Nils Althaus – ein kritischer Zeitgeist

Dass sich die Verantwortlichen des «Dritten Programms» mit ihrem Vorsitzenden Heini Nold aus der noch kurze Zeit dauernden Saison der Kulturgesellschaft Glarus mit dem Gastspiel des Kabarettisten, Schauspielers und Sängers Nils Althaus mit Jahrgang 1981 verabschiedeten, fand im praktisch voll besetzten Saal des Hotels Schwert in Näfels kurz Erwähnung – bevor es mit einem unglaublich klugen Mix über knapp zwei Stunden hinweg losging.



Vorsitzender «Ds Dritt Programm». Stilleben vor Aufführungsbeginn.
Vorsitzender «Ds Dritt Programm». Stilleben vor Aufführungsbeginn.

Ein ganz kurzes Eingewöhnen wurde gewährt. Bald einmal wurde klar, dass da nicht ein Alleinunterhalter mit Plattgewalztem, populärem Witz, Neunmalklugem und sogenannt garantiertem Unterhaltungswert zu erzählen und singen begann. Nils Althaus ist ein willkommen kritischer Zeitgeist, der sich mit Belastendem, Ungereimtheiten auf intelligente, den Zuhörenden fordernden Art auseinandersetzt, seine Erkenntnisse, Fragen und Feststellungen in zuweilen rasanter Art aneinanderfügt. Er schwimmt nie im Strom des Populären, sattsam bekannt Plattgewalzten. Er verzichtet auf primitive, verletzende Statements, braucht kein Stammtischgepolter. Und das tut gut.

Er wuchs im Bernischen auf, davon zeugt der heimelige Dialekt. Das Tempo, das er mit den vielen gesungenen und getexteten Botschaften anschlägt, ist von der sprichwörtlich bernischen Bedachtsamkeit und Gemütlichkeit meilenweit entfernt. Er ist ein virtuoser, geschickter Gitarrenspieler, ein spürbar begnadeter, leidenschaftlicher Sänger und keck Erzählender, der bewunderungswürdig kreativ zu denken und zu kombinieren weiss, unerwartet witzig, zuweilen unbequem, dies in willkommen sinnvoller Art. Er vermag zu werten, festzustellen, dass nicht alles so in Ordnung ist, wie es eigentlich sein sollte. Er regt zum Nachdenken an, schubst den ersten Schritt auf dem langsamen Weg zu längst notwendigen Verbesserungen an. Da sind Hungersnöte, Epidemien, Unfrieden, Machtgehabe, langjährige menschenverachtende Auseinandersetzungen, Ungerechtigkeiten, fruchtlose Friedensbemühungen, unheilige Allianzen zuweilen deutlich genug erwähnt.

Und was hat Derartiges mit dem Programmtitel «Aussetzer» zu tun? Nils Althaus verheddert sich mal kurz, holt seine Unterlagen hinter der Bühne, um die Fortsetzung zu studieren. Er provoziert damit Kurzweil, findet sich natürlich sofort zurecht, um gekonnt und wirblig weiterzufahren. Er verlässt die Ebene jener, die in Jugendjahren Profifussballer oder Piloten werden wollen. Er wechselt zu den Bankangestellten, zu beruflich andersherum Fordernden. Er zeigt auf, wie Karrieren verlaufen können, rückt mal ganz kurz den Begriff «Bildung» ins Zentrum: «Bildung ist das, was man bräuchte, um zu wissen, dass man es braucht.» Er kreiert neue, bisher unbekannte Berufe, die sich aus den akrobatisch auskomponierten Wortgefügen so elegant ergeben. Längst ist der «Aussetzer» vorbei. Althaus merkte am Schluss des Abends an, dass man getrost von «Au – Setzer» reden, dies auch verstehen dürfe. Reinpieksen sei gar nie schlecht – wie recht er hat!

Dann befasst er sich mit seinem ureigenen Job. Wie es wäre, wenn er ausfiele, spielte er grad selber vor, mischte sich unters Publikum, nahm da und dort Platz und wandte sich an die leere, aber mit Gedanken voll belegte Bühne. Dann sang er vom goldenen Mittelweg, der aber – so Althaus – nicht immer gut zu beschreiten respektive zu befahren sei. Breiten Raum nahm der «Gutmensch» mit all seinen Vorzügen ein – nur sind diese positiven Lebensformen zuweilen sehr unwillkommen. Sie könnten auf ungute Art ansteckend sein. Er belegte das.

Althaus befasste sich in horrendem Tempo mit 2000 Jahren Ethik, mit deren Exponenten. Das war so klug, witzig, sprachlich verwirrlich, kompliziert, hochtrabend. Seinen hölzernen Gästen, den Fussballern mit Namen Georges und Alain, mag es gleich ergangen sein. Er liess sie lebendig werden, auf grobe, schmerzhafte Art agieren. Die Tritte in Gegenden unter der Gürtellinie sassen. Er spielte bis zur totalen Erschöpfung, vermochte sich aufzurappeln, die Gedanken sinnbringend zu ordnen, weiterzufahren. Er landete beim Begriff SPENDEN, lotete Pro und Kontra in wirbliger Art aus, teilte fiktiven Exponenten die Rollen als Bodybuilder, praktizierender Christ und Glückspost-Leser zu und begann deren Argumente auszubreiten, wechselte die Zuteilung der Rollen aus. Althaus war so elegant, clever und einfach riesig charmant. Er zeigte auf, dass Gutes tun eben nicht immer nur gut ist.

Das Zuhören und Mitvollziehen glich einer sehr langen Wegstrecke mit vielen Kurven, mit Verengungen, holprigem Untergrund, mit leicht zu begehenden Passagen, Punkten, an denen anzuhalten war, Ausstellplätzen mit Ruhebänken. Stets forderte Althaus zur Weiterfahrt auf. Längeres Innehalten ist nicht sein Ding – es sei denn, dass man mit dem Erwerb einer CD, sich einiges nochmals anhörte, um das Verinnerlichen zu üben ...