Olli Hauenstein und sein Universalflügel

Mit seinem Flügel trat Olli Hauenstein, Wortverdreher, Pianist, Akrobat, Clown, mit mannigfaltigen, oft wundersamen Produkten aus seiner Ideenküche, liebenswerter Kommentator verschiedener Komponisten und Kompositionen, musikalischer Globetrotter, Verwöhnender mit überdurchschnittlichem Mittelmass, zuweilen leicht chaotisch, dann wieder gar liebenswert agierend auf Einladung des Kulturvereins Glarus Süd im Gemeindezentrum Schwanden auf.



Olli Hauenstein und sein Universalflügel

Was der Flügel an Geheimnissen barg, war nach entsprechenden Offenbarungen eine willkommene Quelle der Freude. Olli Hauenstein ist mit seinen Mitdenkern so etwas wie eine Wundertüte. Bereitwillig, für die begeisterten Zuhörer enorm willkommen, werden Einblicke wundersam Kreatives gewährt. Die Dimensionen des Flügels lassen erahnen, dass es sich nicht bloss um ein hochkarätiges, bestens gestimmtes Instrument aus dem Hochpreissegment handelt. Dazu wirkt dieser Flügel etwas runtergewirtschaftet, mit leicht ramponiertem Äusserem.
Dazu kommen der überdimensionierte Notenständer – der den klar anordnenden Maestro abgibt, ein Frack – unabdingbares Requisit für konzertante Auftritte, ein Stuhl – dessen Rückenlehne omnifunktionell ist und ein geheimnisvoller, schwarzer Koffer – mit Werkzeugen, gelben Socken, Putzlumpen und anderem.

Und da wäre noch Olli Hauenstein, mal missmutig, dann überbordend wirblig, vordergründig traurig, zuweilen etwas verwirrt, Programmjongleur mit enormem Potenzial, wortreich vom einen zum anderen Geschehen führend – denn er hat sein Programm oft zu ändern, wenn sich – aus welchen Gründen auch immer – eine Störung im vorgesehenen Ablauf ergibt.
Er tritt auf, mit einem ballonartigen Kleid, das Zelt, Schwangerschaftsbauch, Rutschteil, Rückzugsstätte ist.
Er ist schon mal verspätet, erläutert die Gründe aus dem Publikum heraus. Er leidet, klagt über Blähungen und lindernde Medikamente. ER nimmt total Falsches ein, merkt das aber erst beim Durchlesen der Packungsbeilage. Der Kleine kommt dann zur Welt, wird auf den Namen August getauft. Dank seines rumwirbelnden Vaters wird ihm Leben eingehaucht, kommt es zu Szenen, die sich auf, neben und unter dem Flügel abspielen. Und der Flügel ist spirituelles Zentrum, ist mal Rennwagen, dann Rutschbahn, spukt die Tasten aus, lässt sich nur widerwillig instand stellen, lässt sich sogar – wenn einmal gestimmt – bespielen. Die Concerti grossi, seien sie von Mozart, Tschaikowski, Beethoven oder Chopin, erfahren inhaltlich starke Änderungen, Kürzungen. Die einzelnen Sätze sind anders als erwartet betitelt.
Heisst eine Komposition «Regentropfen», fällt auch das Nass – fein dosiert – von der Bühnendecke. Gestimmt wird der Flügel mit der Gabel, die sonst beim Essen verwendet wird. Hauenstein wirbelt wortreich und beseelt drauflos.
Und er setzt sich so in Szene, wie man es von einem, begnadeten, hochbegabten, weltgewandten Pianisten auch erwarten darf. Den Frack drapiert er beim Hinsetzen mit unerreichtem Schwung. Sein Äusseres ändert er mit wenig Aufwand, passend zum jeweils geänderten Programmteil. Die Elise, die ja in einem Albumblatt vorkommt, entpuppt sich als wunderschöne Maid, ist leider nicht zuhause. Schweizerische Folklore wird dank gelber Socken kurz zelebriert, samt Alpöhi-Sequenz.
Der Flügel erträgt alles mit bewunderungswürdiger Ruhe, auch wenn er als Rutschbahn, Ruhestätte, Rennwagenmotor, Drehorgelunterlage verwendet wird. Es sei nicht verschwiegen, dass Hauenstein beim rasanten Runterrutschen Odermatts skitechnisches Können glatt in den Schatten stellt, mit riesigen Medaillen ausgezeichnet wird.

Die Zugabe ist enorm reichhaltig. Die kleine Geige ist nicht mehr in ihrem Kasten, ein eingebautes Krokodil, das sich im Kastendeckel breit gemacht hat, hat sie gefressen. Die zum Öffnen des Kastens verwendete Säge wird umfunktioniert, ist Singende Säge. Dank noch vorhandenem Geigenbogen klingt «Ich komme wieder im …» auf. Man erfährt etwas über ein Buch mit vielem, was die Hauenstein-Sippschaft betrifft, gefolgt von Hinweisen zu einer im TV ausgestrahlten Dok-Sendung.

Beinahe zu rasch ist Schluss, nach locker und enorm gekonnt Serviertem, nach gar Vergnüglichem, kreativ Auskomponiertem.