Naturnahe Waldpflege zum Schutz der Dörfer

Mit Getöse stürzt die Lawine oder der Felsblock vom steilen Berghang. Gut sicht- und hörbar unten im Dorf. Ohne Wald würde es so richtig gefährlich. Die bewaldeten Hänge verhindern Lawinenanrisse sowie Erosionsflächen und halten Steine zurück. Damit das Schutzschild funktioniert, spannen Natur, Förster und Jäger im Hintergrund zusammen.



Gewisse Gams-Tiere trifft man regelmässig im Wald an. Die «Waldgämsen» verbeissen dort auch Baumtriebe. (Foto © Marco Banzer)
Gewisse Gams-Tiere trifft man regelmässig im Wald an. Die «Waldgämsen» verbeissen dort auch Baumtriebe. (Foto © Marco Banzer)

Der kantonale Lawinenkataster listet für die letzten sechs Jahre weit über hundert Lawinenereignisse im Glarnerland auf. Fast vierhundert Lawinenzüge prägen die steilen Berghänge. Nur selten werden das weisse Naturgut, Schlamm-Geröll-Lawinen und Steinschläge den Dörfern aber wirklich gefährlich. Wald sei Dank! Fast die Hälfte des Glarner Waldes schützt von diesen Gefahren von oben. Das ist nicht einfach naturgegeben. Es braucht eine vorausschauende Waldbewirtschaftung sowie Lösungen gegen Wildverbiss.

Stabil dank Vielfalt

Damit die Abwehr gegen Naturgefahren funktioniert, bewirtschaftet der Forstdienst den Glarner Schutzwald naturnah. In den letzten Jahren waren es rund 400 Hektaren pro Jahr. Ein Waldbestand schützt gut, wenn er aus gesunden und stabilen Bäumen jeder Altersklasse sowie verschiedenen einheimischen Baumarten besteht. Genug Licht sollte auf den Waldboden gelangen, damit viele Jungbäumchen, die Schutzschilder der Zukunft, aufwachsen können. In einem solchen Wald wimmelt es meist von Waldtieren und -pflanzen. Eine grosse Artenvielfalt macht den Wald robuster und widerstandsfähiger nicht nur gegen Schäden durch Lawinen und Steinschläge, sondern auch gegen andere Umwelteinflüsse. Liegendes und stehendes Totholz wird gefördert und hilft mit: Eine aktuelle Studie des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung in den ehemaligen Windwurfflächen am Gandberg ob Schwanden zeigt, dass Totholz nicht nur die Artenvielfalt begünstigt, sondern auch Schnee und Steine zurückhält. In den letzten Jahren wurde im Glarnerland ein Drittel des geschlagenen Holzes im Wald belassen.

Mehr Nahrung gegen Verbiss

Bei der Planung der Schutzwaldbewirtschaftung müssen auch Lösungen für natürliche Einflüsse wie den Wildverbiss gefunden werden. Wenn die Nahrung im Winter knapp ist, knabbern Rothirsche, Gämsen und Rehe an jungen Baumtrieben, die aus dem Schnee ragen. Für die Natur ist das kein Problem. Verbiss kann aber auf Dauer die Schutzfunktion des Waldes schwächen. Bei rund 1000 Hirschen, 5000 Gämsen und 2000 Rehen im Glarnerland schenkt das ein, auch wenn nicht alle dieser wilden Huftiere im Wald leben. Auf 45 Prozent der Glarner Waldfläche gefährdet Wildverbiss das Aufwachsen von Baumarten wie der Weisstanne, den Ahorn-Arten und der Vogelbeere. Die Jäger helfen wirkungsvoll, den Verbiss in Schranken zu halten. Jährlich werden rund 300 Hirsche, 600 Gämsen und 500 Rehe erlegt. Gams-Tiere, die sich bevorzugt im Wald unterhalb von 1400 m ü.M. aufhalten, werden verstärkt bejagt. Und die Wildhut reguliert auch in den Jagdbanngebieten die Huftiere im Schutzwald. Auch die heimischen Grossraubtiere Luchs und Wolf sind Teil der Lösung: Sie helfen, die Wildhuftiere zu bejagen und im Schutzwald zu verteilen. Eine Masterstudie aus dem Kanton St. Gallen stellte fest, dass die Anwesenheit von Luchsen den Verbiss an Weisstannen reduzieren konnte. Der Forstdienst lichtet ergänzend dazu dunkle Waldbereiche auf und fördert damit nicht nur die Jungbäumchen, sondern auch die Krautschicht am Boden und damit das Nahrungsangebot für die grossen Pflanzenfresser. Zudem hält er zusammen mit den Jägern ungestörte Waldwiesen als Futterplätze für das Wild frei und schafft vielfältige Waldränder.

Mehr über den Schnee und seine Auswirkungen auf Mensch und Natur erfährt man im Vortrag «Glarner Lawinen – zerstörerisch und wiederbelebend» von den Wald- und Naturgefahren-Spezialisten des Kantons Glarus. Er findet am 24. Februar um 19.00 Uhr im Hotel Glarnerhof in Glarus statt. Bis Ende März kann zudem die Ausstellung «Schnee!» im Naturzentrum Glarnerland im Bahnhofsgebäude Glarus besichtigt werden.

Mehr Infos unter www.naturzentrumglarnerland.ch

Sorgenkind Weisstanne

Insbesondere die Weisstanne, vor allem deren Jungbäumchen, leidet unter dem Wildverbiss. Deswegen und weil sie in früheren Zeiten der Fichte als wertvollere Nutzbaumart weichen mussten, sind Weisstannen heute im Glarner Wald stark untervertreten. Sie weisen hervorragende Schutzeigenschaften auf: Im Gegensatz zur Fichte fault die Weisstanne bei Stammverletzungen kaum, ist durch ihre tiefen Wurzeln standfest und stirbt bei Borkenkäferbefall nicht flächig ab. An geeigneten Standorten pflanzt der Glarner Forstdienst deswegen aktiv Weisstannen-Nachwuchs und umsorgt diesen auf Kantonsgebiet mit mittlerweile über 300 Schutzzäunen.