Speditiv hoch zügig

In seiner letzten Sitzung vor den Winterferien im «Schützenhaus» Glarus, unter Coronabedingungen modisch maskiert, gab der Landrat unter der Führung von Hans-Ruedi Forrer richtig Gas. Eine Reihe von Landräten – darunter die Bundesparlamentarier – hatte sich entschuldigen müssen.



Speditiv hoch zügig

Die ersten drei Minuten waren der zweiten Lesung des Gesetzes über den Zivilschutz und der Änderung der Verordnung zum Steuergesetz gewidmet. Das Gesetz tritt sofort in Kraft und wurde inklusive Abstimmung in zwei Minuten zuhanden der Landsgemeinde verabschiedet. Auch die Verordnung zum Steuergesetz wurde ohne Worte verabschiedet.

Der Teufel liegt in der Umsetzung

Das erste Mal geredet, wenn auch noch nicht debattiert, wurde zum Memorialsantrag von Junge Grünen und Grünen des Kantons Glarus, der mindestens acht «Slow Sundays im Klöntal» einführen will. Die rechtliche Zulässigkeit war nicht bestritten, mit 33 Stimmen wurde der Antrag auch für erheblich erklärt. Wie Stefan Muggli,  namens der FDP-Fraktion, festhielt, könne es mit Blick auf Umsetzung so herauskommen, dass das gut kommuniziert und organisiert werde. «Aber es kann auch so herauskommen, dass an einem Schönwetter-Slow-Sunday Autos auf eine Strassensperre stossen und die Restaurants im Klöntal leerbleiben.» Muggli ist der Überzeugung, dass vier anstelle von acht Slow-Sundays reichen und dass die Antragsteller auch für eine gute Umsetzung mit dabei sein müssten. Dies stellte Regula Keller in Aussicht. «Bei den Jungen Grünen arbeiten Gruppen daran, das Klöntal auf neue Weise erfahrbar zu machen.» Ruedi Tschudi war ebenfalls der Meinung, vier Sonntage müssten reichen. Deshalb solle der Regierungsrat einen Gegenvorschlag in diesem Sinne ausarbeiten. Insbesondere auch in Absprache mit der Gemeinde, denn «Notsperrungen der Strasse sind definitiv keine Lösung und nicht alle Besucher des Klöntals sind naturliebende Sportler im besten Alter.»

Gutes Anliegen, schlechter Lösungsvorschlag

Bereits um 8.15 Uhr kam man zum Memorialsantrag der SP «10 Prozent des verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien sind genug», der die Gesundheitskosten auch für untere Einkommen bezahlbar machen will. Kommissionspräsidentin Yvonne Carrara verwies auf die vielen Zahlen im 27-seitigen Bericht und stellte mit Verweis auf Vorwürfe der Medien fest: «Obwohl der Bericht der Kommission drei Seiten hat, wurde gut gearbeitet.» Es sei u.a. die wachsende Anzahl von Therapien, welche die Krankenkassen teurer machten. Aber: «Über die ganze Bevölkerung gerechnet ist die Prämienbelastung für die Haushalte bei 7.5%. Die Kosten für Individuelle Prämienverbilligungen (IPV) betragen im Kanton fast 20 Mio. Franken. Das wird – auch ohne den Antrag der SP – steigen.» Es müsse, so Carrara, die Gegenfinanzierung aufgezeigt werden – es werde also entweder Steuererhöhungen oder Kostensenkungen geben. «Es macht aus gesundheitspolitischer Sicht keinen Sinn, über die Steuern die Prämien zu finanzieren.» Deshalb sehe die Kommission die Senkung der Kosten als Ansatzpunkt und beantrage zusammen mit Regierung, diesen Antrag der Landsgemeinde zur Ablehnung zu unterbreiten. Carrara dankte Regierungsrat Rolf Widmer für die sehr gute Zusammenarbeit, dies sei wohl die letzte Vorlage, die man zusammen erarbeite. Bis auf die SP, welche den Antrag gestellt hatte, setzten sich die Fraktionen mehrheitlich für die Ablehnung ein. So sagte Andrea Trummer namens der CVP, grundsätzlich sei die Idee der Entlastung unterstützenswert. «Doch letztlich ist das eine reine Umverteilung der Kosten, ja, es könnte sogar sein, dass dadurch tiefere Einkommen – über höhere Steuern – sogar stärker belastet werden.» Franz Landolt sagte namens der GLP/BDP-Fraktion: «Der Antrag zeigt ein vorhandenes Problem auf, ist aber der falsche Weg gegen die steigenden Gesundheitskosten.» Auch Hans-Jörg Marti beantragte namens der FDP-Fraktion Ablehnung. «Dieser Antrag aber ist eine sozialpolitische Fehlkonstruktion.»

