Sein letztes Läuten

Das Präsidialjahr von Hans Rudolf Forrer war so gar nicht nach Plan abgelaufen. Fast alle Repräsentationspflichten waren weggefallen, der Landratssaal war auch nicht bezugsbereit – und doch schliesst heute ein aussergewöhnliches Landratsjahr. Wie es weitergeht? Hans-Jörg Marti hat die Glocke aufgenommen und seine erste Sitzung geleitet.



Sein letztes Läuten

Natürlich waren auch heute alle im Saal gut angezogen, vielleicht sogar ein bisschen besser. Die Krawatten waren akkurater gebunden, die Absätze der Schuhe einen Zentimeter höher, Frau trug Jupe, Rock oder elegante Hose und bei der einen oder anderen war die gute Handtasche mitgekommen, schliesslich sollte es abends an die Präsidentenfeier gehen.

Dann, wie immer Punkt 08.00 Uhr, nahm der Landratspräsident die Glocke in die Hand – ein letztes Mal – und das Gemurmel im Saal legte sich. Vreni Reithebuch stellte den Antrag, Traktandum 11 zu streichen, da hier die Vernehmlassung laufe und die SVP bei der Festsetzung des Steuerfusses einen Systemwechsel wolle. Allerdings unterlag der Antrag mit 31:19 Stimmen. Schliesslich kam man dann gar nicht bis zu diesem Traktandum, da die Sitzung wegen der vorgerückten Zeit und der anstehenden Fraktionsausflüge nach Traktandum 9 beendet wurde.

Wahlprozedere wie gehabt

Der Landratspräsident hält seine Abschiedsrede. Danach wird Hans-Jörg Marti mit 52 Stimmen zum neuen Landratspräsidenten gewählt, Forrer und Marti geben sich einen kurzen Ellbogenbump und Hans-Jörg Marti setzt die Brille auf. Nach seiner Antrittsrede wird Luca Rimini mit 54 Stimmen zum Landratsvizepräsident gewählt. Die verbleibenden Büromitglieder Regula Keller, Daniela Bösch und Emil Küng werden in Globo und ohne Gegenstimmen wiedergewählt. Als neues Mitglied kommt Samuel Zingg mit 49 Stimmen ins Büro. Natürlich wird in den langen Auszählpausen taktiert, Fotografen führen kurze Gespräche mit Land- und Regierungsräten, Frau Landammann ist ganz versunken in ihre Arbeit. Der Pegel der Gespräche schwillt an. Für den Rest der Amtszeit bis 2022 wird Madeleine Wallner mit 57 Stimmen als Nachfolgerin für Vreni Hürlimann als Staats- und Jugendanwältin gewählt.

Zur Sache, Räte!

Danach kam Heiri Höslis Memorialsantrag zur gerechten Verteilung des Pachtlandes aufs Tapet – allein die Prüfung der Zulässigkeit seiner wenigen handschriftlichen Zeilen umfasste ein Mehrfaches an Wortmaterial. Der Antrag fand dann aber mit 4 Stimmen die 10 Stimmen für Erheblichkeit nicht und kommt im «Beiwagen» an die Landsgemeinde. Bei der Diskussion der Landsgemeindegeschäfte 2022 sprach Ann-Kristin Peterson über die Konfliktlinien des Wassergesetzes und fragte, wann dieses Gesetz vor die Landsgemeinde komme. «Anfang der nächsten Legislatur», so Baudirektor Kaspar Becker.

