«Malefizien» – Melchior Werdenberg und sein neuestes Buch

Unlängst erschienen Melchior Werdenbergs Kurzgeschichten, die unter «Malefizien» zusammengefasst sind und – wie es weiter heisst – Missgeschicke, Liebeleien und Verbrechen zum Inhalt haben. Der Autor zieht viele Register, damit sich alles so fügt, wie es seinen Vorstellungen entspricht. Werdenberg, mit Jahrgang 1954, wuchs in der Ostschweiz auf. Er lebt in Zürich, ist Liebhaber der Werke von Friedrich Glauser, war Bezirksanwalt und Richter, schwergewichtig in den Bereichen Drogen- und Wirtschaftskriminalität und ist seit 1994 Rechtsanwalt im Wirtschaftsstrafrecht und Unternehmer. Werdenberg ist in Wirklichkeit Hans Baumgartner, mit dem Glarnerland, genauer dem Sernftal, verbunden. Seine Liebe zu den Bergen wird im Kurzporträt explizit erwähnt.



Buchbesprechung «Malefizien» von Melchior Werdenberg (Bilder: p.meier)
Buchbesprechung «Malefizien» von Melchior Werdenberg (Bilder: p.meier)

Die publizierten Kurzgeschichten haben es in sich. Werdenberg hat vieles zusammengetragen, beschreibt deutlich wertend, kernig, quirlig, räumt Rätselhaftem viel Raum ein, hinterlässt nach längerer Lektüre zuweilen Fragen nach der Logik des jeweiligen Geschehens.

Eingeführt wird mit dem «Langen Schweigen». Da verstirbt die Paulina, in einer Zeitspanne, während der sonst im kleinen Bündner Dorf nicht gestorben wird. Es sei «eine Schande fürs ganze Dorf» findet der Pater. Gewohnte Rituale fallen aus. Beispielsweise halten 15-jährige Mädchen nicht Totenwache – um den Teufel fernzuhalten. Zwei Kinder, deren Mütter an der Totenfeier teilnehmen, bleiben mit ihrem Spielen zurück. Es erscheint der Vater der Kinder, stürzt Schnäpse runter. Der Knabe ist urplötzlich weg, wird verzweifelt gesucht, die Polizei übernimmt die Suche, befragt Verdächtige und Zeugen, setzt den Vater in Untersuchungshaft. Das Geschehen weitet sich aus. Ein pensionierter Polizist taucht auf, haust in der Dorfbeiz, nimmt sich der Sache an. Der tote Knabe besucht Paulina zuweilen, reift heran. In diese Geschichte ist viel reingepackt.
Die Titel der zahlreichen Kurzgeschichten lassen ansatzweise erahnen, was Melchior Werdenberg an Inhalten auftischt. «Wolfsruf», «Gottesanbeterin», «Der kleine Prinz», «Mein unbekannter Freund», «Wie Reineke Isegrims Frau bemannte», «Wie sich Frau Reineke Lust verschaffte», «Der Regenwurm, der die Zeit auffrass», «Elfenstaub», «Die gefrorene Zeit», «Segnas», «Tschingg» sind Aufforderungen, sich in bildstarkes Schildern zu vertiefen. Direktheit, stets Fassbares, mit zuweilen unerwarteten Windungen und Wendungen prägen die jeweiligen Geschehnisse.
In «Wolfsruf» zieht sich eine stereotype Wiederholung mit «Draussen fällt Schnee, dicht, in grossen Flocken» durch. Werdenberg bezieht so vieles in sein Schildern ein. In diesem Falle ist es ein Baron im Jagdkostüm, ist es der Melchior, der das Heulen des Wolfes erlernt hat und dies auch unter Beweis stellt, sich unter die Gäste im Wirtshaus mischt. Es geht ums Jassen und einen Mordfall.
Anderswo ist es Crisper, der im Spitalhemd unterwegs ist, um einen der spürt, dass das Leben nach dem Tod Positives zu bieten hat. Dieser Crisper kommt – übers Buch verteilt, in mehreren Kurzgeschichten vor.
Wieder an einem anderen Ort kann man sich mit dem «Hexenwahn in Sognvitg» befassen oder vom Absturz der JU-52 im Bündnerland Kenntnis nehmen.
Die Vermischung von Wirklichkeiten, Halbwahrem, Fiktivem, verrückt Entrücktem macht einen zuweilen fast schwindlig, schafft eine gewisse Unruhe, die das Lesevergnügen hin und wieder stört.