Diskussion an der Landsgemeinde führen

Christian Büttiker bedankte sich namens der SP bei der Regierung für den Bericht. «Das Thema Krankenkassenprämien beschäftigt die Leute, es ist aber keine Lösung, nichts zu tun.» Die Gesundheitslobby torpediere die Anstrengungen zur Kostensenkung. «Der Antrag wird etwas kosten – die Frage ist einfach, woher das Geld für seine Finanzierung kommt. Wir könnten uns von der politischen Karte streichen, wenn wir schon von Beginn weg die Haltung der Regierung einnehmen würden.» Die Vorlage werde hier als reine Finanzvorlage angeschaut, die sozialen Aspekte zuwenig gewertet. «Im Gesundheitswesen wird sich nicht ändern, solange hier kein Druck aufgebaut wird. Man wird sich gegenseitig die Schuld zuschieben. Wir verzichten hier auf eine Debatte, da diese an der Landsgemeinde geführt wird, wir beantragen aber trotzdem die Zustimmung des Landrates.»

Regierungsrat Rolf Widmer beantragte ebenfalls Ablehnung des Antrags. «Das grundsätzliche Anliegen des Antrags ist – über die gesamte Bevölkerung – schon erfüllt. Im Durchschnitt gibt die Bevölkerung 5 bis 8 Prozent aus.» Es gebe aber, gibt Widmer zu, Gruppen, welche stärker belastet werden. «Mit tiefem Einkommen zahlt man proportional für alles mehr.» Widmer zeigte auf, dass Glarus mit Obwalden, Graubünden und Zug zu jenen Kantonen mit dem wirksamsten Verbilligungsmechanismus gehört. Der Landrat unterbreitet den Memorialsantrag der Landsgemeinde mit grossem Mehr zur Ablehnung.

Neue Stellen, mehr Durchsatz

Im nächsten Traktandum ging es um die Änderung der Verfassung des Kantons Glarus und die Organisation der Gerichte, die in der Kommission unbestritten war. Dazu stiess eigens Obergerichtspräsidentin Dr. Petra Hauser zum Landrat. Kommissionspräsident Bruno Gallati stellte die Vorlage vor. Die Situation bei den Gerichtsverfahren werde zusehends schlechter, deshalb sollen feste Pensen bei den Vizepräsidien geschaffen werden, was eine Totalrevision des Gerichtsorganisationsgesetzes nötig macht und ebenfalls eine Verfassungsänderung und die Anpassung von zehn kantonalen Gesetzen. «Es wird aber am Milizrichtersystem und an den einfachen Strukturen festgehalten.» Mit den geplanten Gesetzesänderungen wolle man mehr Flexibilität schaffen – etwa bei den Präsidien oder bei der Wahl. Gallati verwies auf die Komplexität und die wachsende Zahl der Fälle, die zum Dauerzustand geworden sei.

Roland Goethe plädiert namens der FDP-Fraktion für Eintreten und Zustimmung. «Der steigende Aufwand hat das Glarner Gerichtswesen ans Limit gebracht.» Die Vorgaben des Bundesrechts machten die Verfahren immer aufwändiger. Am Ende brauche es Richterinnen und Richter, eine Gerichtsschreiberjustiz solle, so Goethe, vermieden werden. «Die Teilpensen der Vizepräsidien bringen das.» Emil Küng plädiert namens der SVP ebenso, denn man wolle die gute Qualität der Verfahren, aber auch das Milizrichtersystem beibehalten. Thomas Kistler signalisierte namens der SP Zustimmung. Die Pflästerlipolitik habe nicht mehr gereicht, deshalb wurde diese Vorlage ausgearbeitet. Regierungsrat Andrea Bettiga gab das Wort gleich weiter an Petra Hauser, welche sich für die fruchtbare Zusammenarbeit bedankte. Die Aufstockung in den Präsidien, so Hauser, sei nötig, damit die Verfahren schneller und qualitativ hochstehend behandelt werden könnten. Insbesondere sollten noch flexiblere Strukturen entstehen und das Milizrichtersystem gestärkt werden.

