Nei, ä so öppis! Das Du für alle



«Nei, ä so öppis!»: Das Du für alle (walter lehmann)
«Nei, ä so öppis!»: Das Du für alle (walter lehmann)

Unsitte, Unverstand oder nie dazu erzogen zum anständigen Grüezisagen? Im Mittelalter sprachen sich die Leute durchwegs mit du an. Etwa ab der frühen Neuzeit (1500–1800) kamen die vom Hofstaat gepflegten Umgangsformen mit der Höflichkeitsform Ihr im Stadtbürgertum und gegenüber Respektpersonen auf. Kaufleute, Adlige und Geistliche ihrzten sich untereinander, auch Ehemänner wurden von den Frauen geihrzt, die Kinder, sobald sie einen bestimmten Status erreicht hatten. Niederrangige, etwa Kinder, Knechte und Untergebene, aber auch Ehefrauen, wurden geduzt. Die Wahl des jeweils angemessenen Pronomens wird durch gesellschaftliche Normen bestimmt, die dem stetigen Wandel von Gesellschaft und Sprache ausgesetzt sind. Der zurzeit lässige Du-Auftritt etabliert sich vor allem in sozialen Medien wie Facebook, Instagramm und Co. Die Latte hochhalten, Seilschaften, Berggänger und Armee sagen sich ab 3000 Meter Höhe Du. «Süessli, chum emal, ich ha e Drohne gfunde!» Das wäre dann die Mischform, genannt «Münchner Du». Das Du bei IKEA, «Wohnst du noch, oder lebst du schon?» ist Kult. Migros machts: «Warum auch du für die Migros arbeiten solltest.» Du-Kultur existiert bei den SBB, aber nur intern! Im schweizerischen KV-Verband ist man Duzis – weil die meisten SPler sind. In vielen schweizerischen Parteien gehört das Du zur Selbstverständlichkeit. Wird das Siezen in absehbarer Zeit aussterben? Mutmasslich nicht, auch wenn weitere Unternehmen auf den Duz-Zug aufspringen. Das Siezen ist derzeit klar auf dem Rückzug, allerdings nur in bestimmten Bereichen. Fest verankert zum Beispiel im Umgang mit Ämtern und Behörden. «Man wähle die Ansprache so, wie sie in das persönliche Gespräch mit dem Gegenüber passe», heisst es bei einer Versicherung; ein guter Vorschlag. Vor noch nicht allzu langer Zeit ihrzte man mich in einer Bäckerei in Mollis: «Händ ihr alles», ich schaute mich um, stand aber alleine im Laden, den es heute nicht mehr gibt.