Porträt: Weinendes und lachendes Auge

Ein forderndes, interessantes, aber auch bereicherndes Präsidialjahr liegt hinter Ständerat Thomas Hefti. 2023 wird er nicht mehr zu den Wahlen antreten. Mit einem weinenden und lachenden Auge, wie er sagt.



Ruhig sitzt er da in den Anwaltsräumlichkeiten im Spielhof Glarus. (Bilder: madeleine kuhn-baer)
Ruhig sitzt er da in den Anwaltsräumlichkeiten im Spielhof Glarus. (Bilder: madeleine kuhn-baer)

Ruhig sitzt er da in den Anwaltsräumlichkeiten im Spielhof Glarus. Überlegt, antwortet präzise, lacht ab und zu. «Ich habe im Grossen und Ganzen bis jetzt auch viel Glück gehabt und bin zufrieden», meint Thomas Hefti rückblickend auf sein bisheriges Leben.
Angefangen hat dieses am 30. Oktober 1959. Zusammen mit seiner Schwester wuchs er in Schwanden auf. Nach der Matura an der Kantonsschule Glarus studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Neuenburg, promovierte zum Dr. iur. und erwarb das Zürcher Anwaltsdiplom. 1992 schloss er mit dem «Master of Laws» an der Universität London ab und arbeitete anschliessend während eines Jahres in einem Anwaltsbüro in Newark, USA. 1994 trat er dann ins väterliche Anwaltsbüro in Glarus als Rechtsanwalt und öffentliche Urkundsperson ein.
Thomas Hefti hatte und hat auch diverse Mandate inne. Aktuell ist er unter anderem noch Vizepräsident der Kraftwerke Zervreila AG, Vals, Verwaltungsratspräsident der Weseta Kraftwerke AG, Engi, und Verwaltungsrat der Weseta Textil AG, Engi.
Seit 2001 ist er mit Victoria Romeo Martín Hefti verheiratet und hat einen Stiefsohn. «Meine Frau ist für mich eine grosse Stütze. Nicht nur zu Hause, sondern auch als Partnerin im Beruf», betont er im Gespräch.

«Sehr interessante Zeit»

Seine politische Karriere begann 1998 mit der Wahl in den Gemeinderat Schwanden. Von 2006 bis 2010 war er der letzte Gemeindepräsident von Schwanden, von 2011 bis 2014 der erste Präsident von Glarus Süd. 2008 wurde er zudem in den Landrat gewählt, dem er bis 2020 angehörte.
Nach dem unerwarteten Tod von Ständerat Pankraz Freitag im Herbst 2013 bot sich ihm «eine einmalige Chance, nach 15 Jahren in der kommunalen und kantonalen Politik im Alter von 54 Jahren eventuell ins Bundesparlament einziehen zu können». Das Amt interessierte ihn, und nach reiflicher Überlegung und Absprache mit seiner Frau entschloss er sich zur Kandidatur und gab gleichzeitig bekannt, dass er im Februar 2014 nicht für eine Wiederwahl als Gemeindepräsident zur Verfügung stehe. Er wurde am 14. Januar 2014 gewählt und 2015 sowie 2019 als Ständerat bestätigt.
Schnell machte er sich in Bern einen Namen als Politiker mit messerscharfem Verstand, stets dossierfest, angesehen – und trotzdem bescheiden. So wurde er mit einem Glanzresultat zum Ständeratspräsidenten 2021/22 gewählt. Wie hat er die Zeit als Ständerat und nun speziell als Präsident erlebt? «Vorbehältlich des Referendums ist das Parlament Gesetzgeber im Bund, und diese Arbeit hat mich auch als Anwalt fasziniert. Ebenso die Möglichkeit, an den Wahlen der Bundesräte und von Richtern teilzunehmen.» Es sei eine sehr interessante Zeit gewesen.
Bis März 2020 lief alles in «mehr oder weniger geordneten Bahnen. Der Ausbruch der Pandemie und des Krieges in der Ukraine war eine Zäsur und brachte Veränderungen.» Der Krieg habe gezeigt, dass man «auch militärisch vorbereitet sein muss und nicht gutgläubig sein darf», so der ehemalige Hauptmann der Artillerie.

