Programmatisch musikalisch glanzvoller Bogen skizziert

Schon zu Beginn des Konzerts führten die Improvisationen des Paul-Giger-Trios das Publikum in ein meditatives Versinken, das behutsam in Thomas Tallis «Klagelied des Propheten Jeremia« hinüberschwenkte. Während der Fortdauer des Konzerts wurde ein glorioser programmatischer Bogen immer deutlicher erkennbar, der mit Paul Gigers Werk «O ignis» (O Feuer) dem Höhepunkt zustrebte.



erklang mit (von links) Bettina Messerschmidt (Cello)
erklang mit (von links) Bettina Messerschmidt (Cello)

Die Wechselwirkung zwischen Improvisation und komponierten Werken, das sanfte Hineingleiten von einem Programmpunkt zum anderen, führte zu einem einmaligen musikalischen Hörgenuss. Garant für dieses musikalische Gesamtkunstwerk ist die hohe gesangliche Qualität des Madrigalchors mit ihrem Dirigenten Niklaus Meyer im Zusammenspiel mit dem international bekannten Violinist und Komponist Paul Giger, der Cellistin Bettina Messerschmidt und Marie-Louise Dähler am Cembalo und an der Orgel.

Hildegard von Bingen und Paul Giger


Die Benediktiner-Nonne Hildegard von Bingen wird in der Römisch-Katholischen Kirche als Heilige verehrt und ist gerade gegen Ende des letzten Jahrhunderts immer mehr ins Bewusstsein der globalisierten Menschheit gerückt. Gerade deshalb war es so tief ergreifend, an Allerheiligen die vielschichtige Komposition von Paul Giger fernab jeden Mainstreams zu verinnerlichen. Feurig sind die Worte von Bingens in Verehrung «des Tröstergeistes (Gottes) …», die in die Tiefen des menschlichen Seins blicken lassen, die Schöpfung als Ganzes loben, Hoffnung aufblitzen lassen.

Das vielseitige Leben Hildegard von Bingen (1098-1179) in Töne umzuwandeln, dies gelang Paul Giger mit seiner Komposition «O ignis» in faszinierender Weise. Von Johann Sebastian Bachs G-Dur-Sonate führte eine leise, meditative Improvisation über zu den ersten Tönen der Bassstimmen, die in immer wiederkehrenden Intervalle erklangen. Die Suche nach Entfaltung als Frau, ihr selbstbewusstes Auftreten, auch ihre Visionen hat Paul Giger ganz den Frauenstimmen des Chores zugeordnet, die vom zarten Flüstern bis hin zum Aufschrei die ganze Breite ihres Lebens umfasste. So wie Hildegard von Bingen gegen Ende ihres langen Lebens die Schöpfung als Ganzes in sich verinnerlichte, fanden alle Chorstimmen, die Klänge der Violine und des Cellos zusammen mit Orgeltönen zu einem versöhnlichen, in sich ruhenden Ende.