Mike Müller im Gemeindezentrum Schwanden

«Heute Gemeindeversammlung» – Gemeindepräsident, Protokollschreiber, Finanzverantwortliche, aufmüpfige Redner aus dem Publikum, Gäste aus dem Wallis und dem Muotatal und anderes.



Impressionen vom Gastspiel von Mike Müller im Gemeindezentrum Schwanden. (Bilder. peter meier)
Impressionen vom Gastspiel von Mike Müller im Gemeindezentrum Schwanden. (Bilder. peter meier)

Wenn eine Person mit sprachlicher Gewandtheit erster Güte in zahlreiche Rollen schlüpfen und diese mit bodenständigem Charme ausspielen kann, braucht es eine Form von Vielseitigkeit, die von Mike Müller bei seinem Gastspiel im Gemeindezentrum Schwanden mit enormem Geschick wahrgenommen wird. Mit seinem zuweilen derben Wortreichtum und Pointen ist er nahe bei den Leuten.

Und es sei vorweggenommen: Mancher echt amtierende Präsident, auch weibliche Vorsitzende gerne eingeschlossen, würde sich geehrt und im Amt bestätigt wissen, hätte er die gleich grosse Menge an abstimmungswilligen, debattierfreudigen und mehr oder weniger gut dokumentierten Leuten so vor sich, wie es bei dieser doch speziellen Müller`schen Gemeindeversammlung der Fall war.

Mike Müller begrüsste grad selber, mitten aus dem «Bad der Menge» heraus, rumwirbelnd, kommentierend, aufbauend. Zwei Stühle und Trinkbares genügten auf der Bühne, samt gut orchestrierter Beleuchtungsregie. Herr Gemeindepräsident Müller zeigte rasch auf, wer da das Sagen hat, wo die Sympathien liegen, was willkommen oder eben total daneben war.

Er ist der hemdsärmelige, nicht eben zartbesaitete Dorfpolitiker, verfügt über ein gutes Netzwerk – zuweilen leicht rissig. Er stellt Leute auf eine Art bloss, die zuweilen arges Stammtischniveau hat. Er tut das schauspielgerecht berechnend, im Wissen, dass er damit zahlreiche Lacher provoziert, das Publikum ganz rasch auf seiner Seite hat. Da zieht er alle Register, die geöffnet sein wollen. Er tut dies ohne Rücksicht auf Verluste, kümmert sich nicht um seinen eigenen Ruf. Das kommt gegen den Schluss der rund 80 wirbligen Schauspielminuten gar nicht gut. Er stellt – wie es auf den grossen politischen Weltbühnen zuweilen der Fall ist – die Vertrauensfrage. Und prompt ist er abgewählt, rumgrummelnd, echt und definitiv arbeitslos. Licht aus, fertig, riesiger Applaus, Zusatzrunde auf der Bühne, herzlicher Dank von Ruth Tüscher, Präsidentin des einladenden Kulturvereins Glarus Süd.

Aber was geschah alles bis zu dieser nicht unbedingt voraussehbaren Abwahl?

Nach dem «Sali zämä!» ging es ans Behandeln jener Traktanden, die landauf, landab auf vielen Einladungslisten zu einer Gemeindeversammlung zu finden sind. Es stachen heraus: Einbürgerung, Fusion der zwei Nachbargemeinden. Müller ist anfänglich so pingelig. Er kann es aber nicht lassen, auf Schwächen der Mitarbeitenden in der Kanzlei und in seinem Gremium oder den ewig gleichen Redner samt seiner sattsam bekannter Rhetorik und Ausfälligkeiten hinzuweisen. Die dazu gehörende Gestik könnte nicht klarer sein!

Müller, der seine Fähigkeiten auch als führendes Mitglied der UNO sähe, stellt seine politische Karriere so kurz vor, wie sie auch ist. Sie beginnt mit dem Amt des Stimmenzählers, wobei da nicht immer nach bestem Wissen und Gewissen ausgezählt wurde. Zur Politik sei er – so sein Bekenntnis – wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. Und man spürt bald: Dieser Gemeindepräsident weiss alles, einfach alles besser, auch wenn er Zusatzmeinungen von der Finanzverantwortlichen der Gemeinde, seinem Kanzlisten und anderen einholt. Aber diese Voten perlen an ihm ab, hinterlassen höchsten gemeindepolitisch kleine Pfützen – die sich aber über die gesamte Spieldauer hinweg zu einem veritablen Gewässer vergrössern.

Er ist der vielseitigste Kenner und Könner, ein «Glücksfall» für seine Gemeinde, in der jeder fast jeden kennt, um Gradliniges und anderes bestens Bescheid weiss und dies bereitwilligst der Öffentlichkeit preisgibt. Da bleibt fast nichts ausgeklammert – auch wenn es hinten und vorne nicht zu Traktandiertem gehört. Das handelt beispielsweise vom Problem öffentlich subventionierter Kindergeburtstage, musikalischer Aufwartung im Alpamare, Telefongespräch mit Hochvertraulichem (wobei zuerst das Kind zu besänftigen ist, das auf der Gegenseite dummerweise den Hörer abgenommen hat. Weiter geht es mit der Effizienz der beiden Feuerwehren nach der Fusion oder der Umgestaltung des Dorfwappens. Die Rede ist da von der eventuellen Aufnahme eines Delfins. Dass Einbürgerungen an diesem Orte noch anlässlich der jeweiligen Gemeindeversammlung stattfinden, ist landesweit eher ein Novum. Nur zeigt sich, dass der serbischstämmige Bewerber mehr weiss als der Gemeindepräsident. Wegen des mehrjährigen geplanten Vertrages um die möglichst optimale Reservierung einer passenden Gebäulichkeit in Fiesch oder dem Muotatal referieren Gäste, wobei Mike Müller auch mit Dialektgebundenem in erfrischendster Weise klarkommt.

Endlich kommt es zur Behandlung der geplanten Fusion. Müller wartet mit bestechenden historischen Gegebenheiten auf, bezieht EU und Bund auch mit ein, redet vom Kampf gegen den Kanton, von möglichen Steuerprivilegien für Neuzuzüger – es sei eine Formel 1 – Grösse zu erwarten, mahnt das Niveau hochzuhalten. Es wird eine vordergründig bewegende Fülle an Emotionen wach. Der Gemeindepräsident beschwört, verurteilt, mahnt, ist enorm herrisch, unwillig, verletzend Auf der Tonleiter der Gefühle klingt oft sehr Unharmonisches, gar Wildes auf. Es wird noch ein präsidialer, nirgendwo traktandiertes Geschäft ab präsidialem Stuhl eingebaut. Politischer Wildwest ist angesagt.

Es bleibt dann noch Zeit, sich über die Fusionen im Glarnerland zu besinnen. Mike Müller hat die uneingeschränkte Aufmerksamkeit längst auf seiner Seite. In seiner Gemeinde, damit an besagter Versammlung, ist schon zu viel aus dem Ruder gelaufen. Seine Abwahl ist mit der erfolgten Vertrauensabstimmung Tatsache geworden. Die Lichter gehen aus, der Nachfolger hat da vieles neu zu fügen.

Damit endete auch Gemeindeversammlung, nicht aber das Verweilen im Eingangsbereich – es gab unter den «Stimmberechtigten» vieles zu bereden.