Fragerunde intensiv

Von den Geschäftsberichten der Glarner Kantonalbank und der Kantonsspital Glarus AG nahm der Rat Kenntnis. Verwaltungsratspräsident Martin Leutenegger beantwortete eine Frage von Beat Noser, warum die Bank in der Statistik zur Effizienz in den hinteren Rängen geblieben sei. Leutenegger gab zu, man habe da eine Benchmark und sei beim Gewinn pro Mitarbeitenden nicht in der vorderen Hälfte. «Wir haben als eine der wenigen Kantonalbanken eine Wachstumsstrategie, da braucht es die entsprechenden Leute.» Leutenegger nannte die Verwaltung der Versicherungsgeschäfte der Schweizerischen Mobiliar. Im Vergleich sei bei der Bank aber die Effizienz der Eigenmittel hoch, da sei man im vorderen Drittel. Fast eine halbe Stunde dagegen dauerte das Interview von Sabine Steinmann und Regula Keller mit Markus Hauser, dem scheidenden CEO der Kantonsspital Glarus AG (KSGL). Von der psychischen Gesundheit über den Verbleib der Coronavirus-Fälle in der Statistik bis zur Qualitätssicherung reichten die Fragen der beiden Frauen, welche sich um das Gesundheitswesen verdient machen wollten. Hauser entschuldigte zuerst die Abwesenheit des Verwaltungsratspräsidenten und seiner Vizepräsidentin beim Rat, da Peter Rothlin eigentlich Auskünfte vom Verwaltungsrat erwartet hatte. Arnold Bachmann und Susanne Jenny seien am Strategiemeeting im Kantonsspital Graubünden (KSGR), an dem die Kooperation KSGL / KSGR traktandiert sei. Da Steinmann ihm die Fragen bereits vorgängig zugestellt hatte, konnte Hauser die Fragen zur Zufriedenheit beantworten. Es sei ein finanziell und emotional schwieriges Jahr mit grossen Herausforderungen gewesen. Dass man 2020 in der ambulanten Psychiatrie von Kindern und Jugendlichen einen Rückgang der Behandlungen von 10 Prozent feststellte, hänge mit dem Bundesratsbeschluss im März 2020 zusammen, nur noch Notfälle behandeln. So durften Einzel- und Gruppentherapien sowie Elternberatungen nicht mehr durchgeführt werden, der Grossteil der ambulanten Taxpunkte sei weggefallen. «Zudem war die Bevölkerung sehr zurückhaltend und mied das Spital aus Angst, sich mit dem Coronavirus anzustecken. Doch im ersten Quartal 2021 nahmen die Notfälle zu, man stellte vermehrt psychische Probleme von Jugendlichen fest.»

Corona meist nicht Hauptdiagnose

«Die Kommunikation von Coronavirus-Fällen ist insofern problematisch, da Personen mit Corona meist wegen einer anderen Diagnose eingeliefert werden», so Hauser. Deshalb würden diese Patienten auch in der Statistik nicht abgebildet. «In Sachen Schutzmaterialien haben wir viel gelernt. Der Sollbestand wurde hochgefahren, es gibt einen monatlichen Rapport mit Ampelsystem zu Masken und anderem Schutzmaterial. Derzeit liegt der Ist-Bestand beim Schutzmaterial zwischen 150 bis 300 Prozent, also überall im grünen Bereich.» Dass die Zufriedenheit mit der Aufenthaltsdauer gesunken sei, gebe er zu. «Aber 81,7 Prozent sind doch noch sehr zufrieden. Die meisten der Unzufriedenen sind leicht unzufrieden, weil sie zu früh aus dem Spital gedrängt werden. Das hat mit den Fallpauschalen und der Normaufenthaltsdauer zu tun, denn wenn wir als Spital über dieser Dauer liegen, legen wir drauf. Das ist eine grosse Herausforderung für unsere Ärzte, aber der wirtschaftliche Druck lässt sich nicht wegdiskutieren.» Zur Rekrutierung, eine Frage von Regula Keller, habe das Spital ein ganzes Set von Massnahmen. «Grundsätzlich ist es wichtig, dass ein Spital in der Branche ein gutes Image hat. Wir haben es geschafft, ohne grosse Skandale und personelle Unruhen über die Runden zu kommen.» Das Image sei also gut. Es werde neu auch mit LinkedIn rekrutiert. «Zudem sind wir in der Pflegeschule als Ausbildner präsent, etwa in der Anästhesiepflege.» Der Aufwand der Qualitätssicherung wachse. Er finde Kellers Idee einer Zusammenarbeit beim Qualitätsmanagement in grösseren Einheiten mit anderen Spitälern sinnvoll, aber es sei nach wie vor eine Idee. Der Landratspräsident bedankte sich anschliessend bei der gesamten Belegschaft der Kantonsspital Glarus AG und schon ging es in die Halbzeit-Pause.

