeit und minimiere das Risiko, dass die Allgemeinheit die Nachsorge tragen müsse. Eintreten war also unbestritten. Ohne Wortmeldung geht das Geschäft nachher in die 2. Lesung.

Interpellation Baubewilligungsstau

Hans Jenny bedankt sich namens der Interpellanten und nimmt gerne zur Kenntnis, dass der Bewilligungsstau kurzfristig in Angriff genommen werde – derzeit ohne politischen Druck. Jenny kritisiert aber, dass man die Probleme mit einer Analyse in den Griff bekommen wolle. Das habe der Kanton Thurgau auch versucht, was aber nicht «der grosse Hebel» geworden sei.

Interpellation Digitale Steuererklärung

Albert Heer bedankt sich für die ausführliche Antwort. Es werde aber teurer und brauche mehr Zeit, weil man ja die Dokumente einscannen müsse. Auch die Durchlässigkeit sei damit nicht beschleunigt worden.

Nutzungsplanung Glarus Süd

Auch Toni Gisler ergreift kurz das Wort und hält aus Sicht von Glarus Süd fest, dass hier bereits 50 Hektar Bauland ausgezont worden seien. Als Bürger erhoffe er sich aber, dass man Glarus Süd hier auch den nötigen Spielraum lasse.

Die nächste Sitzung findet voraussichtlich am 25. Januar 2023 statt. Landratspräsident Luca Rimini wünscht allen eine gute Weihnachtszeit. Es gelte für die Zukunft gemeinsame Lösungen im Blick zu behalten. Dann folgt die musikalische Überraschung unter der Leitung von Landrat Andreas Luchsinger – ein Klarinettenseptett aus Andreas Luchsinger, Albert Heer, Barbara Rhyner, Marianne Lienhard, Markus Grossenbacher, Yvonne Carrara und Hans-Ruedi Forrer spielt «We Wish You a Merry Christmas», «Rudolph, the Red Nosed Reindeer», das schwedische Weihnachtslied «A Star is Shining Tonight» und träumten zum Schluss – ganz im Sinne des kantonalen Tourismus – von weissen Weihnachten (White Christmas). Sie gaben damit dem Glarner Polit-Jahr einen besinnlichen und harmonischen Abschluss, denn tatsächlich sind alle sieben ausgezeichnete Instrumentalistinnen und Instrumentalisten. Das bezeugte auch der abschliessende Applaus.