Lebendige Demokratie

Punkto Wetter hat die Landsgemeinde dieses Jahr nichts zu lachen. Es ist garstig mit Dauerregen und Kälte. Ansonsten gibt es durchaus amüsante Szenen im und um den Ring.



Unsere Landsgemeinde
Unsere Landsgemeinde

Zwei befreundete Ehepaare treffen sich am Sonntag traditionsgemäss vis-à-vis der Rednertribüne, um auch dieses Jahr zu raten, zu mindern und zu mehren. Gespannt verfolgen sie die Diskussionen im Ring, die ungeachtet des schlechten Wetters rege ausfallen. Sechs Rednerinnen und Redner verzeichnet allein das neue Personalgesetz. Umstritten ist dabei lediglich die Länge des Vaterschaftsurlaubs für Kantonsangestellte: Soll dieser wie bisher zwei oder neu fünf Tage umfassen?

Die Frauen sind sich einig: Die Stimmberechtigten können hier ein Zeichen setzen für einen fortschrittlichen Kanton, wie es frühere Landsgemeinden auch schon getan haben. Zudem sind der Bund und andere Kantone weit grosszügiger. Selbst Appenzell Ausserrhoden hat vor Kurzem zehn Tage Vaterschaftsurlaub beschlossen.

Klar stimmen die beiden also dem Antrag auf Verlängerung zu. Ungläubig stellen sie jedoch fest, dass ihre Ehemänner bei zwei Tagen bleiben wollen. Spontane Versuche, die männlichen Angetrauten bei der zweiten und dritten Ausmarchung umzustimmen, schlagen fehl: Die Männer bleiben unerschütterlich bei ihrer Meinung. «Konservativer geht’s nicht mehr», meinen die beiden Frauen und sind froh, dass eine Mehrheit in ihrem Sinne entscheidet. Sehr knapp allerdings, muss doch der gesamte Regierungsrat auf die Bühne, um das Ergebnis zu ermitteln.

Nach Ende der Beratungen geht es zu den obligaten Chalberwürsten samt Landsgemeinde-Nachlese unter Freunden. Da stösst noch ein dritter Mann hinzu, der ebenfalls nur für zwei Tage Vaterschaftsurlaub gestimmt hat. «Das gibt’s doch nicht», meinen die Frauen und lauschen verwundert den Begründungen: «Ich hatte das auch nicht.» – «Ich arbeite nicht mehr beim Kanton.» – «Ich habe keine Kinder.» Den Frauen bleibt nur ein mildes Lächeln.

Das Beispiel zeigt: Die Landsgemeinde, Urform der Demokratie, ist auch nach 629 Jahren äusserst lebendig. Zunächst erfolgt im Ring die transparente Ausmarchung, die durchaus knapp ausfallen kann, anschliessend die Nachlese beim traditionellen Menü. Diese dauert bis zum Abend und entwickelt sich zum gemütlichen Beisammensein. Die unterschiedlichen Meinungen sind bald vergessen, es wird viel gelacht. Trotzdem freuen sich die zwei Frauen heute noch, dass Glarus «kein Hinterwäldlerkanton» ist, wie die NZZ in ihrer Berichterstattung über die Landsgemeinde 2016 schreibt ...