Getrennt trinken, gemeinsam bezahlen

Nach der Pause, die von einigen Fraktionen um 5 Minuten überzogen wurde, ging es – erfrischt durch ein Getränk auf einer Terrasse – wieder ans Werk respektive an die Freigabe des Kredits über 1 Million Franken für die Informations- und Kommunikationstechnologien an den Schulen. Der Landratspräsident gab den säumigen Räten den Tipp, doch jeweils die Pausenzeche für die Fraktion gemeinsam zu bezahlen. Priska Müller Wahl beantragte die Freigabe dieses Geldes, als einstimmige Fraktionsmeinung. «Dass die Förderung von Informations- und Kommunikationstechnologien an Schulen enorm wichtig ist, hat sich gerade im Coronajahr deutlich gezeigt und die jahrelangen Investitionen haben sich mehr als gelohnt. Beim beantragten Geschäft geht es um die Finanzierung aus dem zweckgebundenen Fonds zur Weiterführung des seit 20 Jahren bewährten ICT-Projektes. Neben der pädagogischen Hilfe geht es heute verstärkt auch um Datenschutz und Koordinationsarbeit. Der Bedarf ist ausgewiesen und auf der Sekundarstufe II und an den Berufsfachschulen – etwa dem KV – ist er in den letzten Jahren klar gestiegen. Die Mittel sollen wie in der Vergangenheit so eingesetzt werden, dass es im Schulalltag sichtbar wird. Der Kredit ist nötig, damit der Kanton Glarus auch in Zukunft bei schweizerischen Kooperationsprojekten zu den Pionieren gehört.» Daniela Bösch erinnerte daran, dass seit 2001 immer wieder Tranchen freigegeben wurden. Namens der «Die Mitte»-Fraktion lobte sie die Arbeit des Kantons – nicht nur in ihrer Rolle als Politikerin, sondern auch als Lehrerin. «Der Informatik-Weiterbildung muss ein besonderes Augenmerk gelten.» Stephan Muggli verwies auf die erfolgreiche Implementierung von Microsoft 365 und auf das neue spannende Glarner Heimatbuch. Es gehe darum, mit der digitalen Bildung voranzugehen. Es brauche gezielte Bildung, um Kinder digital fit zu machen. Sarah Küng unterstützte dies ebenfalls. Regierungsrat Dr. Markus Heer lobte die schnelle Umstellung auf den digitalen Unterricht und empfahl, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.

