Power-Sturm für Bern

Am Podium vom Montag, 2. Oktober, im «Schützenhaus» Glarus unter der Moderation von Regula Späni boten die Wirtschaftsverbände des Glarnerlandes eine Plattform, um die Kandidierenden für National- und Ständerat aus wirtschaftlicher Sicht kennenzulernen.



Wahlpodium im Schützenhaus (Bilder: jürg huber)
Wahlpodium im Schützenhaus (Bilder: jürg huber)

Unter dem nationalen Titel Perspektive Schweiz hatten sich die Wirtschaftsverbände zum ersten Mal zu den National- und Ständeratswahlen am 2. Oktober im Glarnerland ein gemeinsames Wahlpodium mit den Kandidierenden organisiert. Johannes Läderach, Präsident der Glarner Wirtschaftskammer, begrüsste namens GLWK, Gewerbeverband und Baumeisterverband des Kantons Glarus sowie namens des Glarner Bauernverbandes die politisch Interessierten und machte deutlich, weshalb es wichtig ist, dass wirtschaftsfreundlich gewählt wird. «Wirtschaft betrifft uns alle und wie bei einem Kassenbuch gibt es auch beim Staat Ausgaben und Einnahmen. Es wäre schön, wenn es mehr Einnahmen gäbe – doch nur was erarbeitet wird, kann auch verteilt werden und das tun wir alle für alle.» Moderatorin Regula Späni begrüsste Peter Rothlin, Landammann Benjamin Mühlemann und Mathias Zopfi als Ständeratskandidaten sowie Sabine Steinmann, Markus Schnyder und Andrea Trummer als Nationalratskandidierende – ihnen konnten alle im Saal via QR-Code auch Fragen stellen.

Wirtschaft im Mittelpunkt

Zuerst werden die Kandidierenden nach den Erfolgsrezepten für Wirtschaft und Landwirtschaft gefragt. «Es braucht», so Peter Rothlin, «feste Werte und wirtschaftsfreundliche Kandidaten.» Insbesondere brauche es auch günstige Strompreise und wer – mit Blick auf die Solarinitiative – auf den nötigen Netzausbau schaue, sehe eher die Gefahr steigender Strompreise. Benjamin Mühlemann fasst es so zusammen: «Wirtschaft braucht Leitplanken und Politiker, die sich für sie einsetzen und dazu braucht es einen möglichst freien Markt und Fachkräfte.» Für Mathias Zopfi brauchen Wirtschaft und Landwirtschaft Sicherheit und günstige Energiepreise: «Wir als Kraftwerkstandort werden da einen Vorteil haben.» Zudem brauche es genügend Arbeitskräfte. «Das betrifft die Glarner Wirtschaft, insbesondere im Glarner Hinterland und dazu braucht es eine gute Erschliessung auf Strassen und Schiene.» Im Landrat setzte sich Andrea Trummer ebenfalls für die nötige Infrastruktur, ein schnelles Glasfasernetz auch für den Süden und attraktive Steuerbedingungen ein. Markus Schnyder sieht das Problem in der Überregulation in allen Bereichen und Sabine Steinmann – in der Rolle der Sozialdemokratin – denkt von der Arbeitnehmerseite her. «Es braucht Leute, die ausgebildet werden – da habe ich mich eingesetzt, und es braucht Menschen mit genügend Kaufkraft, welche die Wirtschaft auch ankurbeln können.»

Klima- und Energie im Ständerat

Als Ständerat will Peter Rothlin «eine wirksame Klima- und Energiepolitik machen, welche die Kraft auf den Boden bringt. Derzeit wird in Bern Druck aufgebaut – etwa mit der Solarinitiative – aber das ist des Guten zu viel, es kommt nicht auf den Boden.» Es fehlten die Fachkräfte und deshalb sei es illusorisch, die Initiative in der «Geschwindigkeit von Bern» umzusetzen. Ständerat Mathias Zopfi gibt zu bedenken: «Wir brauchen in diesem Thema Mehrheiten, Klimawandel ist das Thema des Jahrhunderts – wir müssen es auf den Boden bringen. So fanden wir in Bern eine Mehrheit für den Mantelerlass, etwa zur Beschleunigung von Kraftwerkprojekten. Wir müssen aber auch das Schweizer PV-Potenzial nützen, es wäre Wahnsinn, nicht darauf zu setzen.» Für Benjamin Mühlemann basiert weitsichtige Klimapolitik auf Nachhaltigkeit. Der Kampf für Umwelt- und Klimapolitik werde sehr verbissen geführt: «Hier würde eine Entkrampfung guttun. Es wäre besser, dieses Thema als Wirtschaftspolitik zu verstehen. Massnahmen müssen bezahlbar sein und sozial verträglich – es braucht hier eine konstruktive Diskussion.» Peter Rothlin verweist auf den internationalen Wettbewerb, für den es günstigen Strom braucht, damit die Unternehmen konkurrenzfähig bleiben, Mathias Zopfi dagegen auf das hohe Potenzial der Photovoltaik, insbesondere beim Winterstrom.

