Mensch im Mittelpunkt: Ein Vormittag im Leben einer Schulsozialarbeiterin

Gerade in schwierigen Zeiten ist für die Glarner Bevölkerung ein sicheres Auffangnetz wichtig. Ein wichtiger Teil davon sind die Sozialen Dienste. Der Public Newsroom www.gl.ch stellt das Sozialwesen des Kantons Glarus in einer losen Serie vor. Aktuelles Thema: Aus der Schulsozialarbeit.



(Bid: iStock)
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Seit zehn Jahren arbeitet Melanie Kistler als Schulsozialarbeiterin. Kein Tag ist wie der andere. Dieser Bericht vermittelt einen Einblick in die Tätigkeit einer Schulsozialarbeiterin.

07.00 Uhr        
«Guten Morgen.» Während ich durchs Schulareal gehe, begegne ich einer Lehrperson. Sie spricht mich an: «Hast du kurz Zeit für mich? Ich möchte gerne mit dir über K. sprechen. Sie macht mir in letzter Zeit einen unglücklichen Eindruck. Ich weiss, dass ihr Grossvater gestorben ist.» Die Klassenlehrperson scheint beunruhigt. Wir besprechen das mögliche Vorgehen; die Lehrperson spricht nochmals mit K. und bietet ihr einen Termin bei mir an. In meinem Büro angekommen, starte ich den Computer. Ich lese und beantworte die vielen Mails, trage mir Termine ein. Da klopft es an meiner offenen Bürotür. Eine andere Lehrperson teilt mir mit, dass ein Schüler, der heute einen Termin hätte, krank sei. Ich höre die Schulhausglocke. Schon 10 vor 8. Ich prüfe meine Agenda und meine Notizen zu den anstehenden Gesprächen von heute.

08.10 Uhr        
«Wir sind etwas später, da wir noch Hände waschen mussten», meinen die zwei Knaben, die in meinem Büro stehen. Sie hatten eine Schlägerei auf dem Schulhausplatz und die Lehrpersonen haben sie angemeldet. Es geht nun darum, wie sie in Zukunft ihre Probleme ohne körperliche oder verbale Gewalt lösen können. Da die Versöhnung noch etwas Zeit braucht, vereinbaren sie einen Waffenstillstand. In acht Tagen werden wir uns wiedersehen, um zu überprüfen, wie es mit den beiden läuft.

08.45 Uhr        
Kaum habe ich mein Zimmer gelüftet, kommt das nächste Kind. Es ist sehr scheu und zurückhaltend, kommt auf die Empfehlung einer Fachlehrperson und wünscht sich, etwas mutiger zu werden. Wir schauen uns gemeinsam an, wo das «mutig sein» in letzter Zeit schon gut geklappt hat und wir freuen uns gemeinsam darüber. Wo gibt es noch Verbesserungspotenzial und was sind die nächsten Schritte? Wie spüren Aussenstehende, Eltern und Lehrpersonen, dass C. mutiger geworden ist? Bei all diesen Gedanken und Überlegungen, haben wir gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergeht und nun klingelt es schon zur Pause. «Kein Tag ist wie der andere».

09.35                
Ich gehe über den Pausenplatz, sehe Kindern beim Spielen zu, einzelne kommen kurz zu mir und wir machen «Small-Talk». Anschliessend gehe ich ins Lehrerzimmer. Ich bin froh, dass ich dort die Lehrerin X. treffe, da ich mich mit ihr noch wegen heute Nachmittag absprechen möchte. Dann nehme ich an einer regen Diskussion zum Thema kranke Kinder teil, die trotzdem in die Schule geschickt werden. Ich nehme mir vor, dies noch mit der Schulleitung anzuschauen.

10.00 Uhr      
Schon klingelt es und schnell gehe ich zurück an meinen Arbeitsplatz. Nun kommt eine Helfergruppe aus der Klasse XY. Dort gab es vor einiger Zeit einen Mobbing-Fall, bei welchem wir mit dem «No Blame Approach» gearbeitet hatten. Die Gruppe hat positive Erfahrungen mit ihren Hilfsangeboten gemacht und dem gemobbten Kind geht es inzwischen viel besser. Wir schauen gemeinsam an, wie sich die Situation für die ganze Klasse zum Besseren gewendet hat und schliessen das Gespräch mit einem guten Gefühl ab. Natürlich habe ich Ende letzter Woche auch noch dem gemobbten Kind A. gesprochen. Auch von ihm kamen positive Rückmeldungen. Für A. ist nun wieder ein entspannter Schulbesuch möglich.

10.30 Uhr      
Ich habe einen Termin mit der Drittklässlerin Z. Sie hat sich selbstständig an ihre Lehrperson gewandt und diese um einen Termin bei mir gebeten. Die Lehrperson konnte mir nicht sagen, was das Mädchen mit mir besprechen möchte. Also bin ich sehr gespannt, was es mir erzählen wird. Ein kleines, quirliges, rothaariges Mädchen klopft an meine Tür: «Magst du mir erzählen, warum du zu mir willst?», frage ich Z. Sie erzählt von Ängsten und dass sie schon viel versucht habe. Da ihre Freundinnen schon einmal bei mir waren, wolle sie versuchen mit meiner Hilfe ihre Ängste zu verringern. Ich bin gespannt, wie es in dieser Geschichte weitergeht.

11.00 Uhr      
Die Schulleitung klopft an meine Bürotür. Es ist Zeit für unser wöchentliches Gespräch. Wir sprechen über die Schulhauskultur, den Ansatz der neuen Autorität und unseren Eindruck über die Umsetzung in den Klassen und bei den Lehrpersonen. Wir besprechen einen Fall von möglichem Schulabsentismus (Schulschwänzen). Wir machen uns Gedanken über ein anstehendes Elterngespräch, bei dem es um mangelnde Unterstützung durch die Eltern geht. Wir überlegen, wie wir da vorgehen wollen.

11.40 Uhr      
Schnell mache ich mir noch ein paar Notizen und schaue in meiner Agenda, was am Nachmittag ansteht. U. a. bin ich in der Klasse XY und werde gemeinsam mit der Lehrperson den «Klassengeist» weiterentwickeln. Anschliessend habe ich noch die nächsten Tage zu planen und vorzubereiten. Am späteren Nachmittag findet noch ein Elterngespräch statt.

12.00 Uhr       
Das Mittagessen und die Pause habe ich mir verdient. Ich bin jeden Tag froh, eine solch sinnstiftende Arbeit mit vielen verschiedenen Menschen machen zu dürfen und unseren Kindern helfen zu können. Ich hoffe, noch viele Jahre in diesem tollen Beruf tätig sein zu können.