Musik des Lebens

Musik gehört zu den Dingen im Leben, die überhaupt nicht notwendig sind. Ohne sie könnte man problemlos existieren. Trotzdem scheint uns Musik so wichtig zu sein, dass sehr viele Menschen nicht schlecht in der Musikindustrie verdienen können.


Aber wieso hat Musik einen so hohen Stellenwert in unserem Leben? Ich glaube Musik wurde vor allem für die Pendler und Zugbenützer erfunden, denn die ganze Zugfahrerei –ein Auswuchs des Teufels – wäre gänzlich unerträglich ohne sie. Mit einer mobilen „magischen“ Musikmaschine in der Tasche und zwei „Stöpsel“ im Ohr fällt es einem viel leichter auf den Zug zu warten. Egal ob man wegen des schnellen Rhythmus des Liedes viel zu früh auf dem Bahnsteig steht oder der Zug seine zeitliche Vorgabe nicht ganz einhalten konnte. Auch im Zug selber bewahrt die musikalische Berieselung vor vielen Unannehmlichkeiten. So kann man noch schlaftrunken und „morgenmufflig“ nervtötenden und anstrengenden Unterhaltungen mit oberflächlich bekannten Menschen viel leichter aus dem Weg gehen. Auch der Lärm von Kleinkindern erscheint weniger nervig und erweitert höchstens den Musikgenuss zu einem Live-Konzert. Neben diesen Nettigkeiten, die einem die Musik bereiten kann, ist vor allem der eigene Musikgeschmack ein heisses Thema. In einer Gesellschaft in der Musik einen hohen Stellenwert hat, wäre anzunehmen, dass auch die Musik auf ein hohes Niveau erhoben wird. Sieht man aber auf aktuelle Hitlisten, muss man diese Aussage deutlich relativieren und am gesunden Menschenverstand und Musikverständnis seiner Mitmenschen arg zweifeln. Aber hier kann man deutlich eine gewisse Toleranz erkennen. Man lässt den anderen ihre Musik, so lange der eigene Geschmack nicht angetastet wird. Nur so ist die geringe Zahl an spontanen Erschiessungen wegen nervender Klingeltöne überhaupt zu erklären. Den Stellenwert der Musik erkennt man auch schnell in einem Gespräch mit noch wenig bekannten Personen. Diese mehr an Verhöre erinnernden Gespräche haben immer folgende Fragen in petto: Wie heisst du? Was machst du? Kannst du mir auch in die Augen schauen? (Nur von Frauen gestellt) Was für Musik hörst du? Hast du nicht was anderes zu tun? Der Musikgeschmack ist also wichtig zur Einschätzung einer Persönlichkeit. Schwierig ist dabei die Antwort, wenn man einen eher speziellen und individuellen Geschmack hat, und nicht die ersten 20 Plätze der Hitliste runterleiern kann. Nennt man seine Lieblingsinterpreten oder –bands, auch wenn man ganz genau weiss, dass diese unbekannt sind? Nach mehreren Versuchen wird man das schnell bleiben lassen. Wenn man einen nichtssagenden Gesichtsausdruck sehen will, kann man sich auch einen Zombiefilm ausleihen. Also kramt man in seiner imaginären Musiksammlung, um wenigsten etwas zu finden, bei dem die Chancen nicht ganz bei Null stehen, dass wenigstens der Name bekannt vorkommt. Zwar ist die Unterhaltung mit ziemlicher Sicherheit bald am Ende angekommen, dafür wird man nicht für eine musikalische Abnormität gehalten. Es gibt demnach nur eine Möglichkeit sich ein wenig vor diesen unangenehmen Situationen zu schützen. Und damit ist nicht die Flucht in die Einsamkeit gemeint. Nein es ist viel schlimmer! Man muss sich entweder über Radio oder Fernsehen informieren, was gerade angesagt ist und aus diesem Super-Angebot an toller und hammermässigen Musik die „Perlen“ herauspicken. Es ist eine verdammt unangenehme Aufgabe, aber sie muss getan werden, für das eigene Wohl.