Machtvoll demütig

Landratspräsident Hans Rudolf Forrer führte die Debatte mit Schneid, die Landrätinnen und Landräte wollen auch im Coronajahr möglichst viel der Landsgemeinde 2021 überlassen – und ja, man stimmt der Auflösung des NOK-Gründungsvertrages zu, obwohl das Energiegesetz noch nicht verabschiedet ist.



Die Neugewählten: Landammann Frau Marianne Lienhard und Landesstatthalter Benjamin Mühlemann
Die Neugewählten: Landammann Frau Marianne Lienhard und Landesstatthalter Benjamin Mühlemann

Wenn man nur Platz für einen Fakt dieser Landratssitzung hätte, so wäre es, dass der Landrat alle nicht dringlichen Geschäfte von der Landsgemeinde mitgestaltet haben will und deshalb auf die Gesetzesänderungen, welche der Regierungsrat ihm anstelle der Landsgemeinde unterbreitete, nicht eintrat. Weder auf das geänderte Steuergesetz noch auf jenes über die Verwaltungsrechtspflege. Es war geradezu ein Wettbewerb in Demut vor den hohen demokratischen Rechten der Glarnerinnen und Glarner. Eine Allianz aus SP, Grünen, SVP und FDP hebelte die «Neue Mitte» aus BDP/glp und CVP aus – mit 34 zu 17 Stimmen, bei sechs Enthaltungen. Diese hatte – pragmatisch – argumentiert, jene weiteren Geschäfte anstelle der Landsgemeinde zu beraten.

Zuerst wurde als neues Mitglied Martin Zopfi als Nachfolger von Dr. Thomas Hefti vereidigt. Als Ersatzmitglied in die Anwaltskommission wird MLaw Sarah Leuzinger, Niederurnen, mit 57 Stimmen gewählt. Danach bat der scheidende Landammann Andrea Bettiga um den Machtschutz Gottes für Land und Volk und es folgte die ehrenvolle Wahl von Marianne Lienhard zur Frau Landammann und von Benjamin Mühlemann zum Landesstatthalter – beide erfolgten in offener Abstimmung wie an der Landsgemeinde und einstimmig. Marianne Lienhard bedankte sich bei den anderen Frauen für die Errungenschaft, als zweite Frau zur Frau Landammann gewählt zu werden. Mit Hinblick auf Corona bemerkte sie: «Wir sind angehalten, die spezielle Herausforderung anzunehmen und in dieser neuen Normalität zu leben.» Unter dem Motto «Glarus ist gefragt, vernetzt, ermöglicht Anschluss und eröffnet Chancen» wolle sie gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schaffen, Akzente in der Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen setzen und die soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit beachten.

Seilziehen beginnt
Thomas Tschudi beantragte, nur die dringlichen Geschäfte zu behandeln und alles andere der Landsgemeinde zu überlassen: «Hier ist es uns wichtig, ein Zeichen zu setzen und nicht die Volksrechte zu unterlaufen.» Obwohl die Mitte argumentierte, aus pragmatischen Gründen unumstrittene Gesetzesvorlagen zu beraten, setzte er sich letztlich durch. Regierungsrat Rolf Widmer versicherte zwar beim Steuergesetz «Wir haben den kritischen Teil (Abschaffung der Kirchensteuer für Juristische Personen, Red.) herausgenommen» und mahnte «bei der Quellenbesteuerung gibt es eine Dringlichkeit, denn der Bund verlangt die Anpassung auf 2021». Die Online-Steuererklärung werde zudem so oder so kommen, aber es kam, wie Regierungsrat Bettiga es zusammenfasste: «Ich habe im Leben gelernt zu kämpfen, aber auch, wann es sich nicht lohnt zu kämpfen.»

Die Stunde der Susanne Elmer Feuz

Gleich dreimal konnte Susanne Elmer Feuz als Kommissionspräsidentin ihren Scharfblick unter Beweis stellen. Bei der Änderung der Verordnung zum kantonalen Umweltschutzgesetz, bei der Änderung der Verordnung zum Einführungsgesetz über den Schutz der Gewässer und bei der Aufhebung des NOK-Gründungsvertrages. Man kann hier – ohne Cliffhanger – verraten: Die von ihr vorgetragenen Positionen setzten sich jedes Mal durch. Beim Umweltschutzgesetz drehte sich die Diskussion insbesondere um die Kosten der Neophytenbekämpfung. Fridolin Staub bat bei Artikel 20b um die Klärung des Begriffes Unterhalt zuhanden der zweiten Lesung und Peter Rothlin wollte von Regierungsrat Becker und der Kommissionspräsidentin wissen, wie teuer denn diese Bekämpfung für private und andere Alp- und Waldbesitzer werde. Massnahmen dürften, so Rothlin, nicht teurer sein, als der Boden auf dem sie stattfinden. Regierungsrat Kaspar Becker gab ihm recht, aber er könne nicht sagen, was das koste. «Wir müssen es in Angriff nehmen – nicht gerade koste es, was es wolle. Aber es lässt sich eben nicht – wie etwa bei einem neuen Polizeiauto – genau sagen, was es kostet.» Bei der Gewässerschutzverordnung war es dann Heinrich Schmid, welcher auf das Problem der Wasserentnahme in Oberflächengewässern durch Private hinwies. Es wäre – so Schmid – streng genommen schon illegal, seine Spritzkanne an der Linth zu füllen. Anschliessend beantragte er Rückweisung an den Landrat. Der Landrat beschloss aber Eintreten und auch in der Detailberatung konnte sich Schmid nicht durchsetzen. Die Kommissionspräsidentin appellierte im Sinne einer liberalen Gesetzesregelung: «Lassen Sie den gesunden Menschenverstand walten.» So bleiben Artikel 14 und 15 unverändert – bei vielen Enthaltungen. Das Geschäft unterliegt einer zweiten Lesung.

