Manuel Stahlbergers eigener Schatten

Kunsthauskeller Glarus, Manuel Stahlberger, restlos ausverkauft, tiefe Aussentemperatur, hochgradig Amüsantes und Geistreiches im Innern – es war ein wunderbarer Abend.



Manuel Stahlberger im Kunsthauskeller in Glarus (Bilder: peter meier)
Manuel Stahlberger im Kunsthauskeller in Glarus (Bilder: peter meier)

Manuel Stahlberger zeigte auf, was sich in der kleinen Welt und weit darüber hinaus so ereignen kann. Er tat dies so pointenreich, witzig, clever, war nahe am jeweiligen «Puls der Zeit», nahm einen mit auf dem Weg zu zeitweilig enorm Heiterem, Unerwartetem. Gesang, Keyboardklänge, Gitarrenbegleitung, Lichtshows der gar vielfarbig – munteren Art, nachhaltige Aufforderung zum ersten Beifall, zum Mitswingen, Gedichtkunst, Statements zu Schulfächern, gar muntere Zeichnungen, projizierte Diktattexte, Einführung in Vogelperspektivisches, Auseinandersetzen mit stürmischem, garstig zerstörendem Wind, Hinweise zum Leben der Helvetier, Liebesleben eines Chirurgen und seines Models. Und immer wieder wurden die beiden heranwachsenden Lukas und Ursula ins Zentrum des jeweiligen Geschehens gerückt. Ihre Rechtschreibefertigkeiten und die behandelte Thematik hatten es in sich.

Manuel Stahlberger wurde von Heini Nold, dem Hauptverantwortlichen des Dritten Programm der einladenden Kulturgesellschaft Glarus im Kunsthauskeller gar herzlich begrüsst.
Dann ging es mit Lichtkaskaden und starken Rhythmen so richtig los. Stahlberger zeigte auf, wie sein Eintritt in die Welt erfolgt war – nicht eben konfliktfrei. Er wäre beinahe wieder in den schützenden Mutterleib zurückgekehrt, wurde dann aber vom begleitenden Fachpersonal dezidiert ins Heute befördert.
Irgendwann einmal setzte auch für ihn das Entrümpeln ein. Er stiess auf die schulgebundenen Künste von Lukas und Ursula. Die gelesenen Inhalte kamen gut an, öffneten Herzen. Stahlberger beklagte zwischendurch das Scheitern seiner internationalen Karriere, obwohl er beispielsweise mehrere Sprachen enorm gut beherrsche. Nur mit Französisch habe er Mühe, bewies aber mit seinem Telefongespräch samt munterem, auf die Leinwand projizierten Teilnehmerkreis, wie gut er das alles hinkriegt.

Irgendwann kam er auf Sportliches zu reden. Ein Fussballspiel zwischen «seinem» FC St. Gallen und GC, das exakt am 19. März 1983 abging, endete trotz intensiven Kenntnissen der Leistungsdichte des Heimteams mit dem Sieg der zerstörerischen Gastelf. Stahlberger hatte das auch zeichnerisch festgehalten, buk sogar aus, was damals, später auch international so bewegend war. Das war ebenso liebenswürdig wie geistreich. Und man muss ihn gehört haben, wenn er über sein Synchronschwimmen berichtete, was hin und wieder im verblüffenden Alleingang so abging. Alle involvierten Figuren waren zeichnerisch festgehalten. Es brauchte nur noch die Erläuterungen des Kunstschwimmers zu den Kunststücken, die ab Bassinboden bis Hallenbaddecke gediehen. Es wurden dann auch Geschichten um den Regenbogenfisch, eine Riesenkrake und dem Fliegenden Fisch einbezogen, erneut derart illustriert, dass sofort alles enorm klar, nachvollziehbar war.
Stahlberger wirbelte enorm gekonnt, wechselreich, geschickt rum. Der Unterhaltungswert war riesig. Gar wuchtig gerieten die Illustrationen im Verlaufe einiger Entschuldigungen an die Lehrkräfte, da brauchte es keine Texte mehr, die Bildsprache war deutlich, ja überdeutlich, hin und wieder gar brachial. Verstörend machtvoll.

Man war Gast am Mittagstisch von Lukas und Ursula und deren Eltern – wobei der Vater arbeitsbedingt zuweilen fehlte. Man erfuhr einiges über Frisuren, sah einleuchtend Beispiele. Man erfuhr, wie zerstörerisch ein wirbliger Sturmwind zu wüten vermag. Man konnte einen Eingriff am Augenlid miterleben. Man nahm mit Erstaunen und hohem Vergnügen von einem Adventskalender der gar speziellen Art Kenntnis. Hinter jedem Türchen – von Stahlberger stets behutsam geöffnet – offenbarte sich Erstaunliches, was Familie, versteckte Zuneigung, Minitrampolin, Keller und anderes betraf.
Stahlberger blieb aber nicht bei einfach vordergründig Vergnüglichem, Heiterem haften.
Er vermag mit hohem Ernst auf ganz andere Werte hinzuweisen. Das sind beispielsweise das Auseinandersetzen mit der eigenen Person, das Entfernen und Rückkehren mit Unbekanntem, Neuem.

Irgendwie wurde das mit der stürmisch erklatschten Zugabe verdeutlicht, mit dem Lied des artigen Knaben samt hingezeichnetem Punkt, dessen Karriere und der penetrant negativen Wertung aller Geschehnisse durch die begleitende Mutter und dem Schlusspunkt.

Nur ungern liess man Manuel Stahlberger gehen – zum Mitnehmen und dem Stöbern am kleinen «Stahlberger-Kiosk» blieb genügend Zeit.