Mit Haydn durch «Die Jahreszeiten»

Was Jahreszeiten in allen Lebewesen auszulösen vermögen, ist kaum beschreibbar. Es sind so viele Gefühle, Erlebnisse, Begegnungen, Ahnungen, Tatsachen, sanfte und schöne Momente neben Dramatischem, Belastendem. Sich damit auseinanderzusetzen, sich hineinzuhören, Texten aus längst vergangenen Zeiten zu lauschen und gar Adrettes, Wohlklingendes, dann wieder forsches Dahindrängen, gar unheilvolles Grollen ab Bühne zu vernehmen, ist ein durchaus willkommenes Geschenk.



(Bilder: pmeier)
(Bilder: pmeier)

Angeboten wurde diese riesige, die Interpretierenden sehr fordernde Vielfalt unlängst im Gemeindezentrum Schwanden. Auf Einladung des Kulturvereins Glarus Süd weilten das Symphonieorchester Vorarlberg, der Kammerchor Feldkirch und die Solisten Mara Mastalir, Sopran; Daniel Johannsen, Tenor; und Florian Götz, Bariton; unter der Gesamtleitung von Benjamin Lack an einem Ort, der sich erfreulicherweise auch für derart grosse, ansprechende Begegnungen bestens eignet.
Die Zuhörerschaft dankte mit verdient starkem, langem Applaus, dies nach bewegenden Momenten, dank spürbar sorgsamem Ausgestalten.

Joseph Haydn habe sich mit dem Ausschaffen dieses monumentalen Werks über zwei Jahre hinweg auseinandergesetzt, nicht immer gleichermassen begeistert und ausdauernd, bis es im April 1801 uraufgeführt wurde. Das Libretto von Baron Gottfried von Swieten habe ihm gar nicht gepasst. Dies und anderes flocht Markus Zünd, Vorstandsmitglied des organisierenden Kulturvereins, in seine Begrüssung ein.

Die Mitglieder des Symphonieorchesters Vorarlberg gestalteten ihren riesigen Part inhaltsstark, in grosser Abgestimmtheit, mit hoher Perfektion und weiten Spannungsbögen. Viele hatten zuweilen kurze, sehr anspruchsvolle Soli auszugestalten. Da waren es nicht nur die Klänge der Oboe, die tragenden Töne der Hörner oder kecken, heiklen Läufe der Streicher, die einen faszinierten. Dazu kamen die emotionsstarken Leistungen der Solisten und des Chors. Benjamin Lack dirigierte mit hoher Präsenz, markantem knappem Andeuten, weit ausholendem Fordern. Seine klugen Intentionen wurden mit der Fähigkeit zu differenziertem Ausgestalten aufgenommen. Die Solisten sangen bewegend, sorgsam abgestimmt, dynamisch jeweils behutsam aufbauend. Das Orchester begleitete spürbar einfühlend, stimmungsadäquat, kraftvoll, dann wieder enorm behutsam, mit zuweilen willkommener Zurückhaltung. Der Chor nahm die textbezogenen Stimmungen bereitwillig auf.

So erlebte man in der Einführung zum Frühling die ersehnten Abkehr vom Winter, machte dem «Holden Lenz» gerne Platz und nahm Kenntnis von der Arbeit der Bauernsame und deren Bitten gen Himmel. Der Himmel, so ein Teil des Texts, möge allen gnädig sein. Und so war es denn auch, wie hätte man sonst in «O wie lieblich ist der Anblick» einzustimmen vermögen. Die Natur belohnte die Tüchtigen, erhörte die naive Frömmigkeit dank Libretto. Es war so viel Liebliches, Anmutiges, kindliche Freude, Dahintanzen in diesen musikalischen Botschaften.

Und es kamen die weiteren Jahreszeiten. Zuerst war es der Sommer, der sich noch bedeckt zeigte, der Sonne nur zögerlich Platz gewährte. Es brauchte die Hörner, deren exponierte Einsätze, damit der Hirte in die Jauchzer der Natur einstimmen konnte, bevor sich – wie es in wohl jedem Sommer der Fall ist – Unwetter , düstere Wolken und lähmende Hitze breit machten. Musikalisch wurden die gar verschiedenen Stimmungen gar einfühlend und packend umgesetzt. Im Verlaufe der Arie mit dem schicksalsschwangeren «Welche Labung für die Sinne» wechselten sich Oboenklänge mit der kokettierenden Eleganz der Sopranistin gar liebenswert.

Und im Verlaufe eines musikalisch so wechselvollen Herbsts erfuhr man, dass die «Natur den Fleiss zu lohnen vermag» , dass die Schönen aus der Stadt zum Feiern eingeladen sind, dass es «am Rebenstock blinke» und den Festen nichts mehr im Wege stehe. Es war innig, voller Jubel und Beschwingtheit, geprägt von Leidenschaft, Verspieltheit und Ungeduld.

Und mit dem Winter «senkte sich das blasse Jahr» dem Ende zu. Der See ist leblos, vereist; Licht und Leben seien geschwächt. Es kommt die Arbeit im Hause mit Spinnen und Weben der Stoffe. Es nahen aber auch die Freude aufs erneute Erwachen, auf das «Anbrechen des grossen Morgens», auf den Wiederbeginn des Kreislaufs.

Eine fast überbordende Fülle an Gefühlen und Stimmungen, ein stetigesArtikel Wechseln von Stimmungen und musikalisch Vorgegebenem galt es erfüllend auszudrücken, auszusingen. Wäre doch zuweilen der Ernst auf den vielen Gesichtern der Chorleute und Solisten einem frohen Strahlen gewichen – das ist dann auch der einzige Einwand, den es zu machen gilt.

Das Gemeindezentrum Schwanden war Ort der Premiere, bevor weitere Aufführungen erfolgten. Das Begegnen war erfüllend, inhaltsstark, bewegend und willkommen.