Naturgefahren - Erkennen und Respektieren

Seit jeher bedrohen sie unsere Gebirgstäler, die Naturgefahren, die sich vor allem aus der Bewegung von Wasser-, Schnee-, Eis-, Erd- und Felsmassen an der Erdoberfläche ergeben. Die massgebenden Vorgänge - fachlich spricht man dabei von Prozessen - sind Lawinen, Murgänge ("Rüfen"), Hochwasser, Überschwemmungen sowie Rutsch- und Sturzbewegungen von Erd- und Felsmassen.



Die Folgen des letztjährigen Unwetters (Bild: e. huber)
Die Folgen des letztjährigen Unwetters (Bild: e. huber)

Präsent sind uns im Glarnerland sicher noch die eindrücklichen Ereignisse vom August 2005. Überschwemmungen fanden entlang der Linth statt, tangierten verschiedene Industrie- und Gewerbezonen und verursachten hier die grössten und die meisten Schäden. Gesamthaft wurden rund 15 ha Industrie- und Gewerbezonen, rund 7 ha Wohngebiete und 30 ha Kulturland überschwemmt. Wuhrschäden an der Linth und am Löntsch sind die grössten Infrastrukturschäden. Total hatte dieses Unwetter eine Schadensumme von Fr. 33'000'000.-- zur Folge. Dazu kommen wasserbauliche Folgeprojekte für ca. Fr. 16'000'000.--. Weitere Beispiele sind die Bergstürze auf der Sandalp (1996) und vor allem aber auch die Vorgänge im 1999. Das Jahr 1999 begann mit einer aussergewöhnlichen Lawinensituation wo z.B. Elm während 10 Tagen abgeschnitten war. Dann ging es gegen den Frühling weiter mit Rutschungen in Braunwald und Murgängen in Rüti. Schlussendlich kam es an der Auffahrt und an Pfingsten noch zu Hochwasser am Walensee und Überschwemmungen in den Talebenen des Glarnerlandes.

Abläufe verstehen und analysieren

Der Umgang mit Naturgefahren ist eine der anspruchvollsten Aufgaben die sich den Bewohnern des Alpenraumes stellt. Am Anfang jeder Beschäftigung mit Naturgefahren stehen das Erkennen und die Beurteilung der Gefahr. Mit Hilfe von Spuren im Gelände, Aufzeichnungen über vorgekommene Ereignisse und immer mehr auch mittels Berechnungen sowie Modellierungen können wir unser Verständnis für den Ablauf eines Prozesses in der Natur verbessern. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse liefern uns wichtige Informationen bezüglich der Intensität einer Gefahr und der Eintretenswahrscheinlichkeit. Das Produkt aus diesen Abklärungen heisst Gefahrenkarte. Sie hält fest, wann wo und mit welcher Gefahr zu rechnen ist.

Nur das Vorhandensein einer Gefahr allein, wäre an und für sich jedoch noch nicht gefährlich. Ob ein Ereignis im einzelnen Fall tatsächlich zu einem Schaden an Menschen und oder Gütern führt, hängt in erster Linie davon ab, ob sich zum Zeitpunkt des ablaufenden gefährlichen Prozesses Menschen und oder Güter in dessen Wirkungsbereich - z.B. in der Lawinenbahn oder in deren Ablagerungsbereich - befinden.

Das richtige Verhalten üben

Früher war die Bevölkerung unserer Gebirgstäler auf sich selbst gestellt und wusste sehr wohl mit diesen Risiken umzugehen. Für das richtige Verhalten gegenüber der Gefahr kennen wir den Begriff der „Passive Massnahmen“. Im Vordergrund steht nicht die Beeinflussung oder Eindämmung der Gefahr, sondern die Reduktion der potentiell gefährdeten Werte. Einfach zusammengefasst bedeutet dies im weitesten Sinn das Ausweichen vor der Gefahr. Oftmals wird diese Strategie leider gleichgesetzt mit einem passiven Verhalten, obwohl das Ausweichen ein äusserst aktives Denken und sinnvolles Handeln voraussetzt. Eine zentrale Rolle bei diesem präventiven Verhalten spielt dabei die Raumplanung. Einerseits kann sie mit der Steuerung der Landnutzung die Gefährdung reduzieren und mit dem Ausweichen in ungefährliche Gebiete das Schadenpotenzial reduzieren.

Sicherheit dank Technik?

Dem gegenüber steht unser Streben nach „Aktiven Massnahmen“ wie Verbauungen, Direktschutz („Ebenhöch“), Gewässerkorrekturen, Ablenkdämmen, Geschiebesammler etc. Seit den grossen Hochwasserkatastrophen im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert entwickelte sich vermehrt die Überzeugung, dass man Gefahren mit solchen aktiven Massnahmen abwehren, lenken oder zurückhalten könne. In der Folge unternahm die öffentliche Hand grosse Anstrengungen um Menschen und Sachwerte zu schützen. Allerdings wurden die Probleme nur objektbezogen gelöst. Verschiedene grössere Ereignisse in den letzten 20 Jahren (Uri 1987, Brig 1993, Sachseln 1997, Gondo 2000, Bündner Oberland 2002, Unwetter 2005) haben jedoch unsere Vorstellungen von perfekter Sicherheit als Illusion entlarvt. Technische Massnahmen können nie eine absolute Sicherheit vor Naturgefahren bieten. Es bleibt immer ein Restrisiko, das vernünftig abgeschätzt werden muss.

Allerdings stellen wir fest, dass dieser Begriff des Restrisikos sehr dehnbar ist und in verschiedenen Lebensbereichen des Menschen unterschiedlich bewertet wird. Wir leben heute anders mit Risiken als früher. In der Gemeinschaft fordern wir möglichst absolute Sicherheit, während wir z.B. im Freizeitbereich bewusst hohe Risiken eingehen. Dazu gehört unter anderem unsere Bereitschaft, Tote im Strassenverkehr (CH pro Jahr 600) ohne weiteres zu akzeptieren, ganz im Gegensatz zu Todesfällen bei Naturereignissen.

Der Wald – die beste Verbauung

In der heutigen Zeit erhalten deshalb die Prävention und die „Passiven Massnahmen“ eine immer grössere Bedeutung. Ein wichtiger Pfeiler ist dabei der Schutzwald. Unser Schutzwald dosiert den Abfluss und schützt vor Hochwasser und Murgang. Er bremst und stoppt Steinschlag und schützt gegen Rutschungen. Nicht zuletzt verhindert er auch zuverlässig das Anreissen von Lawinen und ist damit die beste Lawinenverbauung. Erfreut dürfen wir feststellen, dass diese Tatsache unseren Glarner- und Sarganserländer Gemeinden sowie Ortsgemeinden, welche in unserer Region über 90 % des Schutzwaldes besitzen, bewusst ist. Sie wissen, dass die Pflege des Waldes die günstigste und kostenwirksamste Schutzmassnahme ist und nehmen diese Aufgabe sehr ernst.