RAUSCH – Nicole Knuth und Olga Tucek in Glarus

Dass sich mit RAUSCH als berauschendem Begriff spielen lässt, ihn in extrem beschwingte Wortakrobatik einfügen und damit wahre Gebilde mit diversen Innenleben ausdeuten kann, bewiesen Nicole Knuth und Olga Tucek auf der kleinsten Bühne im kleinen feinen Hauptort am Fusse des Glärnisch.



Das Bühnenbild gewährt erste Hinweise aufs Programm. (Bilder: p.meier) Tucek und Knuth in action. Poetisch und verträumt – das Sehnen nach Kindheit. Nicole Knuth
Das Bühnenbild gewährt erste Hinweise aufs Programm. (Bilder: p.meier) Tucek und Knuth in action. Poetisch und verträumt – das Sehnen nach Kindheit. Nicole Knuth

Vor einem spürbar begeisterten Publikum in der Kulturbuchhandlung Wortreich mündete ein wahres Feuerwerk an zuweilen überbordendem, inhaltlichem Reichtum, Feinsinnigem, stark Fraulichem, Überdeutlichem zum Alltag der im Geschäftsleben überbeanspruchten Fachfrau, Kleiderfragen, Rauschzuständen, weiblichen Reizen, leicht trotteligen Männern, abstumpfendem, täglichem Ablauf im Hause, Sehnen nach der einstigen Kindheit in die befreiende Erkenntnis, dass es Frauen bei uns und in unserer Gesellschaft freisteht, alle Genüsse dieser Welt auszuleben, hintergründig zu kommentieren, Ungutes aufzuzeigen, zu sensibilisieren, mit bissigem Humor das eine und andere aufzuzeigen.

Das Dekor auf der kleinformatigen Bühne konfrontierte bereits beim Betreten der Kulturbuchhandlung im Abläsch Glarus mit Kommendem. Abfall, wie er überall rumliegt, Tranksame, Akkordeon, zwei Puppen, Notenständer und anderes waren so etwas wie Programminhalte. Und spätestens mit dem Betreten der Bühne und ersten Hinweisen machten Nicole Knuth und Olga Tucek klar, was sie auszuspielen gedachten. Wortwitz, starker Gesang, witzig-bissige Aussagen, sprachliche Virtuosität und stimmliche Abgestimmtheit, Rasanz, Verharren in Besinnlichkeiten, Betroffenheiten, das kecke Aufleben von Beobachtungen, das elegante, wortreiche Einbetten in so viele Botschaften kamen an.

Da agierten zwei Profis mit grossem geistigem Horizont, kenntnisreich konfrontierend, Lust am willkommen überbordenden, überzeichneten Geschehen, das in unglaublichem Tempo zum Publikum gelangte, ihm einige Aufmerksamkeit beim Zuhören abforderte.

Mit der Einleitung wurden noch alle im Kinderzimmer mit längst vergangenen Träumen willkommen geheissen. Aber dieser Raum wurde schnell verlassen, eine Rückkehr war erst mit dem Ende des Programm, dem erlösenden Abheben und dem kindlichen Flug durch Seligkeiten möglich. Und zwischendurch gab es Trinksprüche, Witze in Kürzestformen, Titel zu gesungenen Kapiteln, Charakterisieren, Kommentieren, Zwiegespräche, Wort- und Stimmgewaltiges in farbigsten Wechseln, intelligent und kurzweilig angeboten, fern jeglicher Plattitüden und Schlüpfrigkeiten. Das war dann eben eine berauschende Kunstform, der man bereitwillig und erwartungsfreudig folgte.

Der Titel des ersten Kapitels, ab Bühne sehr launig angeboten, handelte von Frau und Rausch, einer «dangereuse Liaison» über das «globale Ideal der Feminität». Spezifisch Frauliches machte sich breit: «Mein Herz ist gross, komm in mein Schoss» – und los gings auf einem Weg mit kecken, mehrdeutigen Munterkeiten. Und mit einem Höllentrip zu Rausch und Staub ging es weiter. Der blöde, laute, leicht defekte, hochmoderne Staubsauger störte nachhaltig in einem erheiternden Mix aus Telefonwerbung, TV-Programmen mit romantischen Serien, Jasssendung aus dem Bordell, TV-News, die plötzlich Wirklichkeit werden. Weiteres Begegnen galt Rausch und Lust, Frauen, die von der Kunst leben und köstlichem Konfrontieren mit Literatur, die beinahe weltweite Bedeutung haben wird. Wer möchte sich nicht vertiefend mit dem Werk «Warum» des Leodegar Memmenhuber und anderem befassen? Den Einstieg gewährten Tucek und Knuth.

In «Rausch und Kapital» gewann man bittere Erkenntnisse, die als fordernde Tatsachen auf politischen Bühnen durchaus existieren. Habt ihr keine Arbeit, sollt ihr sie suchen; fehlt Brot, wird Kuchen gefressen; fehlt Wasser, kaufst du es bei Nestlé. Da blieb das Lachen im Halse stecken und wollte sich auch bei der mit «Rausch und Humor» betitelten Nummer nicht so recht breitmachen. Zuweilen sind Lachen, Humor und Beifall vorgegeben, haben geregelt zu erfolgen, im Stile: Wir lachen vor – Sie lachen nach!

Nach vielen Räuschen kommt der Kater. Für Tucek Grund, sich mit dem Kater auf dem heissen Blechdach zu befassen – in Form eines üblen Märchens, das so artig mit dem arbeitsamen Bauern und dem hübschen Meitschi beginnt. Täglich bringt es ihm das Essen rauf – an den Arbeitsplatz, der eben nicht immer nur Arbeitsplatz bleibt.

Dann beginnen Titel und Kapitel zu entschwinden. Deren Fehlen fällt kaum auf. Es sind noch so viele Botschaften in träfe Worte, Gesang und echt starkes Begleiten auf dem Akkordeon umzusetzen. Die Aussagen betreffen beispielsweise Kultursponsoring, Ecopopuläres, Maulheldentum, Position, Reputation und anderes. Bewegend ist, wenn Träume aus den Seelen gesungen werden, wenn Sehnen doch auch mal hörbar wird und die Botschaft zum Abschied aufkommt: «Rauschen Sie gut weiter in Ihrem Leben!»