«Nutzung Standseilbahn Linthal – Braunwald kostenlos»?

Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, der Landsgemeinde den Memorialsantrag «Nutzung der Standseilbahn von Linthal nach Braunwald als einzige Verbindung für jedermann kostenlos» zur Ablehnung zu empfehlen.



Der Regierungsrat spricht sich gegen kostenlosen öV Braunwald aus. (Bild: e.huber)
Der Regierungsrat spricht sich gegen kostenlosen öV Braunwald aus. (Bild: e.huber)

Fünf Stimmberechtigte aus Braunwald forderten Ende September 2012 in ihrem Memorialsantrag: «Die Nutzung der Standseilbahn von Linthal nach Braunwald als einzige Verbindung zwischen dem Tal und dem Ortsteil Braunwald ist für jedermann kostenlos. Die Standseilbahn-Verbindung Linthal–Braunwald wird im Strassengesetz vollumfassend als Kantonsstrasse bezeichnet. Dies betrifft auch deren Finanzierung.» Sie weisen auf die fehlende Strassenerschliessung von Braunwald, die sich daraus ergebenden Kosten für die Fahrt nach Einführung des Tarifverbundes Ostwind sowie auf die Tourismusförderung und regionalpolitische Aspekte hin. Der Landrat erklärte den Memorialsantrag im Januar 2013 als erheblich.

Braunwald kein Einzelfall – Destinationen kostenpflichtig


Braunwald ist in der Schweiz bezüglich Erschliessung kein Einzelfall. Im Kanton Wallis werden die Riederalp mit einer Seilbahn ab Mörel, die Bettmeralp mit einer Seilbahn ab Betten Dorf und die Lauchernalp im Lötschental mit einer Seilbahn ab Wiler erschlossen. Zermatt ist ebenfalls grundsätzlich «autofrei» – die Strasse zwischen Täsch und Zermatt ist für den Individualverkehr gesperrt. Im Kanton Graubünden finden sich Beispiele im Calancatal für Landarenca mit einer Seilbahn ab Selma und für Braggia mit einer Seilbahn ab Arvigo. Wirzweli im Kanton Nidwalden besitzt zwar nebst der Seilbahn ab Dallenwil eine beschränkte Strassenlösung; sie wird aber von Tourismuskreisen als nicht empfehlenswert eingestuft. Im Kanton Bern sind Mürren mit Seilbahnen von Lauterbrunnen oder Stechelberg und Wengen mit einer Zahnradbahn von Lauterbrunnen her erschlossen – öffentliche Strassen fehlen auch hier. Auch die Rigi in der Zentralschweiz ist nicht mit dem Auto erreichbar. Ebenso sind die Wege auf den Stoos nicht für den Privatverkehr freigegeben.

Allen Destinationen ist gemeinsam, dass die Benutzung der öffentlichen Zugänge bzw. Verkehrsmittel weder für Einwohner noch für Gäste kostenlos ist. Eine Retourfahrt nach Zermatt kostet Fr. 16.– für Besitzer eines ½-Tax-Abos Fr. 8.– und somit nur wenig mehr als nach Braunwald. Eine Retourfahrt von Lauterbrunnen nach Mürren kostet Fr. 21.60 und für Besitzer eines ½-Tax-Abos Fr. 10.80, nach Wengen 13.20 bzw. Fr. 6.60. Die Retourfahrt von Stechelberg nach Mürren kostet Fr. 21.60 bzw. Fr. 10.80.

Vorstösse für Gratisnutzung kein Erfolg


Gratisnutzung bedeutet vollständige Finanzierung durch den Kanton bzw. den Steuerzahler. Die Landsgemeinde lehnte bereits 2010 einen Antrag zur Gratisnutzung im öffentlichen Verkehr ab. Eine Mehrheit der Stimmenden war der Ansicht, dass ein funktionierender öV keinen Nulltarif braucht, sondern dass vielmehr ein gutes Angebot, ein einfaches und verständliches Tarifsystem sowie Qualität und Pünktlichkeit massgebend seien.

