Marco Nyffeler verrichtet in Ecuador soziale Pionierarbeit

Einmal mehr wurde der Covid-19-Virus zum Spielverderber für einen Anlass, der mehr Zuhörer verdient hätte. Er hatte sich riesig gefreut, hier im Glarnerland über sein ambitiöses und sehr erfolgreiches Kinderprojekt «Fundacíon Minadores de Sueños» in Ecuador im Rahmen eines Bildervortrags in der Kantonsschule in Glarus zu referieren. Die Rede ist vom Aargauer Marco Nyffeler, der seine Fundation im Stadtrandviertel «Rancho los Pinos» im Südosten der Stadt Quito im Jahre 2003 gründete. Die Fundation ist eine konfessionell und politisch neutrale Stiftung in Ecuador. Sie setzt sich für bessere Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen ein.



Marco Nyffeler verrichtet in Ecuador soziale Pionierarbeit

Wahrlich Grossartiges leistet der Aargauer Marco Nyffeler in der Nähe der ecuadorianischen Hauptstadt Quito, wo er nach der Gründung seiner «Fundacion Minadores de Sueños» (Randständige mit Träumen) im Jahre 2003 seine Ideen mit unglaublichem Engagement und viel Herzblut trotz grossen Anfangsschwierigkeiten und vielen Widrigkeiten in die Tat umsetzte. Heute darf er mit berechtigtem Stolz auf sein Lebenswerk, wie er selber sagt, zurückblicken.

Hilfe zur Selbsthilfe und Verantwortung

Bei der Erreichung des Ziels orientiert sich das Projekt an den UN-Kinderrechtskonventionen. In der täglichen Arbeit ist die Hilfe zur Selbsthilfe und die Übernahme von Verantwortung durch die einheimische Bevölkerung von zentraler Bedeutung, um eine längerfristige Veränderung zu bewirken. Die aktuellen Projektschwerpunkte umfassen die Bereiche: Bildung (Aufgabenhilfeprogramm, Einzelstützunterricht, Unterstützung bei der Einschulung, Familien- und Schulbesuche);(Ferienprogramme, Jugendprojekt «Zona adolescente», sonstige Aktivitäten);Ernährung, Gesundheit & Hygienesowie das Umfeld (Kommunale Entwicklung wie Recycling-Programm und Kleiderbörse). Das Projekt steht unter der Leitung des Schweizer Sozialpädagogen Marco Nyffeler und der ecuadorianischen Kinder- und Jugendpsychologin Alba Cisneros. Für einen Grossteil der täglichen Arbeit werden einheimische und internationale Volontäre eingesetzt. Die Verwirklichung der «Sueños» wird durch Spendengelder von Privatpersonen, Firmen und Schweizer Vereinen ermöglicht. Zusätzlich organisiert der im Dezember 2006 gegründete Verein «Pro Minadores de Sueños» diverse Veranstaltungen, deren gesammelte Erlöse direkt den Kindern vor Ort zugutekommen. Ich habe mich mit Marco Nyffeler unterhalten und ihm dabei einige Fragen gestellt. (Interview)

«Ich sehe mich als soziale Brücke zwischen zwei Welten»

Ich frage mich, woher Sie all die Kraft nehmen, um all die Probleme und Herausforderungen, die Sie tagtäglich in einer kräfteraubenden Umgebung bewältigen?

Wenn ich zurückdenke, hätte ich mir damals auch nicht vorstellen können, dass ich jemals so etwas aufbauen kann und diesen Herausforderungen gewachsen sein werde. Aber durch das doch eher langsame Entstehen über mehrere Jahre hatte ich auch die Möglichkeit selber darin zu wachsen und mich Schritt für Schritt den Problemen zu stellen. Auch begleitet mich ein immer anhaltender Optimismus, Glauben und Traum an etwas Gutem zu arbeiten. Im Alltag sind es die unzähligen Kinderlachen und zufriedenen Kinder in der Fundation, welche mit Ansporn geben es weiterhin auch so zu machen und nach vorne zu schauen.

Was war bei Ihnen der Auslöser, diese mittlerweile sehr erfolgreiche und staatlich anerkannte «Fundation» zu gründen und was waren Ihre Ziele damals in den Anfängen?

Die Idee, in der Ferne etwas zu bewirken, kam schon während meinem Studium der Sozialen Arbeit. Das es dann etwas Eigenes sein sollte, war anfänglich nicht so geplant, als ich dann nach mehreren Reisen nach Ecuador kam, spürte ich bald, dass es der Ort ist, wo ich gerne bleiben möchte. Einerseits bin ich mit meiner Mitgründerin der Fundacion auf einen Menschen gestossen, welcher mit gleicher Leidenschaft sich für das Wohl der Kinder einsetzen wollte und andererseits wusste ich, als ich den jetzigen Standort der Fundacion auswählte, dass ich am «Ziel» angekommen bin. Der rote Faden oder Ziel, die benachteiligten Kinder und Jugendlichen aus einem Viertel im Süden der Stadt Quito mit einer Präventivarbeit zu unterstützen und sie vom dem Weg zum Strassenkind und arbeitende Kind zu bewahren, war bereits seit Anfang klar. Die klare Idee ist wohl auch einer der Gründe, warum sich die Fundacion so positiv in den letzten Jahren entwickelt hat.

