«Er ist Glarner, Ehemann, Vater, Landrat, Freisinniger, Synodaler, Geniesser, Musiker», steht irgendwo im Internet über Christian Marti. Und als Gemeindepräsident von Glarus habe er «das Zusammengehen der Menschen in der Fusionsgemeinde und den Aufbau einer gut aufgestellten und eingespielten Gemeindeverwaltung geprägt». Er selber sagt dazu, es sei wohl seine «Lebensaufgabe» gewesen, das neue Glarus zusammen mit vielen Menschen aufbauen zu dürfen.
Christian Marti hat in seinen bisher 50 Lebensjahren viel erlebt und viel erreicht. Was er macht, macht er zu 100 Prozent, also mit vollem Engagement. «Ich kann vom Typ her gar nicht anders», sagt er. Seine Partei schrieb bei der Rücktrittsmeldung als Gemeindepräsident, er sei sich nie zu schade gewesen, auch mal «die Kapitänsbrücke zu verlassen und sich in den Wind zu stellen». Dies erachte sie als eine seiner grössten Stärken.
Immer Glarner geblieben
Blicken wir zunächst auf einige Stationen seines Lebens zurück. Der Stadt Glarus, wo er aufgewachsen ist, blieb er stets treu; er verlegte die Schriften nie an einen anderen Ort. Auch während seines Studiums der Wirtschafts-, Rechts- und Politikwissenschaften sowie der Wirtschaftspädagogik an der Universität St. Gallen (HSG) nicht. Da war er Wochenaufenthalter, ebenso bei seiner ersten Anstellung als Wirtschaftsinformatiker in Schaffhausen.
2001 kehrte er ganz ins Glarnerland zurück und pendelte fortan als Mitglied der Geschäftsleitung ans Institut Minerva nach Zürich und dann als Assistent und Lehrbeauftragter an die Universität Zürich. 2010 wurde er Gemeindepräsident von Glarus, 2023 Leiter Standortförderung der Gemeinde Glarus Süd.
Auch sein politischer Leistungsausweis lässt sich sehen. Einige Beispiele daraus: fünf Jahre Präsident der Glarner Jungfreisinnigen, sechs Jahre Vizepräsident der FDP des Kantons Glarus, seit 2001 Landrat, Mitglied der Kommission Schiesser zur Erarbeitung der Grundlagen für die Gemeindestrukturreform sowie Engagement in Projektgruppen von GL 2011, ab 2007 Gemeinderat von Glarus, dann Gemeindepräsident von 2010 bis 2022 und von 2013 bis 2022 Vorstandsmitglied des Schweizerischen Städteverbandes. Im Landrat gibt es übrigens nur ein Mitglied, das länger mit dabei ist als er.
Familie ist ihm sehr wichtig
Das ist der öffentliche Christian Marti. Und der private? Er sagt, seine Eltern hätten ihn und seine Schwester «fürsorglich begleitet und unterstützt sowie unsere Entwicklung durch Interesse und Zuspruch gefördert». Ihre Trennung, als er 14 Jahre alt war, war für ihn das prägendste Erlebnis in seinem Leben, so wie die Geburt seiner Kinder und der Tod seines Vaters vor fünf Jahren. Aber auch das Vertrauen seiner Eltern und der gewährte Freiraum hätten ihn geprägt, sagt er.
Seine Ehefrau Gabriela lernte er anfangs der 1990er Jahre in der Pfadi kennen. Seit 1992 sind sie ein Paar, seit 2003 verheiratet. Die drei Kinder Cyrill Fridolin, Norina Leonie und Flurin Benjamin komplettieren die Familie, die seit 2011 in einem schön renovierten alten Reihenhaus in Glarus lebt.
Pfadi, Musik und Politik
Apropos Pfadi: Diese sowie Musik und Politik bezeichnet Christian Marti als seine «Hobby-Leidenschaften». Dafür gab er seine sportlichen Aktivitäten wie Leichtathletik und Schwimmen auf.
In der Pfadi durfte er früh Verantwortung übernehmen und zusammen mit anderen Menschen Erlebnisse gestalten. «Pfadi ist für mich Freiheit, Verantwortung und Gemeinschaft. Es war eine tolle Zeit. Ich erinnere mich an jedes Sommerlager», erzählt er. Heute noch ist er Mitglied der Pfadibewegung und unterstützt diese.
Als Zehnjähriger begann er Geige zu spielen und nahm Stunden bei Susi Mazzolini. «Immer bei ihr, bis zum Ende der Kanti, ich habe nie gewechselt. Ich habe mich sehr wohl bei ihr gefühlt. Und wenn mir wohl ist bei jemandem, bleibe ich. Das begleitet mich durch mein Leben.» Während des Studiums in St. Gallen spielte er im Uni-Orchester, ab Ende 1999 dann nur noch an Familienfestivitäten. «Ich habe das vermisst», bekennt er. «Musik ist eine Beschäftigung, bei der ich alles andere vergessen und in ein anderes Universum eintauchen kann. Musik verbindet Menschen und Herzen.» So war es sein Ziel, nach seiner Tätigkeit als Gemeindepräsident wieder in einem Orchester zu spielen. Auch dieses Ziel hat er erreicht: Heute spielt er wieder aktiv im Regional-Orchester con brio.
Und die Politik? «Sie ist für die Rahmenbedingungen verantwortlich, in der wir leben. In der Schweiz, und ganz besonders im Kanton Glarus, haben wir das Privileg, die politischen Rahmenbedingungen ganz direkt mitgestalten zu können. Dies ist wertvoll und motivierte mich früh.»