Doch das Publikum will wissen, wie die Ständeratskandidaten es mit Solar- und Windkraft in Glarus Süd haben. Peter Rothlin verweist auf das Solarkraftwerk am Muttsee. Die Standortgemeinden müssten auf jeden Fall entschädigt werden, ähnlich wie bei der Wasserkraft. Benjamin Mühlemann verweist auf die Glarner Diskussion um Windräder und findet, sie sollten «dort entstehen, wo es die wenigsten betrifft.» Beim Einsatz von mehr Geld für Strassenbauprojekte ist Mathias Zopfi zwar skeptisch, wo es um reinen Kapazitätsausbau geht, weil es zu Verkehrswachstum führe. «Anders sieht es beim Umfahrungsprojekt Netstal aus, da soll der Verkehr aus den Dörfern genommen werden – hier bin ich froh, dass der Bund auch Netstal reinnahm und auch bereit ist, die Umfahrung Glarus anzuschauen.» Für Benjamin Mühlemann ist wichtig, dass «die Umfahrung Glarus in Sachen Planung aufwärtskompatibel ist» und Peter Rothlin gibt zu bedenken, dass es eben für die Umfahrung auch den Kompromiss mit dem Mittelland brauche, welches ebenfalls Projekte habe.

Biodiversität in der Elternzeit

In einer zweiten Runde befragte Späni die drei Nationalratskandidierenden, wie sie dem Fachkräftemangel insbesondere im Gesundheitswesen entgegentreten wollen. Laut Andrea Trummer geht es nicht nur ums Gesundheitswesen, sondern insbesondere auch um die handwerklichen Berufe. «Dort müssen die Lehren gestärkt werden, indem man jungen Menschen das Potenzial der Lehre aufzeigt. Es braucht auch Quereinsteiger und Passerellen für den Umstieg.» Markus Schnyder sieht hier auch das Potenzial der Zuwandernden, fordert aber: «Wir sollten Massnahmen treffen, damit jene zu uns kommen, die wir möchten. Das geht über die Verträge im Schengenraum.» Auch für Sabine Steinmann hängen Bildungs-, Migrations- und Arbeitspolitik eng zusammen. Sie betont die integrative Kraft der Berufsbildung, welche alle befähigen soll, einen Beruf zu ergreifen. Im Glarnerland werde, so Steinmann, der Wert der Lehre sehr geschätzt. «Wir sollten die Jugendlichen abholen.» Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen – so Trummer – auf Gemeinde-, Kanton- und Bundesebene gute und genügend KiTa-Plätze gefördert werden. Das brauche es, so Schnyder, «damit jene, die wieder in den Beruf zurückwollen, dies auch können.» Bei der Elternzeit finden alle 38 Wochen zu lang, der Vaterschaftsurlaub soll – so Trummer – aber bleiben und Steinmann findet, man sollte über ein flexibles Modell nachdenken, welches auch Vätern Chancen auf Elternzeit ermöglicht. Nahtlos geht’s über zu den Direktzahlungen für Bauernbetriebe, welche – so Andrea Trummer – nicht gesenkt werden sollen. Sabine Steinmann sieht hier die bäuerlichen Existenzen und will die Bauernfamilien stützen. Das will auch «Die Arbeit der Bauern sollte mehr Wertschöpfung ergeben», fordert Markus Schnyder, «dann wäre ich allenfalls dafür, die Direktzahlungen zu senken.» Alle drei sind für eine starke Landwirtschaft, welche – neben der Biodiversität – auch für die Ernährungssicherheit sorgt. Trummer sieht im Talboden Potenzial bei der Vernetzung der Flächen, man müsse aber auf die gesamte Landesfläche schauen und auf die Verträglichkeit mit der Landwirtschaft, Markus Schnyder will, dass der gut nutzbare Talboden für die Landwirtschaft nutzbar bleibt.

Schlechte Karten für den Wolf

Von den drei Nationalratskandidierenden setzt sich niemand für den Wolf ein, dafür wollen alle die Jungen im Glarnerland behalten, dafür braucht es, so Trummer, eine funktionierende Wirtschaft und den Wohnraum, wo Schnyder und Trummer beim Glarnerland Potenzial sehen, und Steinmann auf Wiedereinsteigerangebote setzt. Start-ups sollen kommen, dazu brauche es – so Trummer – eine differenzierte Besteuerung, Schnyder will Räume schaffen auf dem bezahlbaren Boden im Glarnerland und Steinmann setzt sich dafür ein, den Boden möglichst werthaltig zu nutzen und viele Arbeitsplätze zu schaffen.

Zum Schluss bringt Späni die Altersvorsorge und die Gesundheitskosten zur «Abstimmung», und holt dazu die Positionen der Kandidierenden ab. Zopfi will keine Sündenbockpolitik auf dem Buckel der Zugewanderten, Steinmann ist für einkommensabhängige Prämien, aber gegen eine Zweiklassenmedizin. Mühlemann graut vor dem «trägen Moloch» einer Einheitskasse, auch Trummer und Rothlin sind dagegen, wobei Rothlin mehr «Corporate Governance» für die Manager der Krankenkassen verlangt.

Die witzigste Frage hatte sich Späni für den Schluss aufgespart: «Sie gehen dann als Power-Sturm nach Bern, da gibt es immer einen Center, einen rechten und einen linken Flügel. Wo sehen Sie sich selbst und mit wem würden Sie am liebsten nach Bern gehen?» Peter Rothlin sieht sich eher als Ausputzer und würde gerne mit Benjamin Mühlemann nach Bern ziehen, Mühlemann sieht sich als Center mit Rechtsdrall und möchte mit möglichst liberalen Partnern nach Bern hochziehen, aber keine Namen nennen. Mathias Zopfi erklärt: «Ich nehme jene, die das Volk wählt und wäre froh, wenn das Team auch gemischtgeschlechtlich wäre.» Andrea Trummer sieht sich als Center und könnte sich Zopfi und Mühlemann als Partner für Bern vorstellen. Markus Schnyder will zusammen mit den beiden Bürgerlichen nach Bern und Sabine Steinmann? «Ich sehe mich auch als Center, aber lassen wir das Glarner Volk entscheiden.»