Mit diesem ersten von insgesamt elf, sich bis in den April hineinziehenden Anlässen unter dem Sammeltitel «bäschlin littéraire», war ein bedeutender Start gelungen. Gabi Ferndriger, Inhaberin der Buchhandlung, war zu Recht stolz, zwei bedeutende und anerkannte Kennerinnen der Literaturszene begrüssen zu können.
Luzia Stettler ist Literaturredaktorin von SRF1 und gehört zum Kreise jener, die den Literaturclub des Schweizer Fernsehens seit Jahren begleitet und ihm als anerkannte, oft pointiert urteilende Fachfrau angehört und sich einen bedeutenden Namen geschaffen hat. Sie und Elke Heidenreich kennen sich bestens.
Elke Heidenreich, im Februar 1943 im hessischen Korbach geboren, ist Schriftstellerin, Literaturkritikerin, Kabarettistin, Moderatorin, Journalistin und Opern-Librettistin, ist weit gereist, international bekannt, anerkannt und respektiert. Ihr Urteilen basiert auf einer grossen Erfahrung, vermischt sich unweigerlich mit starken persönlichen Vorlieben, zeugt von Anteilnahme, Herzlichkeit und wohltuender Ehrlichkeit, ist mit feiner Ironie, rednerischer Gewandtheit, üppigem, rasant ausformuliertem Konstatieren und wortreicher Vielfalt versehen. Seit 1970 ist sie als freie Autorin und Literaturkritikerin für verschiedene Medien tätig. 1992 erschien mit den Erzählung «Kolonien der Liebe» ihr Erstling. Das Buch wurde zum Bestseller, Gleiches gilt für die 1995 erschienene Katzengeschichte «Nero Corleone». Ihre Kinderbücher «Am Südpol, denkt man, ist es heiss» (1998) und «Sonst noch was» (1999) sind Beziehungen zwischen Menschen und Tieren, sind damit berührende, facettenreiche Momente. Ihr Vermitteln von Literatur, das kreative Mitgestaltung in Opern und Schauspielen, die kritische, klar wertende Haltung zu Gesellschaftlichem, zeichnen diese wirblige, kenntnisreich argumentierende Frau aus. Sie wurde mit verschiedensten Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem «Julius Campe»-Preis (2010) und ein Jahr später mit dem Internationalen Literaturpreis «Corine» mit Tom Krausz für «Dylan Thomas – Walser, Dichter, Trinker».
Gabi Ferndriger verband mit dem Titel «Leseglück» einige persönliche Gedanken. Luzia Stettler und Elke Heidenreich seien keinesfalls «Literaturtherapeutinnen». Lesen wurde als «Kino im Kopf» bezeichnet. Aus jenen Menschen, die mit dem Virus dauerhaft angesteckt seien, würden glückliche, ausgeglichene, innerlich gestärkte Wesen, denen sich viele innere Horizonte geöffnet hätten. Man dürfe mit dieser Veranstaltung versierte Ratgeberinnen für verschiedenartigste Lektüre kennenlernen.
Eine literarische «Stubete»
Elke Heidenreich befasste sich mit ihrem Beruf, dem Lesen. Zwölf Tagesstunden betrage für gewöhnlich der Aufwand. Sie habe sich da professionelle Kriterien gesetzt und gerate nicht selten an wunderbare Dinge. Luzia Stettler bestätigte und schon war eine literarische Stubete auf hohem Niveau im Gange. Es wurde zuweilen gnadenlos seziert. Eine tolle Geschichte in blasse Sprachgebung zu verpacken, bringe ebenso wenig wie eine ganz ausgefeilte Schreibtechnik mit wunderbarem Wortschatz, aber ohne packendes Geschehen. Beides sei zum Vegessen.
Dann wieder ströme von Buchinhalten eine Heilkraft aus, münde in willkommene Ablenkung, inneres Glück mit Wertschätzung, Achtung, Anteilnahme, Glückseligkeit, aber auch Schmerz, Betroffenheit, Abwendung. Elke Heidenreich erwähnte Gottfried Benns Gedicht «Mutter», das in ihr heute noch Betroffenheit auslöse. Sie war einst eines von vielen Schlüsselkindern, das zwischen Sein und Schein abzugrenzen wusste. Ihre Mutter, als gelernte Näherin, habe oft Stoffresten für glänzende Kleidchen verwendet; der Vater, Automechaniker, habe sie nach Probefahrten mit pompösen Wagen bei Schulschluss abgeholt. Beide zeigten auf, wo sie am liebsten lesen, Umgebung und Stimmung spielen wesentliche Rollen. Dass beim Lesen zwischen Kür- und Pflichtübungen unterschieden wird, verstand man rasch. Oft würde man mit einer wahren Lawine von Manuskripten bedient, ein Abgrenzen sei da Selbstschutz. Beide geben sich spürbar Mühe, mit der Dichtkunst von Schreibenden sachlich umzugehen. Autorinnen und Autoren wurden erwähnt. Es wurde enorm beseelt, ehrlich und mit wohltuender Direktheit debattiert. Beide gaben enorm viel von sich selber preis, liessen einen in die literarische Welt geradezu eintauchen. Man wähnte sich zuweilen in einem kleinen Literaturclub mit Nehmen, Geben, Ausreizen, Hinterfragen.
Luzia Stettler und Elke Heidenreich scheinen einen Bücherschatz in sich aufzubewahren, dessen Inhalte sie fast problemlos abrufen können.
Lesung aus Unveröffentlichtem
Zum Abschluss las Elke Heidenreich aus noch Unveröffentlichtem. Glarnerinnen und Glarner avancierten zum genüsslich mitvollziehenden Testpublikum. Man verliebte sich zuweilen beinahe in die heiteren Geschichten aus dem Alltag, an dessen Inhalten wir zu oft unachtsam vorbeigehen, vieles unerfasst liegen lassen. Es wuchsen genussreiche, unterhaltsame Hörminuten, erfüllt von Drolligem, Unerwartetem, Keckem, treffendem Charakterisieren, Anteil nehmendem Begegnen, Schmerzlichem. Die Momentaufnahmen wurden zu starken Bildern. Und wieder war man bei diesem «Kino im Kopf».
Und vor dem Weggehen in die dunkle, unwirtliche Nacht nahm man von Hansruedi Freys wortreichen Ausführungen und seiner Übergabe eines Präsents Kenntnis. Er ist Mitinitiant des einstigen Glarner-Bücher-Sprinters. Und gerne liessen sich einige eines von Heidenreichs zahlreichen Werken signieren – damit diese unnachahmlich eigenwillige Welt zuhause wieder hervorgeholt werden kann und wieder auflebt.
Leseglück – ein literarischer Glücksfall
Mit Elke Heidenreich und Luzia Stettler gastierten zwei hochkarätige Literaturschaffende auf Einladung der Buchhandlung Bäschlin Glarus auf der Piazza der Landesbibliothek Glarus. Und dieser Einladung leistete eine grosse Anzahl von Lesefreudigen, Literaturkennern und eingefleischten Leseratten gerne Folge. Die Piazza war beinahe zu klein, um allen Anwesenden die gebührende Bewegungsfreiheit einzuräumen.