«Hat Glarus gelebt»
Wie war für ihn denn die Zeit als Gemeindepräsident von Glarus? «Es war sehr intensiv, herausfordernd und bereichernd. Sehr geschätzt habe ich die Freiräume in der Anfangszeit vor und direkt nach der Fusion, das engagierte Zusammenwirken innerhalb der Gemeinde und über die Gemeindegrenzen hinweg sowie die Möglichkeit, dem neuen Glarus ein Gesicht und eine Entwicklungsgrundlage geben zu können.»
Er sei enorm dankbar, dass er in allen Ortsteilen der Gemeinde und im ganzen Glarnerland so viel Reichtum, Identität und Schönheiten habe entdecken dürfen. Dabei habe er während seiner Zeit als Gemeindepräsident «Glarus gelebt»: «Glarus war mein Wohnort, mein Beruf, mein Hobby und meine Inspiration.»
Dies habe ihn aber auch an Grenzen geführt. Persönliche, politische und systemische. Er musste lernen, wo seine Belastungsgrenzen waren. «Ich war immer einer der Stürmis», schmunzelt er. Heute würde er sorgfältiger politisch abwägen und manches gelassener angehen. Im positiven Sinn.
Regenerationsphase
2022 bewarb er sich nicht mehr um eine vierte Amtszeit. «Zwölf Jahre waren für mich und Glarus eine passende Zeitspanne, der Wechsel kam zur richtigen Zeit.» Er sei schon immer überzeugt gewesen, dass sich Menschen in einer politischen Exekutivverantwortung auch abnutzten, sie hätten quasi ein «Ablauf-Datum». Der Wunsch nach etwas Neuem sei «gut für das Gemeinwesen und die Personen, die in Verantwortung stehen. Acht Jahre waren in der Fusions-Situation sicher das Minimum, zwölf Jahre eine gute Zeit, 16 wären möglich gewesen, aber eventuell schon zu viel.»
Hinzu kam, dass er zusammen mit seiner Familie die beruflichen und familiären Aufgaben neu ordnen wollte. «Die Auszeit hatten wir bereits im Sommer 2020 beschlossen. Es war die Idee von Gabriela, ich bin ihr sehr dankbar dafür. Ich war im Backoffice tätig und hielt ihr den Rücken frei. Zudem war ich sportlich aktiv und spielte viel Musik. Das hat gutgetan. So konnte ich meine Speicher wieder füllen.»
Politisch und wirtschaftlich gut vernetzt
Seit 1. März 2023 ist er nun in einem 70-Prozent-Pensum Leiter Standortförderung der Gemeinde Glarus Süd. Weshalb hat er sich für dieses Amt beworben? «Die neue Aufgabe für Glarus Süd und das Glarnerland war eine Möglichkeit, auch beruflich im Glarnerland verankert zu bleiben und die Wege zwischen Beruf, Familie und Hobbies kurz zu halten», meint er. Die Aufgabe fülle ihn aus: «Das Themenspektrum ist breit und die Kontakte mit vielen verschiedenen Menschen sind intensiv.»
Dabei kann er von seiner früheren Tätigkeit als Gemeindepräsident profitieren, ist er doch politisch und wirtschaftlich gut vernetzt. «Ich komme schnell in ein gutes Gespräch, viele Leute adressieren mich sehr positiv.» Und dass er sein Denken und Handeln aufs ganze Glarnerland ausrichtet, stimmt auch für seine Arbeitgeberin.
Landsgemeinde als Herz des Glarnerlandes
Während des Gesprächs sitzen wir am Esstisch im Zuhause von Christian Marti. Hinter ihm hängt ein Bild der Landsgemeinde. Welche Bedeutung hat sie für ihn? «Die Landsgemeinde ist Herz und Inspiration des Glarnerlandes. Sie ist wohl der Hauptgrund, weshalb ich das Glarnerland nie wirklich verlassen habe. Reiz, Wert und Bedeutung der Landsgemeinde halten mich hier. Teil der Glarner Landsgemeinde-Demokratie sein zu dürfen, ist ein unermessliches Privileg, ein Geschenk und eine einmalige, unbezahlbare Gestaltungsmöglichkeit. Dafür bin ich sehr dankbar.»
Wohl sei er sich auch der Nachteile und Schattenseiten der Landsgemeinde bewusst. «Für mich überwiegen aber die Vorteile, und ich bin überzeugt, dass die Landsgemeinde für unseren kleinen, überschaubaren Kanton auch ein Zukunftsmodell ist. Ablauf, Würde und Bedeutung der Landsgemeinde haben etwas Sakrales, das mir unglaublich viel Energie und Identität gibt.»
Christsein als Richtschnur
Sakral ist das Stichwort für eine weitere Tätigkeit: Christian Marti ist seit 2006 Mitglied der Synode der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Glarus. Von 2006 bis 2010 war er deren Präsident. Wie wichtig ist ihm der christliche Glaube? «Mein Christsein ist für mich Fundament und Richtschnur meines Lebens. Die christlichen Werte der Nächstenliebe, des Vergebens, der Fürsorge und Gemeinschaft sind für mich handlungs- und werteleitend. Der christliche Glaube ist für mich, mein Leben und meine Tätigkeiten entscheidend», sagt er. Hat er einen Kraftort? «Ja, den Blick von der Schwammhöhe ins Klöntal.»
Obligate letzte Frage: Wo erholt er sich von seinen vielfältigen Tätigkeiten? «Oft zu wenig», lacht er. Und falls doch? «Mit Spaziergängen und seit 2023 auch wieder mit aktivem Musizieren.» Da darf natürlich die musikalische Kostprobe nicht fehlen. Und es sei verraten: Sie war gut.