Lüpfiges und Geistreiches im Wortreich Glarus

Die erfreulich kulturlastige Buchhandlung im Abläsch Glarus lädt mit begehrter und anerkannter Regelmässigkeit zu ganz besonderen Veranstaltungen ein. Diesmal gastierten Christine Lauterburg, Tanja Kummer und Dide Marfurt auf der kleinen, aber ungemein feinen Bühne in der kleinen, vielseitigen Hauptstadt.



Tanja Kummer und Christine Lauterburg. (Bilder: p.meier) Tanja Kummer
Tanja Kummer und Christine Lauterburg. (Bilder: p.meier) Tanja Kummer

Schon der Titel «Vergiiget, verjuchzet und verzapft» weckte nicht nur bei Volksmusikfreunden eine gehörige Portion Neugierde. Christa Pellicciotta begrüsste gar herzlich und zeigte auf, wie es zu diesem gar speziellen Gastspiel gekommen war. Das ging um fast «tuusig Egge umme». Tanja Kummer und ihre Geschichten seien Insidern bekannt, so die kreative Leiterin des Wortreich-Teams. Da die Literatin aus dem Thurgau mit Christine Lauterburg und Dide Marfurt des Öfteren auftritt, war der Weg zum Engagement nicht mehr weit. Und als man etwas später erfuhr, dass Dide Marfurt aus dem bundesratlastigen Hinwil und Martin Lehmann – ungekrönter Blues-Interpret des Landes Glarus – vor Jahrzehnten gemeinsam als Strassenmusiker aufgetreten seien, wurde die freundschaftliche Verbundenheit spürbar. Nun ist Christine Lauterburg nicht einfach Verfechterin und Bewahrerin des unverfälscht Volkstümlichen. Ihre Stimme setzt sie variantenreich faszinierend ein, mal verhalten, dann wieder mit überbordender Fröhlichkeit, im Moment verharrend oder ungestüm vorwärtsstrebend. Sie formuliert und besingt witzig, keck, kann durchaus kritische Voten vorbringen, ist mit volkstümlich Erfolgreichem, Bekanntem durchaus verbunden, vermag Geige und Schwyzerörgeli gar wechselreich einzusetzen. Da bringt sie diese Instrumente zum Seufzen, Stöhnen, Schwärmen, zu tiefem Schnaufen und sonorem Begleiten. Die musikalischen Botschaften gedeihen damit zu bunten und lebhaften Impressionen. Mit Dide Marfurt hat sie einen Begleiter, der nach eigenem Bekunden Instrumenten der Gattung «Pro Spezie Rara» eine Überlebenschance der edlen Sorte gewährt. Sie begleiten ihn, treten dank ihm auf, melden sich unüberhörbar und gehorchen ihrem Heger und Pfleger auf den geringfügigsten Fingerdruck. So klangen Drehleiter, die Maulorgel namens Trümpy und die Halszither – da gebe es Kurz- und Langhalsige aus Kriens oder dem Toggenburg – in ungemein spannendem Wechsel auf. So «en passant» erfuhr man beinahe Tragisches über den rasanten sozialen Niedergang der Drehleier, die mal Minnesängern zum Erfolg verhalf, dann bei Huren und dem einfachen Landvolk und ganz zuletzt bei Dide Marfurt landete. Rassiges, Besinnliches, Klangreiches, Gemütliches, Bekanntes und noch kaum Gehörtes, Behutsames, überbordend Fröhliches – alles hatte an diesem wechselreichen Abend einen guten Platz.

Ergänzt wurde das Musikalische mit witzigen, ungemein virtuos vorgetragenen Betrachtungen, Erfahrungen, Feststellungen, Visionen, Realistischem und Erträumtem der Thurgauerin Tanja Kummer. Sie ist messerscharf Betrachtende, Hinterfragende und einfallsreich Schildernde. Sie entpuppt sich als Wortakrobatin, die Geschriebenes in stark nachklingende Begebenheiten gar kunstvoll, leidenschaftlich deklamierend umsetzt und ihr Publikum bald auf ihrer Seite weiss.

Ihrem lebhaften Schildern folgt man bereitwillig und hochgradig aufmerksam. Wenn sie ihren wortreichen Exkurs mit dem Drang zu absolut Perfektem beginnt, staunt man über das brillante, gekonnte Zusammenfügen und blitzschnelle Wiedergeben des Erdachten. Das Hinhören beschert Spass, erfordert viel Aufmerksamkeit, auch wenn es in einem zweiten Block ökologisch Ressourcenorientiertes und wenig später das Gesetz der Resonanz betrifft. Tanja Kummers Sinnieren über alphabetisch Geordnetes ab Anfangsangst bis hin zur Zuversichtszirrhose verblüfft ebenso wie die muntere Schweizerreise, deren Zustandekommen ausschliesslich aus Liedttiteln besteht und dank munterem Verknüpfen zu einem neckischen Happening gedeiht. Tanja Kummer hat mit ihrer Sprachkunst einiges zur erlebnisreichen Vielfalt in der Wortreich-Kultur beigetragen. Und einmal mehr liess man liebe Gäste ungern weggehen – der anhaltende Beifall sprach Bände.