Das Präsidialjahr war für ihn «fordernd, interessant, aber auch bereichernd». Es habe sehr viele Begegnungen gebracht, national und international. Zu Beginn stand es noch im Zeichen von Covid, danach unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine. Nach der Sommerpause gab es viele Debatten um Energie und eine allfällige Energiemangellage.
Besonders gefallen haben Thomas Hefti in Bern «das Mitwirken in Kommissionen, in der Finanzdelegation sowie die Zeit im Büro und die Debatten im Plenum». Was weniger? Seine Antwort ist deutlich: «Mir gefällt die oft oberflächliche und schrille oder reisserische Berichterstattung nicht, das Emporstilisieren von ‹normalen› Fehlern zu Skandalen und dass man als Mitglied der Bundesversammlung zu exklusiv auf ein Rating in einer Rechts-Links-Skala von 1 bis 10 reduziert wird. Ich mag auch das aktuelle Format der Arena nicht. Falsch ist es, dass Bundesratswahlen mit Roadshows in Städten und Auftritten an allen möglichen Anlässen wie Volkswahlen behandelt werden.» Was ja soeben wieder der Fall gewesen ist.

Oft auf Vater angesprochen

Das grosse politische Engagement erstaunt bei Thomas Hefti nicht. Er stammt aus einer alteingesessenen Glarner Politiker- und Anwaltsfamilie. Sein Vater war wie er Gemeindepräsident und Ständerat. Weiter zurück gibt es bei seinen Ahnen zwei Regierungsräte und sogar einen Bundesrat. Doch sein Weg als Politiker sei nicht einfach vorgezeichnet gewesen, meint er: «Es gibt ja auch viele Fälle, in denen die Kinder bewusst etwas anderes machen als die Eltern. Auch mit einem Medizinstudium wäre ich nicht aus der Familientradition ausgebrochen. Doch in der Tat war die Politik und die ‹res publica› immer Thema am Familientisch, und sie hat mich interessiert und fasziniert. Übrigens seit der Primarschulzeit auch stets die Landsgemeinde.»
Wird er oft mit seinem Vater verglichen? «Ich bin oft auf meinen Vater angesprochen worden – gelegentlich gerade mit seinem Vornamen. Sicher bin ich auch mit ihm verglichen worden – Kinder werden mit Eltern verglichen. Heute werde ich seltener auf ihn angesprochen. Vermutlich auch deshalb, weil die Zahl der Leute abnimmt, die meinen Vater noch aktiv gekannt haben.»
2023 wird er nicht mehr als Ständerat antreten. Ist er traurig? Oder froh über die Entlastung? «Natürlich gehe ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Ich wusste aber um die Altersguillotine, habe sie für mich selbst immer akzeptiert und mich stets auch so geäussert. Gäbe es sie nicht, so würde ich mir heute wohl eine letzte Kandidatur für weitere vier Jahre überlegen», sagt unser Gesprächspartner.
Er erachtet die Altersguillotine allerdings als falsch, «denn zumindest für den Regierungsrat und den Ständerat hat sie eine Vorwirkung. Es ist nicht sehr sinnvoll, Leute zu wählen, die 58-jährig oder älter sind, denn es bleibt ihnen zu wenig Zeit im Amt.» Er würde eine Amtszeitbeschränkung auf vier, allenfalls fünf Amtszeiten vorziehen.

Im Sommer nach Aragón

Sein Pensum war und ist sehr gross – obwohl er im Hinblick auf sein Präsidialjahr im Stöckli diverse Mandate abgegeben hat. Wo erholt er sich von seinen vielfältigen Aktivitäten? «Zwischen Weihnachten und Neujahr, über Ostern sowie während mindestens vier Wochen Sommerferien», sagt er. Letztere verbringt er vor allem in Nordspanien bei der Familie seiner Ehefrau.
Weiter erholt er sich – wenn er Zeit dafür findet – «beim Hören von Musik und bei der Lektüre eines guten Buches, auf Wanderungen in den Bergen und im Jura, aber auch ganz allgemein im Kreise der Familie und mit Freunden». Und seine Website verrät noch mehr: «Bevor ich Gemeindepräsident von Schwanden wurde, sang ich sehr gern im Glarner Kammerchor. Heute finde ich nach anstrengenden Tagen meinen Ausgleich in den kleinen Dingen des Lebens – im gelegentlichen Kochen von Konfitüre, Spaziergängen oder anregenden Gesprächen mit guten Freunden.» Auf unsere Nachfrage hin bestätigt er, dass er immer noch Konfitüre kocht. Vor allem Orangenkonfi, wie er schmunzelnd verrät.