Nach dem Ersten Weltkrieg riefen Arbeitslosigkeit und Lebensmittelknappheit gebieterisch nach Erschliessung von neuem Kulturland und lenkten die Aufmerksamkeit auf die brachliegenden, versumpften Böden im Linthgebiet. 1921 lag ein erstes Projekt vor, das bei Gemeinden und Grundbesitzern auf Skepsis stiess. Das Vorhaben jedoch enthielt mit der Gewässerkorrektion, der Entwässerung, der Güterzusammenlegung und der Besiedelung schon fast alle Massnahmen, die später in den Vierzigerjahren mit dem «Plan Wahlen» umgesetzt wurden. Mit dem anfänglich umstrittenen und staatlich gelenkten Programm zur Förderung des innerschweizerischen Lebensmittelanbaus (1940-1945) konnte der nationale Selbstversorgungsgrat von 52 auf 70 Prozent gesteigert werden. Dabei spielte die Linthregion, die vom Bundesrat als die «grösste Ebene unseres Landes» bezeichnet wurde, eine besondere Rolle.
Melioration, Mobilisation, Migration
«Linthebene – eine Landschaft wird umgepflügt (1941-1964): Melioration, Mobilisation, Migration – Zum Andenken an den Beginn der Meliorationsarbeiten vor 70 Jahren». So lautet der Titel der Wanderausstellung, die am 9. Mai in der Landesbibliothek Glarus eröffnet wird und dort bis 28. Mai zu sehen ist. Integriert in die Schau sind die Filme «Glarner Industrie-Pflanzwerke» und «Das industrielle Pflanzwerk in der Linthebene», gedreht während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Wanderausstellung, die im Juni im Museum & Galerie Weesen, am 20. August am Bürgertag in Benken und im November im Schulhaus Hügelacher MPS Buttikon Halt macht, konzipierte Stefan Paradowski, Kunst- und Regionalhistoriker, Glarus.
Kolonisation der Linthebene
1936 reichte Nationalrat Erhard Ruoss (1901-1958), Schübelbach, ein Postulat mit der Frage an den Bundesrat ein, ob nicht das Meliorationsprojekt aus dem Jahr 1921 verwirklicht werden könnte. Die Kolonisation der Linthebene würde Beschäftigung für 600 Mann auf 3 bis 4 Jahre und Ansiedelungsmöglichkeit für über 100 Familien bieten.
Mangel an Arbeitskräften
Unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erliess die Bundesversammlung das «Bundesgesetz über die Melioration der Linthebene». Unter der Federführung des Kriegernährungsamtes wurden die Ziele des Anbauplans zur Erhöhung der Eigenproduktion definiert: Ausweitung des Ackerbaus, Reduzierung der Viehzucht und Rationierung der Lebensmittel. Infolge der Aufgebote für den Aktivdienst ergab sich starker Mangel an Arbeitskräften. So kamen in der Linthebene – neben 70 Angestellten im Monatslohn – Landdienstpflichtige, Taglöhner, Frauen, Kinder, 100 bis 150 Internierte zum Einsatz.
Zuerst Melioration und Anbau, später Besiedelung
Der Anbau setzte 1942 ein. Die Schweizerische Vereinigung für Innenkolonisation und industrielle Landwirtschaft SVIL hat sich um diese Arbeit verdient gemacht, hat sie doch das industrielle Pflanzwerk organisiert. Melioration und Anbau erfolgten in der Zeit des Zweiten Weltkrieges, die Besiedelung kam danach. Bei der Einweihung des siebten Gutsbetriebes der Ortsgemeinde Benken im Jahre 1960 war auch Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen (1899-1985), der «Vater der Anbauschlacht», mit dabei.
Versumpfung der Linthebene als Teil des Réduit
Die Melioration der Linthebene entsprach einem Entsumpfungsprogramm. Gleichzeitig wurde ein Versumpfungsprogramm verfolgt. Die Linthstellung war Teil des von General Henri Guisan befohlenen Réduit. Zu den Befestigungsmassnahmen gehörte die Unterwassersetzung der Linthebene als Barriere für einen Angreifer aus Norden im Kriegsfall. Für den «Einstau der Linthebene» wurden Dämme, Wehre, Durchlässe und Erdpfropfen errichtet.