Der Landratspräsident erklärte darauf, die gute Zusammenarbeit der drei Gewalten sei für ihn eine Selbstverständlichkeit und stellte ein hohes Tempo bei der Detailberatung in Aussicht. Man dürfe also ruhig einrufen, wenn man was zu sagen habe. Hatte aber keiner und das Geschäft ging ohne weitere Wortmeldung in die zweite Lesung.

Gesamtbetrachtung nötig

Um 9.10 Uhr – eine halbe Stunde vor der verdienten Pause – begann sich der Rat der Coronavirus-Pandemie zu widmen, indem er den Fonds zur vorübergehenden Unterstützung von Selbstständigerwerbenden zum Spezialfonds für kantonale Härtefallunterstützungen umwidmete. Gleichzeitig griff er tief in den Staatssäckel und äufnete diesen Fonds mit weiteren 1,9 Millionen Franken, so dass nun 4,3 Mio. Franken als A-fonds-perdu-Beiträge für Unternehmen, die wirtschaftlich besonders betroffen sind, bereitstehen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Geschäft unbestritten war, doch legten einige der Rednerinnen den Finger auch auf die sozialen Auswirkungen der Pandemie.

Kommissionspräsident Luca Rimini stellte das Geschäft vor. Die Regierung setze auf A-fonds-perdu-Beiträge. Das habe schon in der Kommission zu Diskussion geführt, doch eine weitere Erhöhung der Schuldenlast für Unternehmen sei nicht zielführend – es brauche echte Hilfe. Samuel Zingg forderte, die Hilfe müsse schnell und ohne administrative Hürden an die Unternehmen gelangen. Andere Härtefälle – eben jene in Familien, bei Einsamkeit oder mehr – müssten ebenfalls unterstützt werden. Toni Gisler beantragte ebenfalls Eintreten und Zustimmung namens der SVP. «Diese Vorlage ist massvoll, denn man orientiert sich an den Massnahmen des Bundes, um anschliessend gleich zu starten. Nicht überladen ist sie, weil sie vorsichtig bleibt, und praxistauglich ist sie, weil die Vorgaben zulassen, dass Härtefälle zeitnah unterstützt werden.» Gabriela Meier Jud beantragte namens der einstimmigen FDP-Fraktion Zustimmung. Man solle jetzt – wie das diese Vorlage tue – schnell, besonnen, kraftvoll und unbürokratisch handeln.

Ein paar Worte zur Krisenbewältigung

Es sollen, so Priska Müller Wahl namens der Grünen, keine Berufsgruppen ausgeschlossen werden. «Fürs schnelle Anpassen ist der Regierungsrat gefragt.» Man hoffe auch auf die Vorlage im Kulturbereich im Januar. Ruedi Schwitter unterstützte namens der BDP/GLP-Fraktion und gab zu bedenken, dass viele Betriebe – etwa Restaurants – nicht nur Umsatzeinbussen hätten, sondern auch einen höheren Aufwand. Deshalb solle das zuständige Departement pragmatisch vorgehen. Frau Landammann Marianne Lienhard dankte und sagte «ein paar Worte zur Krisenbewältigung: Der Kanton hat die Situation immer ernst genommen und die Kommunikation flach gehalten. Jetzt, wo es besorgniserregend ist, haben wir mit der Kommunikation angezogen. Denn was wir kommunizieren, soll für die Bevölkerung immer verständlich bleiben. Die Situation wird sich nicht so schnell ändern, sie ist derzeit besorgniserregend.» Es gehe um die wirtschaftliche Unterstützung auf der Basis des Covid-Gesetzes, das bereits wieder angepasst wurde. Grundsätzlich wäre zwar die Landsgemeinde zuständig, so Lienhard, «doch dafür fehlt uns die Zeit. Deshalb treten wir vor Sie, die Landrätinnen und Landräte.» Lienhard verweist auf die Effektivität der Kurzarbeitsentschädigungen für Industrie und Gewerbe, damit die Unternehmen möglichst auf Entlassungen verzichteten. Auch das Sozialwesen sei bereits in der 1. Welle aktiv geworden, «denn es gibt Menschen im System, welche durch alle Maschen fallen. Derzeit ist alles wirklich sehr dynamisch.» Es brauche, so die Frau Landammann, eine Gesamtabwägung, um das Gesundheitswesen nicht zu überlasten, aber auch wirtschaftlich tragbare Massnahmen zu beschliessen. Danach wurde der Fonds ohne Wortmeldungen umgewidmet und mit 1,9 Millionen Franken aus den Steuerreserve zusätzlich erhöht.

