Eigentlich ist es müssig, auf diese Frage eine Antwort zu suchen – weil das Erleben für sich sprach. Es lässt sich kaum in adäquate Worte fassen, was an Vielfalt, Eleganz, Genuss, Anteilnahme, Begeisterung und Bewunderung passierte. Zum einen war es das Orchestra da Camera di Mantova, das so feinsinnig, meisterhaft abgestimmt und mit inniger Virtuosität musizerte, zum andern war es Sol Gabetta, die so glänzend disponiert war und mit dem Orchester zeitweise zu verschmelzen schien, auch inmitten wirbligster Läufe Zeit für ein Lächeln nach links oder rechts fand, innerlich mitschwang, wenn das Orchester allein interpretierte, sich mit ihrer jugendlich heiteren Art und ihrem feinsinnigen Reichtum und ihrer immensen Virtuosität wahrlich in die Herzen der Zuhörer hineinspielte. Wenn von dem berühmten überspringenden Funken geschrieben wird, traf das nach wenigen Takten aus der ersten von Vivaldis mehrsätzigen Konzerten uneingeschränkt zu. Zuweilen schien es, als werde man in himmlische Sphären entführt, um dort alsogleich in lichten Weiten und hellsten Weiten zu verharren, und dann wenig später wieder zurückzuschweben in beinahe dramatische musikalische Gefüge. Sol Gabetta und die Instrumentalisten spielten mit jener Leichtigkeit des Seins, die wohl viele angehende Künstlerinnen und Künstler trotz ernsthaftestem Üben nie erreichen, weil es schlicht und einfach nur ganz Begabten mit jenem Quäntchen Musikalität und Professionalität und der Fähigkeit gelingt in der wahrlich fordernden, hohen Kunst des wechselvollsten Zusammenspiels, Perfektion und Musikalität bestehen zu können. Das brachten die Orchesterleute, übrigens mit auffallend vielen männlichen Spielern, in beeindruckendster Vollkommenheit mit. Zur hohen Spielkunst und Perfektion gesellte sich das spürbare Geniessen mit nachhaltig immenser Präsenz. Die vom musikalischen Leiter und führenden Geiger Carlos Fabiano ausgehenden Impulse wurden gar markant und kunstsinnig aufgenommen und im Ensemble so umgesetzt, dass sich die Hinhörenden in einem wahren Meer von Farben wähnten. Es blieben auf dieser Seite des «Orchestergrabens» Staunen, Freude, zuweilen fast atemlose Spannung. Es wuchsen Impressionen mit tiefgreifender Schönheit und Eleganz. Sol Gabetta bereicherte diese wechselvolle Kurzweil mit unerhört reifem Spiel, mit hingebungsvoller Klarheit und Gestaltungskunst, die kaum mehr überbietbar scheint. Es sind die perlenden, rasanten Läufe, das langsam verklingende Pianissimo, der Mut zum Warten im einen oder anderen Moment aller Klänge, das neckische Spiel mit der Melodie. Reife und kunstvolle Fertigkeit sArtikelchienen sich manchmal auf einem andern Planeten abzuspielen, so entrückt und lieblich wurde interpretiert. Das instrumentenbezogen «Handwerkliche» rückt in solchen Momenten weg, man geniesst die glückbringende Musikalität mit dem immensen Reichtum an Stimmungen. Man hätte noch so lange verweilen und begeistert Anteil nehmen können, auch nach dem letzten der vier Konzerte von Antonio Vivaldi (1678–1741) und Giovanni Platti (1697–1763) und den beiden gar lieblich anzuhörenden Orchesterwerken von Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788) und Mozart (1756–1791). Zwei Zugaben waren ein lebensfroher Dank für den stürmischen, fast nicht endenden Beifall der spürbar berührten Zuhörer.
Musik vom Allerfeinsten
Waren es Antonio Vivaldis hervorragende Kompositionen, der Bekanntheitsgrad der Cellistin Sol Gabetta oder das Orchestra da Camera di Mantova oder einfach die Summe des Angekündigten, die zur praktisch voll besetzten Aula der Kantonsschule Glarus geführt hatten?