Können Sie behaupten, dass Sie Ihre gesteckten Ziele vollumfänglich erreicht haben und was steht noch an?

Nach 17 Jahren Aufbauarbeiten kann ich sagen, dass ich an dem Ziel angekommen bin. Der Bau mit der nötigen Infrastruktur wurde letztes Jahr mit den Detailarbeiten beendet, die Organisation hat sich entwickelt und zählt heute mit einem professionellen Team. Mit den Angeboten wie KITA, Aufgabenhilfe, Mittagstisch, Ferienprogramm und Jugendarbeit konnten wir eine ganzheitliche Betreuung in den Bereichen Bildung, Freizeit, Ernährung und Gesundheit umsetzen. Auch eine Betreuung über jedes Kindesalter mit der KITA ab dem ersten Lebensjahr gewährleistet. Die Jugendlichen sind herangewachsen und zeigen sich aktiv in den Aktivitäten mit den Kindern. Klar es gibt mittlerweile auch schon wieder neue Ziele und eine Horizonterweiterung. So möchten wir in Zukunft die Jugendarbeit ausbauen und die neue Lage durch die Krise, verlangt auch eine neue Orientierung und Fokussierung, damit an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen gearbeitet wird.

Werden Sie vom Staat Ecuador, der ja letztlich Nutzniesser Ihres Projekts ist, finanziell und materiell unterstützt?

Im Zusammenhang mit dem ecuadorianischen Staat haben wir mehrere Mal Projekte vor allem mit der Betreuung der KITA, gestaltet. Diese Zusammenarbeit ist aber nicht einfach. Einerseits sieht der Staat Präventivprojekte, wie das unsere, nicht als Priorität für eine Unterstützung, andererseits sind öffentliche Gelder mit einem sehr hohen administrativen Aufwand verbunden und der Staat fordert dann immer ein grosses Mitbestimmungsrecht für die Umsetzung dieser Gelder.

Wie sehen Sie die Zukunftsperspektiven Ihres Projekts?

Ich denke die Fundacion hat ein gutes Fundament, um ein zukünftiges Bestehen zu sichern. Lokal ist ein klarer Auftrag, welche sicher in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten ein Bedürfnis der Gesellschaft und der Familien in diesem Stadtteil bleiben werden. So gesehen gilt des prinzipiell die Aktivitäten der Fundacion langfristig umzusetzen und kleinere Aktivitäten je nach Bedürfnis der Bevölkerung zu lancieren.

Haben Sie noch weitere Projekte in dieser Form in Aussicht?

Wie oben erwähnt, in den Zielen gibt es bereits viele neue Pläne oder Träume, wie beispielsweise Angebote für Jugendliche im Lehrbereich anbieten. Aber im Moment soll die nächste Zeit für die Strukturfestigung genützt werden und ich persönlich will es vielleicht auch mal etwas gelassener nehmen. Das heisst, mich nicht gleich wieder in etwas Neues zu stürzen.

Wie viele Kinder, Angestellte und Helfer hat die Fundation aktuell?

Im Moment betreut die Fundacion wegen der Krise lediglich 60 Kinder. Vor der Pandemie wurden zusammen mit der KITA bis 120 Kinder und Jugendliche täglich betreut. In den mehrwöchigen Sommerferien waren es bis 200 Kinder und Jugendliche. Das Team ist in den letzten Jahren stetig gewachsen und es ist mir wichtig, dass es möglichst auch lokale Menschen sind, welche angestellt werden. So arbeiten im Moment 10 Personen in der Fundation und wir haben drei Volontäre und die Jugendlichen vom Viertel, welche uns tageweise unterstützen.

Wie bewältigen Sie die momentane Corona-Pandemie?

Ein bedürfnisorientiertes Arbeiten ist in der Grundphilosophie der Fundacion. So war es in der Pandemie eine spezielle Herausforderung diesem gerecht zu werden. Im April wurde ein Notfallprojekt innert wenigen Tagen umgesetzt, dies dank den vielen solidarischen Spenden. Mit den Abgaben der Lebensmittel konnte eine Tragödie mit Hunger und Not für 200 Familien über mehrere Monate aufgefangen werden. Für diese Familien war diese der einzige Ort, wo sie noch zu Lebensmittel kamen, da ihre finanziellen Einkommen komplett ausblieben. Im Moment ist der Fokus wieder auf die Kinder gesetzt und schon seit dem Juni gibt es auch direkt für die Kinder nebst der Zwischenverpflegung ein gesundes Mittagessen.

