Maurice Steger und I Barocchisti Kunst, Tempo und Innigkeit

Der Blockflötist Maurice Steger gilt mit seiner weltweiten Konzerttätigkeit und Dirigent mit Recht zu den führenden Künstlern auf dem Gebiet der Alten Musik. Sein Auftritt mit den im Tessin domizilierten Barocchisti in der Aula unserer Kantonsschule war in jeder Beziehung ein Verwöhnprogramm erster Güte.



Maurice Steger und I Barocchisti Kunst, Tempo und Innigkeit

Wer mit Blockflöten zu tun hat, sich mit dem Bespielen des oft mit Verachtung gestraften Instrument auskennt und damit mehr oder weniger weiss, wie schwierig gepflegtes Ausdrücken sein kann, erblasste nach den ersten Sequenzen, die Maurice Steger mit den ebenso kunstvoll und hochpräsent begleitenden Barocchisti vortrug. Es glich einem musikalischen Feuerwerk, das einem anderen Planeten zu entstammen schien. Steger und das begleitende Ensemble bewegen sich mit immenser Eleganz in spielerisch gewiss Anspruchsvollem. Alle gestalten unvergleichlich schön, mit einer Innigkeit und Schönheit, die kaum mit adäquaten Worten ausgedrückt werden kann. Es ist die «Leichtigkeit des musikalischen Seins», die derartiges Interpretieren auszeichnet und beim Publikum auf immense Anteilnahme stösst. Die Brillanz, der Temporeichtum, die meisterliche Ausgestaltung, die unnachahmliche Kunst des Verzierens oder Dehnens bei Schlüssen gelangen wie Honig in die Seelen der Zuhörerschaft.
Mit gleichermassen grosser Verblüffung und Staunen folgt man der Rasanz, freut sich übers beseelte und kunstsinnige Ausgestalten. Es ist fast eine Überfülle an Freude, Glück, Vergnügen, Keckheit und Beseeltheit, die aufklingt, urplötzlich packend, um in ein stilles Nichts zu entschweben. Man sitzt und staunt, staunt über die Selbstverständlichkeit des Ausdrückens, über die immense Abgestimmtheit des Ensembles und des Solisten. Kaum ein Zeichen hat man sich fürs Einsetzen zu geben, Dynamik, Tempowechsel sind wie Automatismen, die in sich ein grosses Leben tragen. Noch selten wurden Piani in derart erfüllender Innigkeit gehört. I Barocchisti spielten sich in eine bedachtsame, feierliche und weit tragende Ruhe hinein. Sie übertrug sich auch nach dem Ausklingen aufs Publikum. Es nahm Andacht und erfüllende Innigkeit mit, wollte dieses Erleben in sich aufbewahrt wissen.

Maurice Steger lebt im Ausgestalten mit unvergleichlicher Virtuosität und feinsinnig-elegantem Spiel. Er ist ein musikalischer Magier, der über eine mehr als reichhaltige Palette an Intuitionen, akrobatischer Fingerfertigkeit, Schalk, Beseeltheit, Mimik, sehr körperbetontem Auftreten, Mitgeniessen und dezidiertem Leiten verfügt, der sein Ensemble lobt, sich nach dem Ausgestalten der anerkennenden Freude hingibt und sich nie als unnahbarer Star gibt.

Schwerpunkte des Konzertprogramms waren Werke von Antonio Vivaldi (1678–1741). Im Begleittext des Programms ist angemerkt, dass Vivaldi höchst talentiert und von geradezu manischer Schaffenskraft erfüllt war. Ihn zeichnete der Drang zur Perfektion, eine umfassende Bildung und hohe soziale Kompetenzen aus. Er soll zeitweise zu den vermögendsten Venezianern gehört haben. Die sechs Flötenkonzerte gehören zu den weit über 500 Konzerten, die er geschrieben hat. Maurice Steger machte auf Spannendes beim Interpretieren aufmerksam, auf seine Lust, vieles ungewohnt hörbar zu machen. Es ist schon beinahe unglaublich, wie verspielt, keck, erfrischend rasant, dann wieder Motive unendlich kunstvoll umspielend sein variantenreiches Ausdrücken ist. Hätte man diese Reichhaltigkeit als Blumenstrauss vor sich, würden viele Arten in einfach allen Farben und Schönheiten Platz haben.

Interpretiert wurde zu Beginn das Concerto grosso für Streicher und Basso contuinuo Nr. 3 in F-Dur von Alessandro Scarlatti (1660–1725). Es schloss das Conterto grosso für Blockflöte, Streicher und Basso continuo Nr. 11 in a-moll von Domenico Sarro (1679–1744) an.
Nach Vivaldis Concerto für Flautino, Streicher und Bc in G-Dur, RV 443 liess man die brillant gestaltenden Musiker nur ungerne ziehen.

Einer Zugabe konnten sie sich nicht verschliessen – nachdem sie sich mit sichtbarer Freude am süssen, von Martin Zimmermann, Vizepräsident der organisierenden Kulturgesellschaft Glarus, überreichten Geschenk gütlich getan hatten.