Plus 18,5 Mio. Franken

Im Anschluss an die Gewährung des Kredits ging es an die Aufstockung der Härtefallhilfe zur Coronavirus-Pandemie um weitere 18,5 Mio. Franken. Im Härtefallfonds sind dies damit inzwischen 40 Mio. Franken. Kommissionspräsident Luca Rimini sagte, zur Zeit der Diskussion dieses Traktandums seien 12,5 Mio. Franken für 210 Gesuche als Härtefallhilfe gesprochen worden, wie viele noch kommen, wisse man nicht, aber bei Unternehmen mit einem Umsatz über 5 Mio. Franken könnten die nötigen Hilfen auch schnell stark ansteigen. Die Anträge seien rückläufig, allfälliger Missbrauch werde konsequent bekämpft. Für Veranstaltungen mit ungedeckten Kosten wie «GLKB»-Sound of Glarus sowie die GLARNER MESSE habe man 500 000 Franken als Schutzschild bereitgestellt. Beat Noser unterstützte namens der «Die Mitte»-Fraktion den Antrag. Das Parlament habe die Härtefallunterstützung ja auch von 5 auf 10 Mia. Franken verdoppelt. Es gehe um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Laut Gabriela Meier Jud namens der FDP-Fraktion braucht es zwar weiterhin Härtefallunterstützung. Doch damit allein könne die Wirtschaft nicht wieder in Gang gebracht werden. Was die Wirtschaft zum Laufen bringe, seien unternehmerische Freiheiten. Deshalb müssten die Einschränkungen zurückgefahren werden. Barbara Rhyner beantragte namens der SVP-Fraktion Zustimmung. Sie habe sich noch nicht an die Milliardenbeträge zur Linderung der Corona-Folgen gewöhnt und auch die 40 Mio. Franken, welche der Landrat hier freigibt, bedeuten «eine 1000er-Note pro Einwohner.» Deshalb sei es wichtig, kritisch zu bleiben und Anträge genau zu prüfen. Samuel Zingg beantragte namens der SP ebenfalls die Unterstützung und bedankte sich beim Kanton für die hohe Geschwindigkeit bei der Auszahlung. Er setzt sich zudem für jene Selbstständigen und Selbstständigen im Nebenerwerb ein, welche einen Umsatz unter 50 000 Franken erzielen, die also unter die Limite für Härtefallhilfen fallen. Frau Landammann Marianne Lienhard bedankte sich beim Kommissionspräsidenten und beantragte auch namens des Regierungsrates die Aufstockung und die Bereitstellung des Schutzschildes von 500 000 Franken. Aktuell seien es total 218 Gesuche, wovon 187 bearbeitet seien und 30 abgelehnt werden mussten. Bei sehr hohem Umsatzeinbruch – 70 Prozent – könnten bis zu 30 Prozent Umsatz erstattet werden. Doch gab sie zu, man müsse auch auf jene Selbstständigen ein Auge haben, welche weniger verdienen. Gleichzeitig verwies sie auf die sich verbessernden Konjunkturdaten. Wirte könnten nach wie vor Kurzarbeit abrechnen, dies noch bis Ende Jahr. Beim Auslaufen der Kurzarbeit gelte es dann, genau hinzuschauen. Der sich normalisierende Gang der Wirtschaft und die derzeit sich verbessernde Pandemie-Lage gebe Anlass zur Hoffnung. Die schnelle Hilfe sei im Glarnerland auch dank der schlanken Strukturen möglich geworden. Dem Geschäft wurde danach stillschweigend zugestimmt.

Weniger Druck auf die Redner

Bei der Antwort auf die abzuschreibende SVP-Motion zum Vorgehen an der Landsgemeinde 2021 mahnte Marius Grossenbacher namens der Grünen-Fraktion, man solle bei der planmässigen Durchführung keinen Druck auf die Redner an der Landsgemeinde ausüben und sich einer allfällig aufkommenden Stimmung, schnell vorwärtszukommen, entgegenstellen. Ruedi Tschudi unterstützte das. Thomas Tschudi bedankte sich namens der SVP-Fraktion beim Regierungsrat. «Es war uns wichtig, dass der Souverän bald wieder das Zepter in die Hand nehmen kann.» Hans Jenny war es wichtig, auch aus der FDP-Fraktion die Rückendeckung für dieses Vorgehen zu signalisieren. Sabine Steinmann unterstützte das Vorgehen mit zwei Tagen. Das stärke die Landsgemeinde und gebe genügend Zeit, um die Geschäfte gründlich zu beraten. Fast hätte darauf der Landratspräsident das abschliessende Votum der Frau Landammann übergangen, bevor er zur Abstimmung schritt. Frau Landammann Marianne Lienhard verwies zuerst auf die sehr dynamische Lage beim Schutzkonzept, da werde man noch abwarten mit einer definitiven Festlegung, und bedankte sich für die vielen Tipps zum Abhalten der Landsgemeinde, die sie aus dem Rat jetzt gerade bekommen habe. Er habe nicht Vorbild sein wollen für abgeklemmte Voten, sagt Landratspräsident Hans-Jörg Marti und verschob die restlichen Traktanden auf nach den Sommerferien. Marti verabschiedete darauf Landrätin Ann-Kristin Peterson und lobte ihren Einsatz im Landrat, insbesondere für die Gleichstellung und den Umweltschutz. Mit Martin Laupper, so Marti, trete ein weiteres Politschwergewicht zurück, welches auf 17 Jahre im Landrat zurückblicken könne. Marti bedankt sich auch bei ihm herzlich für seine Mitwirkung auf vielen politischen Ebenen. Dann wurde die Sitzung wegen der Fraktionsausflüge um 11.30 Uhr geschlossen.