Emotionen

Da derzeit die Entwicklung wegen der Pandemie unsicher ist, möchte der Regierungsrat die Inkrafttretenszeitpunkte für Gesetze in eigener Kompetenz flexibel festsetzen können, damit nicht – bei einer Verschiebung der Landsgemeinde – die Vorlagen angepasst werden müssen. Das gewährte der Landrat ohne Wortmeldung. Danach ging es um das grüne Postulat «Klimaschutz bei den Motorfahrzeugsteuern». Regierungsrat Andrea Bettiga präsentierte das griffige Glarner System mit der Rückerstattung an die Bevölkerung. Karl Stadler bedankte sich namens der Grünen für die Beantwortung, beantragte aber, dass auch die Höhe und die Bemessung der Motorfahrzeug-Steuern angeschaut werden müsse. Susanne Elmer Feuz forderte namens der FDP-Fraktion Unterstützung beider Anträge des Regierungsrates. Sabine Steinmann unterstützte namens der SP-Fraktion die Grünen, doch Grüne und SP unterlagen mit ihrem Antrag, beide Teile zu überweisen. Der Regierungsrat wird also sinnvolle Möglichkeiten zur Rückerstattung eines Malus-Überschusses an die Bevölkerung prüfen.

Zur dringlichen Interpellation SP-Fraktion zum generellen Besuchsverbot der Alters- und Pflegeheime in der Phase Rot des COVID-19-Rebound-Konzepts ergänzte Regierungsrat Rolf Widmer, das derzeitige Besuchsverbot im Alterszentrum Schwanden sei von den Leuten vor Ort verlangt worden – das sei kein politischer Entscheid gewesen. Obwohl alle Pflegenden sich geschützt hätten, hätten sich 46 Personen angesteckt. Er bedankte sich bei allen Freiwilligen, welche sich dort zur Entlastung einsetzen. Sabine Steinmann äusserte sich zum derzeit wieder aktuellen Besuchsverbot. Es gehe um Besuchsmöglichkeiten für die nächsten Bezugspersonen, welche sich auf der Palliativstation von ihren Angehörigen verabschieden möchten. «Heute hören Sie meinen Frust über den Zustand in der Pflege, die derzeit alles gibt. Weshalb lässt die Entlastung so lange auf sich warten?» Steinmann bat darauf, in einem eindringlichen Appell namens Spital und Heimen, die gesamte Bevölkerung zur Einhaltung der Coronaregeln. «Eine humanitäre Krise fordert die Gesellschaft als Ganzes.» Deshalb brauche es jetzt auch Geld für die Ausbildung des Personals: «Klatschen reicht nicht.»

Zur Interpellation der SVP-Fraktion «Kosten Sanierung Landratssaal» und mit Blick auf den vorausgegangenen Appell räumte Thomas Tschudi ein: «Hier geht es um Geld und nicht um Menschenleben.» Doch es gehe – bei solchen Geschäften – darum, dass der Landrat insbesondere bei Dingen, welche bloss nice to have seien, wie etwa Kameraeinrichtungen, in Zukunft im Vorfeld eine Kosten-/Nutzen-Aufstellung bekomme. «Wenn es in Zukunft um ein Goodie geht, müssen wir die realen Zahlen haben.» Danach verabschiedete der Landratspräsident Steve Nann und dankte ihm für sein langjähriges Mitwirken. Die nächste Sitzung voraussichtlich ist am Mittwoch, 27. Januar 2021.