Musikwoche Braunwald – stilvolle Eröffnung

Wenn «hoch über dem Alltag» – genauer in Braunwald – wiederum eine der vielen Musikwochen eröffnet wird, kommt das stets dem Beginn einer Vielfalt von verschiedensten kulturellen Begegnungen gleich; einer Vielfalt, die sich nicht bloss auf Vorträge und Konzerte beschränkt. Zur Musikwoche gehören auch Begegnungen mit Bekannten, anregende und interessante Gespräche, kulinarisches Verwöhnen aus der «Bellevue»-Küche, Gastfreundschaft, Spaziergänge und erholsames Verweilen.



Musikwoche Braunwald – stilvolle Eröffnung

Hans Brupbacher, Präsident des Vereins Musikwoche Braunwald, hiess die Gäste mit dem Beginn der 82. Musikwoche herzlich willkommen, um sich in der Folge mit dem Thema zu befassen, das Begleiter dieser Woche sein wird. «Aus den Fugen» lautet der Titel – Ausgangspunkt für ein vielschichtiges Auseinandersetzen, gar verschiedenes Deuten auslösend. Die Fülle der klug ausgewählten Angebote beschränkt sich nicht auf Braunwald, Konzerte sind auch in der reformierten Kirche Linthal und im Gemeindezentrum Schwanden angeboten. Im Detail auf alles hinzuweisen, hätte bei der Begrüssung keinen Sinn ergeben. Das gedruckte Programm der Musikwoche enthält eigentlich alles, was gefragt und notwendig ist. Und wenn Brupbacher vom «Leuchtturm der Musikwoche» schreibt, dessen Licht bis Schwanden und ins Tierfehd strahlt, ist das angesichts der Begegnungen mit der Sopranistin Simone Kermes und der Cappella Gabetta in Linthal oder dem Klaviertrio der Tonhalle Zürich in Schwanden keineswegs übertrieben. Weltstars und junge Talente laden zum Besuch ein. Brupbacher dankte allen, die zum überzeugenden Gelingen der vielen Begegnungen beigetragen haben – beim sorgsamen Vorbereiten der Veranstaltungen, dem Verpflichten der Interpretinnen und Interpreten, den willkommenen und verständnisvollen finanziellen Unterstützern, den Gastgebern vor Ort und allen, die vom kulturellen Angebot als Besucher Gebrauch machen. Das Engagement des künstlerischen Leiters, Michael Eidenbenz, wurde besonders hervorgehoben.

Die grösstenteils aus Musik und Lesungen bestehende Welt wird während der Braunwalder Musikwoche nicht «Aus den Fugen» geraten, sei sie noch so abwechslungsreich und beinahe allen Schaffensrichtungen Raum gewährend. In dieser heutigen Zeit ist Derartiges mehr als willkommen.

Konzert und Lesung gestalteten am ersten der sieben Tage der Buchautor Alain Claude Sulzer, 1953 in Riehen bei Basel geboren, heute in Basel, Vieux Ferrette und Berlin lebend und der Pianist Oliver Schnyder aus. Mit zwei längeren Essays und dem Lesen aus seinem Roman «Aus den Fugen» gewährte Sulzer Einblicke in sein literarisches Schaffen, das Bezug zur anschliessend von Oliver Schnyder interpretierten Klaviersonate Nr. 29 in B-Dur, op. 106 «Hammerklavier» von Ludwig van Beethoven hatte. Der Roman ist ebenso weit fassend geschrieben, wie die aus grandiosen, spannenden Klängen bestehende Welt der Klaviersonate.
Sulzer zeigte unter anderem auf, wie der Weg zum vollendeten Klavier verlief, wie gross und langwierig die Zahl der Entwicklungsstufen war, was es brauchte, damit Pedalen, Resonanzböden, Hämmer und Saiten derart konstruiert und aufeinander abgestimmt waren, dass «der grosse Ton endlich im Kasten» war. Die Rede kam auf Komponisten und Pianisten, die dem Klavier Gesänge dann zu entlocken vermögen, wenn man sie fühlen kann. Und nicht selten versucht einer das zu verwirklichen, was sich der andere sehnlichst wünscht. Sulzer erwähnte Piano-Manufakturen, die sich gegenseitig hochpushten und Grandioses zu erbauen wussten. «Move» ist ein Begriff, der in jede Musiklandschaft gehört, Entwicklungen, Sanftheiten, Erschütterungen, Stille und Schroffes loszutreten vermag.

Der Musiker ist Bote dieser Empfindung und Entwicklung, er bringt Bewegung ins musikalische Geschehen. Sulzer las anschliessend aus seinem Roman von Sophie und Klara und dem Starpianisten Marek, einst international gefeiert, der sein Spiel während eines Auftritts abbrach und mit den Worten: «Das war`s» den Klavierdeckel schloss und den Saal verliess. Dieser Entscheid lenkte Marek Olsbergs Leben in ganz andere Welten.

Oliver Schnyder befasste sich vor der brillanten Interpretation auf riesig charmante Art mit dem «Hammerklavier», einer Komposition, die vor gut 200 Jahre entstanden sei, die als «Mammutwerk» gelte und 50 Minuten zu dauern pflege. Erst einmal habe er das in einer Aufführung gehört. Er habe zwei Monate Zeit gehabt, um alles einstudieren zu können.

Er redete von Fugen und Fantasien in 21 Variationen, von gewissen melodischen Freiheiten, dem Weg zum musikalischen Höhepunkt. Der Pianist erläuterte das auf gar liebenswürdige Art, als sei alles ein Spaziergang auf beinahe kinderleicht zu beschreitenden Wegen. Und Schnyders Spielkunst – er interpretierte alles auswendig – war ein erfüllendes Erleben, geprägt von wechselvollster Kunst, mitreissend, entrückt, kurzweilig, machtvoll, leichtfüssig, dahinschlendernd, Ungeduld, Tanz. Anteilnahme und riesiger, stark anerkennender Beifall waren spürbar gross, verdient.

Und am Abend stand Jazz auf dem Programm. Cathryn Lehmann (Gesang) und der Pianist Philippe Kuhn luden zum genussvollen und spannenden Mitvollziehen ein. Die Sängerin wurde 2001 vom schweizerischen Soulinterpreten «Seven» in seine Band geholt. Sie unterrichtet Sologesang und leitet verschiedene Kinder- und Jugendchöre. Philippe Kuhn ist stark gefragter Begleitpianist, Studiomusiker, mit seinem Jazzquartett «Soul Department» oft auf Tournee und Lehrbeauftragter an der Kanti Baden.