Mit der Corona-Situation haben wir bereits auch die «alten» pädagogischen Aktivitäten, wie die Aufgabenhilfe, neu organisiert und es wird sich zeigen, ob wir wieder nach dem alten Modell arbeiten können oder ob wir eventuell mit dieser bleibenden Situation auch uns ganz neu orientieren, indem wir nicht als unterstützendes Tagesangebot funktionieren, sondern die Bildung selbst in die Hand nehmen als informelle, alternative Kleinschule.

Was sind Ihre Hauptziele in den nächsten Jahren?

Das Hauptziel ist es sicher ein langfristiges Fortbestehen der Fundacion zu gewährleisten. Diese einerseits mit dem Bilden und Ausbilden der heranwachsenden Jugendlichen, damit wie lokales Personal fördern, welche eine Umsetzung in Zukunft selbstständig erarbeiten. Aber auch finanzielle Festigung, indem im bestehenden Spendernetz auch immer wieder institutionelle Partner gesucht werden, welche mit uns längerfristig zusammenarbeiten und die Fundacion unterstützen.

Ist die Zukunft der Fundation längerfristig gesichert?

Finanziell ist die Fundacion breit abgestützt, indem sie auf viele individuelle Spender zählt und mit den beiden Trägervereinen in Kölliken und in Deutschland schon institutionalisiert ist. Durch das stetige Wachstum der Fundacion sind aber diese Vereine, da es sich ausschliesslich um Freiwilligenarbeit handelt, an ihre Grenzen gestossen. Somit sind wie oben erwähnte neue Partner sicher notwendig.

Wo liegen die Hauptprobleme, Ihr Projekt auch längerfristig weiterzuführen?[HS1] 

Im Moment ist sicher die unstabile Lage in Ecuador in Wirtschaft und Politik etwas, welches man im Auge haben sollte. Andererseits sind Wirtschaftskrisen ein wichtiger Faktor, dass diese die Spenderfreudigkeit der Leute direkt beeinflusst. Wie bei jeder Organisation ist ein wichtiger Schritt, wenn die Gründungsmitglieder, welche der Motor einer Organisation sind, zurücktreten. Schon sehr früh sollte eine Idee vorhanden sein, wie so eine «Übergabe» aussehen könnte.

Wenn Sie heute auf Ihr Lebenswerk, wie Sie selber sagen, zurückblicken, stellt sich die Frage: Hat sich Ihr grosses und uneigennütziges Engagement, verbunden mit viel Schweiss, Sorgen und Ängsten unter dem Strich gelohnt?

Es wäre ganz schlimm, wenn ich das nicht sagen könnte. Klar, aus finanzieller Sicht, gerade wenn ich mit meinen gleichaltrigen Schweizer Freunden vergleiche, hat es sich ja nicht gelohnt. Aber in diesen Jahren habe ich viel Freiheit genossen, konnte meine Ideen und Träume verwirklichen, konnte jeden Abend zu mir sagen: «Heute hast du wieder Kinderherzen glücklich gemacht» und so gesehen hat sich natürlich das Ganze durchaus gelohnt und wurde auch belohnt. Da es sich um ein Lebenswerk handelt, liegt es ja auch auf der Hand, dass diese Arbeit mich wohl mein ganzes Leben begleiten wird.

Finden Sie auch Unterstützung von der Schweiz? Ich meine damit speziell die zahlreichen Hilfswerke, die solche Projekte finanziell unterstützen oder unterstützen sollten?

Bereits zählt die Fundacion auf einzelne Schweizer Vereine oder Stiftungen, welche uns eine wichtige Unterstützung bieten. Sicher ist, dass wir unter anderem genau auf neue Unterstützung von Hilfswerken angewiesen sein werden, um das Bestehen langfristig zu sichern. Ich denke, es gibt noch einige Hilfswerke, welche durchaus interessiert sein könnten, mit uns eine Partnerschaft einzugehen.

Wie schwer belastet die Corona-Pandemie Ihre Arbeit und wie sehen Sie die Zukunftsperspektiven?

Die Pandemie wird in Ecuador eine grosse Nachwirkung zeigen. Viele sind von der Armut in die extreme Armut heruntergerutscht. Es wird schwierig sein, dass diese Familien wieder einen Einstieg in eine Arbeit finden werden. So bleibt das informelle Einkommen, welche auf der Strasse mit Verkäufen von verschiedensten Artikeln gesucht wird. Diese wird wieder einen direkten Einfluss auf die Entwicklung der Kinder wegen einer Fehl- und Unterernährung haben, sowie auch die schlechteren Entwicklungschancen wegen fehlendem Zugang zur Bildung zur Folge haben.

Ich möchte mich abschliessend bei Marco Nyffeler von der «Fundacion Minadores de Sueños» für das Interview ganz herzlich bedanken. Wir alle wünschen ihm und der Fundation weiterhin viel Erfolg und hoffen, dass dieses tolle Projekt noch mehr Unterstützung findet als bisher. Wenn Sie für die Fundation spenden wollen, können Sie sich auf deren Homepage unter https://www.prominadoresdesuenos.org/ genauer informieren. Herzlichen Dank an dieser Stelle.