Auch in der übrigen Schweiz und im Ausland wurden gleichartige Vorstösse entweder direkt oder nach einer kürzeren oder längeren Versuchsphase abgelehnt:

- Basel 1969, Zug 1986, Genf 2008, Zürich, Landschaft Davos, Stadt Luzern 2004, Le Locle 2004
- Liechtenstein 1988, Hasselt (Belgien) 1997 bis 2013, Tremlin und Lübben in Brandenburg/Deutschland

Kostenfolgen gross – Nutzen fragwürdig


Sowohl Strassen- wie öV-Verkehrsverbindungen sind nicht eigenfinanziert. Die öffentliche Hand finanziert derzeit die Strassen- sowie die öV-Erschliessung gleichermassen. Im Fall von Braunwald ist die Erschliessung durch eine Standseilbahn sichergestellt – ebenfalls finanziert durch Beiträge von Bund und Kanton. Eine Ungleichbehandlung ist nicht festzustellen: Der Vergleich der Antragssteller mit dem Kantonsstrassennetz hinkt, da unterschlagen wird, dass die Nutzung des Strassennetzes mit Fahrzeugen nicht gratis ist und Autofahrer die Betriebskosten ihres Auto (analog Billet) selber tragen müssen.

Die jährlichen Kosten für ein Gratisangebot nach Braunwald würden rund 1,437 Millionen Franken betragen, erhebliche Mehrkosten von rund 1 Million Franken würden anfallen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kanton seit der Jahrtausendwende erheblich in den öV investiert hat: Von 2 Millionen (2004) stiegen die Kosten für den öV auf 5,7 Millionen Franken (Rechnung 2012) – im Budget 2014 sind 9,5 Millionen Franken vorgesehen. Bei der aktuellen Finanzlage des Kantons ist ein Gratisangebot nicht zu verantworten, umso mehr als der touristische Nutzen fraglich ist.

Ein Gratis-öV ist in der Praxis mit einem angemessenen administrativen und organisatorischen Aufwand nicht realisierbar. Da das nationale Tarifsystem und auch die Einbindung des Kantons Glarus in den Tarifverbund Ostwind ab dem 15. Dezember 2013 zudem keine Kantonsgrenzen vorsieht, sind die Auswirkungen auf die Tarifeinnahmen vielfältig und äusserst schwierig abzuschätzen. Verschiedene öV-Angebote betreffen zudem die Nachbarkantone, die die Einnahmenausfälle kaum mitfinanzieren und dafür entschädigt werden wollen.

In Braunwald fehlt ein touristisches Umfeld wie im Oberengadin oder in der Region Davos: Feriengäste können wohl den öffentlichen Verkehr gratis benützen, entrichten ihren Beitrag indessen über eine Verkehrstaxe als Anteil einer Gästetaxe. Der Gast fährt somit nicht gratis Bus oder Bahn. Die Wirkung eines Gratis-öV ist umstritten: Kurzfristig kann eine zusätzliche Werbewirkung erzielt werden und der Kanton als Standort bekannter gemacht werden. Mittelfristig besteht die Gefahr, dass der gute Ruf des öV verspielt wird und sich dieser zu einem Billigprodukt mit unerwünschten Nebenwirkungen wie Abnahme der Sauberkeit und Sicherheit weiterentwickeln könnte.

Schlussfolgerungen


Die Lösung für einen gut funktionierenden öffentlichen Verkehr führt auch im Kanton Glarus über ein gutes Angebot, ein einfaches und attraktives Tarifsystem, eine gute Qualität und eine hohe Pünktlichkeit und nicht über einen Nulltarif. Die entsprechenden Zielsetzungen sind im Richtplan enthalten und werden mit dem Tarifverbund Ostwind Ende 2013 und mit dem Stundentakt für den GlarnerSprinter ab Juni 2014 umgesetzt. Besser als der Gratis-öV nach Braunwald wirken gezielte Angebotsverbesserungen, etwa mit zusätzlichen Fahrten am Wochenende als Beitrag an die touristische Aufwertung (was in der Praxis bereits passiert). Aus diesen Gründen ist der Memorialsantrag abzulehnen.