Tektonik bekommt 635 000 Franken

Bei der Finanzierung der Besucherinfrastruktur sah Kommissionspräsidentin Priska Müller Wahl ihre Stunde gekommen und argumentierte mit Engagement für die Kommissionslösung, dass man – zusätzlich zu den Infopunkten Elm und Glarus – auch in der lintharena sgu für dieses Alleinstellungsmerkmal des Kantons Glarus einen Infopoint einrichten solle. Matthias Schnyder schlug namens der SVP-Fraktion die Beibehaltung der regierungsrätlichen Variante vor. «Jene, die ins sgu gehen, wollen sich sportlich betätigen, die Hauptüberschiebung ist für naturinteressierte Leute interessant. Zwei Standorte im kleinen Kanton reichen aus.» Für Sarah Küng namens der SP-Fraktion drängte sich auch der Infopoint in der lintharena förmlich auf und Ruedi Schwitter (glp/BDP-Fraktion) gab zu bedenken, dass die Arena sich über das Gebiet aller drei Gemeinden erstreckt und die lintharena als touristischer Hotspot des Kantons wahrgenommen werde. Auch Dominique Stüssi unterstützt den Infopoint in der lintharena, wegen der guten Anbindung an ÖV und Strasse. Roland Goethe dagegen stellte namens FDP-Fraktion den Antrag, der Regierung zu folgen. «Die Standorte in Elm und Glarus sind neu gestaltet und werben für die Tektonikarena: Elm für die Ferienregion, Glarus zusammen mit dem Naturzentrum. Es geht darum, das Notwendige vom Wünschbaren zu trennen und zuerst die vorhandenen Infopoints zu stärken. Was in Glarus Nord der richtige Ort wäre, das sollte nochmals geprüft werden.» Beat Noser beantragte namens der Mehrheit der CVP, den Zusatzkredit abzulehnen. Regierungsrat Kaspar Becker freute sich über den klaren gemeinsamen Nenner, «dass alle hinter der Tektonikarena stehen.» Der Landrat stimmt mit 24:29 Stimmen dem Antrag des Regierungsrates zu und erteilte einen Verpflichtungskredit von 635 000 Franken.

Erst die Aufhebung, dann das Gesetz

Noch einmal heiss zu und her ging es bei Aufhebung des NOK-Gründungsvertrages. Es sollten, so Kommissionspräsidentin Susanne Elmer Feuz, jetzt aufgehoben und nachher gründlich Aktionärsbindungsvertrag und Eignerstrategie geprüft werden. Eine Allianz aus SVP und SP dagegen verlangte Eintreten auf das Geschäft und Rückweisung an den Regierungsrat. Sabine Steinmann zitierte die Eignerstrategie, dass die Anlagen mehrheitlich in der öffentlichen Hand liegen – aber dies sei nicht bindend. «Deshalb müssen wir dies jetzt regeln, sonst könnten die Aktien ins Ausland verkauft werden.» Emil Küng setzte dagegen: «Für so einen kleinen Aktionär wie uns wird es schwierig, Einfluss zu nehmen.» Pascal Vuichard plädierte namens der glp/BDP-Fraktion den Vertrag abzulösen. «Der Bezug der Energie ausschliesslich über die NOK ist nicht mehr zeitgemäss. Der neue Vertrag dagegen bringt klare Verbesserungen. Der Kanton Zürich zeigt uns einen Weg auf, indem er das Parlament entscheiden lässt.» Auch Toni Gisler beantragte namens der SVP-Fraktion Rückweisung an den Regierungsrat mit dem Auftrag, das Energiegesetz im Gleichschritt zu entwickeln. «Die Anpassungen im Aktionärsbindungsvertrag bringen auch Gefahren mit sich. Das Mitspracherecht muss gewahrt bleiben – wenn wir den Vertrag aufheben und erst nachher unser Energiegesetz formulieren, ist das gefährlich.» Thomas Kistler unterstützte den Rückweisungsantrag der SVP. Regierungsrat Kaspar Becker mahnte, Rückweisung könne auch dazu führen, dass die Auflösung nicht zustande komme. «In einem internationalen Konzern werden wir mit einem 106-jährigen Vertrag nichts erreichen können.» Der Landrat entschied dann mit 31:21 Stimmen für den Kommissionvorschlag und löste den Vertrag auf. Dem Gesuch der Regierung um Fristerstreckung bei der Antwort auf das Postulat der Grünen Fraktion «Klimaschutz bei den Motorfahrzeugsteuern» wurde entsprochen, Karl Stadlers Kommentar dazu: «Wir nehmen das Gesuch um Fristerstreckung als Zeichen dafür, dass es der Regierung ernst ist.»

Danach wars zwölf. Der Landratspräsident verabschiedete die Landräte Simon Trümpi und Pascal Vuichard unter Dank und Applaus. Auf sportliche Gratulationen und Ähnliches werde zukünftig verzichtet. Die nächste Landratssitzung ist am 21. Oktober.